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Australien: Eisenerz-Milliardär wird Öko-Unternehmer

Andrew Forrest im Gespräch mit Sandra Ratzow.
Andrew Forrest will Eisenerz für den Weltmarkt klimaneutral verarbeiten. | Bild: NDR

Andrew Forrest gehört zu den reichsten Menschen in Australien. Der Bergbau- und Eisenerz-Unternehmer hat sein Vermögen mit dem Abbau und der Verarbeitung von Rohstoffen gemacht. Seine Hochöfen gehören zu den größten Verbrauchern von fossilen Rohstoffen in Australien. Aber jetzt sattelt er um.

Unternehmer setzt auf Wind- und Solarenergie

In der Konzernzentrale in Perth lenkt und überwacht er sein Imperium von Eisenerz-Minen, die 1.600 Kilometer entfernt im Outback liegen. Doch nun setzt ausgerechnet er, der Schwer-Industrielle, auf Wind- und Solarenergie und vor allem auf grünen Wasserstoff. "Wir können Wasserstoff herstellen mit Wind und Sonne und ihr bei Euch auch mit den Gezeiten oder Geothermik. Wir müssen dafür nichts aus der Erde buddeln. Und ihr müsst dafür nicht den Kreml bezahlen. Ihr könnt das alles selbst."

Seine Eisenerzminen sollen demnächst klimaneutral arbeiten. Deshalb investiert der Unternehmer umgerechnet sechs Milliarden Euro in die Entwicklung von Wasserstoff-betriebene Lkw, Zügen und Schiffen. "Ich habe kein schlechtes Gewissen. Haben Sie das etwa, weil sie auf diesem Stuhl auf Metall sitzen? Die Welt braucht Metall. Wir müssen nur einen Weg finden, alles, was wir machen, grün zu produzieren."

Export von Wasserstoff statt Kohle

Felicity Underhill ist eine von Forrests wichtigsten Mitarbeiterinnen. Sie überwacht sein aktuelles Lieblingsprojekt, eine Baustelle in Gladstone, im nordöstlichen Bundesstaat Queensland. Statt Kohle soll Australien in einigen Jahren von hier aus Wasserstoff exportieren. "Wir bauen hier eine Produktionsstätte für Elektrolyseure. Das Werk steht für umgerechnet zwei Gigawatt im Jahr und wird das größte Werk der Welt sein. Und mit diesen Elektrolyseuren lässt sich grüner Wasserstoff produzieren", erklärt Underhill.

Das deutsche Unternehmen EON hat angekündigt, bis 2030 fünf Millionen Tonnen abzunehmen. Felicity Underhill hat selbst bis vor Kurzem im Öl und Gassektor gearbeitet. Endlich bin ich auf der Seite der Engel, sagt sie – ganz Marketing-Frau. "Australien hat fantastische erneuerbare Energien. In einer Gegend wie hier in Queensland haben wir das Glück, dass Wind und Sonne sich ergänzen. Tagsüber ist es sonnig, nachts windig. Ein konstante Ladung erneuerbarer Energie. Mehr als wir hier in Australien nutzen können. Und der Trick ist jetzt, dieses Potenzial erneuerbarer Energien mit der Welt zu teilen."

Energiewende und die Hoffnung auf Jobs

Ein Frau mit Schutzbrille und Helm spricht in die Kamera.
Felicity Underhill ist eine von Forrests wichtigsten Mitarbeiterinnen. | Bild: NDR

Die Baustelle liegt ausgerechnet in Gladstone – einer Stadt, die wie ein Symbol ist für Australiens bisheriges "fossiles" Image:  Kohle, Gas, Aluminium. Doch die Zeichen stehen auf Veränderung. Das große Kohlekraftwerk der Stadt soll 2035 vom Netz gehen. Auch andere, wie Aluminiumriese Rio Tinto, investieren plötzlich in erneuerbare Energien. Und auch an der Gladstone High School herrscht Aufbruchstimmung. "Ich würde gern Ingenieur werden und gern was mit Wasserstoff-Firmen zu tun haben, was uns total helfen würde", sagt Schüler Lewis Windsor. Fast jeder hier hat Eltern, die in der Kohle- oder Gasindustrie arbeiten. Und nun schöpfen sie Hoffnung, dass Australiens Energiewende Fahrt aufnimmt und irgendwann auch Jobs für sie bereithält. Die Schule bekommt in den nächsten Jahren ein nigelnagelneues, millionenteures Design und Technologiezentrum mit neuester Versuchs- und Labortechnik. "Das Ganze hier macht es so viel realer. Wir verstehen dadurch, dass es eine echte Alternative ist. Wir sehen es mit eigenen Augen. In der Massenproduktion wird das natürlich noch tausendmal größer sein als das. Wir wissen jetzt, dass wir eine Chance haben, erneuerbare Energien zu produzieren", erklärt Schülerin Abby Davies.

Bewegung in Australiens Klimapolitik

Der Hafen von Gladstone ist der weltweit viertgrößter Umschlagplatz für Kohle. In Zukunft soll von hier aus grüner Wasserstoff exportiert werden. Glenn Butcher ist Sozialdemokrat und Queenslands Minister für regionale Entwicklung. Die Bundesstaaten hätten schon vor Jahren angefangen umzudenken, sagt er. Seit Mai ist nun auch ein Sozialdemokrat Premierminister. Seitdem bewege sich endlich was ins Australiens Klimapolitik: "Ich glaube, die Leute freuen sich auf die Zukunft von Gladstone, eine traditionelle Industriestadt, die sich in ein Zentrum der Erneuerbaren Energien entwickelt. Das hat für einen Aufwind gesorgt und Optimismus für die Zukunft."

Die Schwerindustrie-Stadt Gladstone soll ein grünes Vorzeigeprojekt werden. In der Männer-Hobby-Werkstatt der Stadt sehen sie Unternehmer wie Andrew Forrest und den neuen Hype um Solar, Wind und Wasserstoff noch etwas skeptisch. Die meisten hier sind wie Allan Pease Rentner. Der 77-Jährige hat 22 Jahre als Elektriker im Kohlekraftwerk gearbeitet. "Die Welt liebt doch unsere Kohle und wir haben so viel davon. Die Politiker werden das sicher entscheiden, die Kohle auslaufen zu lassen. Aber was passiert dann mit all den Arbeitern? Sollen die alle auf Solarenergie umgeschult werden? Da ist noch so viel unklar."

Mal Ford, 78 Jahre, sorgt er sich nicht so sehr um sich, aber um seine Kinder und Enkel. Wasserstoff herzustellen, koste sehr viel Energie. Die Infrastruktur sei ja noch nicht einmal da. "Was wird wohl aus meiner Enkelin? Was ist, wenn plötzlich bei ihr in der Schule die Lichter ausgehen und die Computer nicht mehr funktionieren, weil sie keinen Strom haben. Weil wir die Kohlekraftwerke alle dicht gemacht haben, aber nicht genügend anderen Strom haben?"

Energiewende: Sonnige Aussichten für Australien

Zurück in der Konzernzentrale von Andrew Forrest: 2030 will er 15 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff produzieren. Manche halten seine Ziele für nicht realistisch, aber davon lässt sich der Unternehmer nicht abbringen. Vor Kurzem hat er seinen Doktor in Meeresbiologie gemacht. "Das muss funktionieren. Wir haben keine Wahl. Es gibt keinen anderen Energieträger, der so zu transportieren ist wie Wasserstoff. Ich mache mir Sorgen, dass die Welt zu langsam ist, die naheliegenden Lösungen aufzunehmen."

Aber von einer Sache ist er ganz überzeugt: Kaum ein Land habe so sonnige Aussichten, die Energiewende zu schaffen. Die Zeiten, in denen Australien ganz auf fossile Energien setzte, seien für immer vorbei.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur   

Stand: 27.11.2022 13:44 Uhr

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