So., 19.06.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA: Aufrüsten an der Beringstraße
85 Kilometer breit ist die Beringstraße zwischen Alaska und der sibirischen Tschuktschen-Halbinsel. Die Meerenge ist einzige unmittelbare Grenze zwischen Russland und den USA. Über Jahrzehnte wurde diese Grenze nicht beachtet, jetzt rückt sie für US-Militärplaner wieder in den Fokus. Und die US-Armee rüstet auf. Moderne F-35 Flugzeuge sind dort stationiert, immer mehr Übungsflüge sollen den Russen deutlich machen, dass Amerika genau auf die Grenze in der Beringstraße schaut.
Hochbetrieb auf der Eielson Airforce Base in Alaska. Ganz im Norden der USA sind die Tage im Sommer lang. Mit den neuen Tarnkappen-Jets üben sie den Luftkampf. Die alten F16 gegen die nagelneuen F35, die Bösen gegen die Guten – wie im richtigen Einsatz. Oberstleutnant Eric Freienmuth gehört zu den Guten. Der Mann mit den deutschen Vorfahren freut sich schon, irgendwann auch mit Piloten aus Deutschland zu fliegen, wenn die deutsche Luftwaffe ihre ersten F-35 hat. Aber erst muss seine eigene Einheit fit für den Ernstfall werden. "Zurzeit trainieren wir vor allem den Einsatz größerer Gruppen: acht bis zwölf F-35-Jets gegen vier bis sechs gegnerische Flugzeuge. Das erfordert viel Koordination, damit die Jets unserer neuen Einheit sich im Himmel nicht zu nahe kommen."
Weltweit größtes Trainingsgebiet für Kampfjets
In Alaska fliegen diese F-35-Piloten in dem weltweit größten Trainingsgebiet für Kampfjets. So groß wie Florida. Hier kann scharf geschossen werden. Kurze Lagebesprechung. Dann heißt es Krallen raus, der Gruß des Geschwaders. "Die politischen Entwicklungen ändern nicht wirklich das, was wir hier machen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren darauf konzentriert, endlich alle Flugzeuge zu bekommen. Inzwischen ist fast das ganze benötigte Personal beisammen. Unser Auftrag ist es, für unseren Job bereit zu sein, ohne Rücksucht auf das politische Umfeld und unabhängig davon, welcher Feind uns oder unsere Verbündeten bedroht", sagt Freienmuth.
Im Training müssen sie gegen F-16-Jets bestehen, und deren versierte Piloten. Auf der Airbase in Alaska gibt es ein Geschwader, das ausschließlich den Feind verkörpert. Einer, der die älteren Kampfjets fliegt, ist Major Brent Rist. Damit niemand an deren gegnerischer Mission zweifelt, finden sich an manchen Flugzeugen tatsächlich alte sowjetische Symbole. Mit dem heutigen Russland soll das nichts zu tun haben. "Das ist wahrscheinlich noch ein Überbleibsel aus dem Kalten Krieg. So haben wir uns damals unsere Feindmentalität entwickelt. Aber das ist nicht unser einziger Schwerpunkt. In den USA müssen wir, wie überall sonst, auf jedes denkbare Szenario vorbereitet sein", erkkärt Rist.
"Wir müssen bereit sein"
Doch die USA, findet der republikanische Senator Dan Sullivan aus Alaska, haben zu lange ihre Sicherheitsstrategie für den Norden vernachlässigt. Die sei dringend nötig, angesichts des von Putin geäußerten Ziels, die Arktis zu einer Art Suezkanal zu machen, unter russischer Kontrolle. Eine Drohung? "Wenn die Ukraine angegriffen werden kann, dann ist das auch in der Arktis möglich oder in der Meerenge von Taiwan. Uns allen ist dadurch bewusster geworden, vor allem beim Militär, dass wir für etwas trainieren, das wir bereit sein müssen zu tun, von einem Moment auf den anderen. Leider ist das eine Lektion aus dem brutalen Einmarsch Russlands in die Ukraine."
1867 hatte der russische Zar das riesige Gebiet im eisigen Norden an die Vereinigten Staaten verkauft. Damals wusste noch niemand von den Bodenschätzen in der Region. In Fairbanks, unweit des Stützpunkts, erinnert ein Denkmal an den Zweiten Weltkrieg, als Russen und Amerikaner sich unterstützten. Alaska war damals wichtig für die Versorgung Russlands. An die Zeit denken manche in der Friedensbewegung noch heute. Sie fordern, dass die USA ihr Gewicht für Frieden in der Ukraine einsetzen statt Manöver über Alaska zu fliegen. "Sie machen uns zu einem Ziel. Ich fühle mich durch die Flugzeuge nicht sicherer, sondern unsicherer", sagt eine Bewohnerin. Auch auf dem nahegelegenen Markt gemischte Gefühle: "Es kann einem schon Angst einjagen. Wir sind so weit weg von allen anderen, besonders im Vergleich zum Rest Amerikas. Die sind alle zusammen, und wir sind hier oben", sagt Aiden Krause.
"Wir spielen die Bösen, um die Guten bestmöglich zu trainieren"
Auf dem Flugfeld donnern weiter die Jets durch die Luft, die alten wie die neuen. Drinnen, in der Kommandozentrale des Geschwaders der Angreifer, fällt wieder sofort Sowjetpropaganda ins Auge. Major Brent Rist erklärt: "Wir versetzen uns in die Mentalität des Angreifers hinein, um sicherzustellen, dass wir bei jedem Flugeinsatz wissen, wir spielen heute die Bösen, um die Guten bestmöglich zu trainieren, auch unsere Verbündeten, indem wir uns ganz der Rolle des Angreifers widmen.“
Und so schaffen sie es immer wieder, die hochmodernen Tarnkappenjets, die zurzeit als die besten Kampfflugzeuge gelten, in die Enge zu treiben. Oberstleutnant Freienmuth fliegt trotzdem lieber die F-35. Ihn faszinieren die technischen Möglichkeiten, aber auch die Aussicht auf mehr Austausch mit den Verbündeten: "Am wichtigsten ist, dass wir unsere Informationen teilen. Und dass wir die Fähigkeiten der anderen kennen. Wenn wir das gleiche Flugzeug haben, dann üben wir auch vergleichbare Taktiken. Das macht es so viel leichter, vor allem bei einem Einsatz an einem kleinen Ort, ob in Europa oder anderswo auf der Welt."
Anders als in den vergangenen Jahren dringen zurzeit kaum noch russische Flugzeuge in den amerikanischen Luftraum rund um Alaska ein. Die seien wohl in der Ukraine gebunden, erzählen sie hier. Statt russische Piloten in neutralen Luftraum zu eskortieren, bleibt also viel Zeit für intensives Training.
Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD-Studio Washington
Stand: 19.06.2022 19:26 Uhr
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