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Norwegen: NATO-Übung an Russlands Grenze

Norwegen: NATO-Übung an Russlands Grenze | Bild: picture alliance/dpa/NTB / Geir Olsen

Zwei Paar Schuhe, einen dicken Schneeanzug und dann noch einmal wasserdichte Tarnkleidung – für ihren Dienst braucht Emilie Engelien besonders warme Kleidung. Die 21-jährige Norwegerin macht ihren Wehrdienst viele Hundert Kilometer über dem Polarkreis als bewaffnete Grenzschützerin. "Wir müssen das alles in unter fünf Minuten hinkriegen. Wenn der Alarm kommt, geht es erst hierher und dann machen wir uns schnell bereit. Aber heute haben wir etwas mehr Zeit“, erzählt Engelien.

Norwegen hat eine 200 Kilometer lange Grenze zu Russland

Mit ihren Schnee-Scootern startet sie am Morgen die Patrouille. Vom ihrem Posten Pasvik, ganz im Nordosten Norwegens, geht es über viele Kilometer entlang der norwegisch-russischen Grenze, vorbei an der russischen Grenzstadt Nikel. Norwegen hat eine 200 Kilometer lange Grenze zu Russland. Auch hier spüren sie, dass sich seit dem Krieg in der Ukraine etwas verändert hat. "Es ist sehr besonders hier oben. Weil wir Russland so extrem nah sind. Unsere Aufgabe ist ziemlich wichtig. Wir überwachen die Grenze und passen auf, dass es keine illegalen Übertritte gibt. Wir zeigen Präsenz und, dass wir immer bereit sind", sagt Emilie Engelien.

Entlassungen auf Werft in Kirkenes drohen

Zwei Männer stehen auf einer Werft vor einem Schiff.
Seitdem Russland aus dem Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen wurde, können die Werft-Kunden nicht mehr zahlen

Bislang ist es im Niemandsland zwischen Norwegen und Russland ruhig geblieben. In der Grenzstadt Kirkenes ist das anders. 3.500 Menschen leben hier an der Barentssee. Der große Nachbar ist so nahe, dass viele Schilder gleich zweisprachig sind. Als der Kalte Krieg vorbei war, haben sie eine große Werft gebaut, für russische Schiffe. Bis heute kommen die Trawler aus dem Nordmeer zur Reparatur. Doch die Sanktionen, die Russlands Präsidenten Putin treffen sollen, treffen auch den Werftchef Greger Mannsverk. Seitdem Russland aus dem Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen wurde, können seine Kunden nicht mehr zahlen: "Dieses Schiff soll in zwei Tagen auslaufen. Dann sollte eigentlich ein Neues aus Russland kommen. Aber ich weiß nicht, ob es klappt, weil der Kunde gerade keine Anzahlung überweisen kann. Wir beobachten die Lage den ganzen Tag, rund um die Uhr", sagt  Mannsverk, Geschäftsführer der Kimek Werft . In der Werft arbeiten rund 100 Menschen. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Und trotzdem droht ihnen jetzt die Entlassung.  

Nicht nur die Schiffe kommen aus Murmansk, auch viele russische Arbeiter sind einst nach Norwegen gezogen, weil die Jobaussichten hier besser waren. Zwei Jahre Pandemie haben sie noch irgendwie bewältigt, erzählen sie uns. Aber nach den Sanktionen gegen Russland könnten nun hier die Lichter ausgehen. Am Abend kommt der Wirtschaftsminister aus Oslo in die Grenzstadt. Werftchef Greger Mannsverk fordert Unterstützung vom norwegischen Staat. Und der verspricht Hilfe: "Die Situation ist dramatisch. Die Unternehmen hier machen einen großen Teil der Umsätze mit russischen Kunden. Es ist auch sicherheitspolitisch wichtig, dass hier Jobs und Menschen in der Grenzregion bleiben. Auch deshalb hat die Regierung spezielle Finanzhilfen beschlossen", sagt Jan Christian Vestre, Wirtschaftsminister von Norwegen. Werftchef Greger Mannsverk und die anderen Unternehmer sollen leichter an Kredite kommen. Und so die Krise für eine Zeit überbrücken. 

Sicherheitslage in der arktischen Region hat sich geändert

Soldaten bei einer Übung.
Soldaten nehmen an einer NATO-Übung in Norwegen teil. | Bild: picture alliance/dpa/NTB / Geir Olsen

In Norwegen sorgen sie sich nicht nur um ihre Wirtschaft. Auch die Sicherheitslage hat sich in der arktischen Region durch den Krieg in der Ukraine schlagartig geändert.  Alle zwei Jahre trainieren sie die Verteidigung des Landes. Doch diesmal fällt das Großmanöver "Cold Response" (Kalte Antwort) ausgerechnet in die Zeit des NATO-Russland-Konflikts. Norwegen betont, es sei eine Verteidigungsübung mit NATO-Partnern. Auch Deutschland ist dabei. Insgesamt 30.000 Soldaten – und das gut 800 Kilometer von Russland entfernt. Die Übung sei lange geplant, heißt es. Und doch soll von ihr ein eindeutiges Signal ausgehen. 

Konteradmiral Rune Andersen ging zur Marine als die Zeiten auf Entspannung standen. Mit den Russen gab es sogar gemeinsame Übungen. Jetzt sei alles anders: "Das ist auch für mich eine neue Situation. Sie bringt uns auch in der europäischen Sicherheitspolitik in eine komplett neue Ära. Es ist richtig und wichtig, dass mehrere NATO-Mitgliedsländer wie Norwegen und Deutschland nun ihr Militär stärken. So können wir es ermöglichen, künftig noch mehr zu üben und militärisch zu kooperieren."
Die Arktis ist reich an Rohstoffen. Und der Kampf um sie hat längst begonnen. Russland stellt Ansprüche und zeigt militärische Präsenz. Auch deshalb will Norwegen mit seinen Partnern hier Muskeln zeigen. 

Grenzschützerin Emilie Eneglien muss ich in diesen Tagen öfter fragen lassen, warum sie sich ausgerechnet diese Ecke Norwegens ausgesucht hat. Ihre Familie in der Hauptstadt Oslo ist besorgt: "Meine Familie glaubt, dass es hier nicht so richtig sicher sei. Aber sie wissen gar nicht so genau, was ich mache. Der Ukraine Krieg beschäftigt natürlich auch sie. Sie fragen also ständig, wie es mir geht. Aber ich sage ihnen dann immer, dass alles gut ist."  Ihr Wehrdienst wäre eigentlich in wenigen Wochen zu Ende. Doch Emilie hat noch einmal um ein halbes Jahr verlängert. Der Dienst hier oben sei in diesen Zeiten einfach zu wichtig.

Autor: Christian Blenker, ARD-Studio Stockholm    

Stand: 27.03.2022 21:32 Uhr

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