So., 05.12.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Durchbruch mit dem Infrastruktur-Programm? Erfolg für Joe Biden?
Kleine Läden wie der "Newby Country Store" gibt es nur noch selten in Amerika. Er schein ein bisschen wie aus einer anderen Zeit. Gerade haben sie das 130-jährige Bestehen gefeiert. Ashlie Hatton und ihr Mann Brad haben den Laden vor knapp drei Jahren übernommen. Die miserable Infrastruktur der Gegend ist seitdem auch ihr Alltag. "Unsere Stromleitungen sind neu. Das Haus nebenan ist im Februar abgebrannt, weil die alte Leitung kaputt ging und Feuer fing. Danach haben sie diesen Teil neu gemacht. Aber in der Hälfte der Haushalte hier fällt mindestens einmal die Woche der Strom aus", sagt Ashlie Hatton.
Geld für neue Stromleitungen ist eines der großen Projekte im Infrastruktur-Paket von Präsident Biden. Ein anderes ist der Ausbau der Internetversorgung – wichtig vor allem in ländlichen Regionen. "Wir haben 2021 und immer noch keinen Internetanschluss zu Hause. In der Pandemie mussten die Kinder zu Hause lernen und wir hatten kein Internet für ihr Homeschooling", erzählt Kristen Cobb, Mitarbeiterin im "Newby Country Store". Ashlie Hatton hat in dieser Zeit einen Internet-Hotspot eingerichtet. Für die Familien aus der Nachbarschaft. Doch auch ihr Hotspot fällt oft aus. Ob das Geld aus dem Infrastruktur-Paket auch ihnen hier helfen wird? In Newby sind sie skeptisch: "Wir stehen zu weit unten auf der Leiter. Wir sind so ein kleiner Ort; von dem Geld wird nichts bis zu uns durchkommen", sagt Donnie Weitkamp. Ashlie Hatton ergänzt: "Wir sind hier einfach nicht viele potenzielle Wähler. In so einem Fall wirst du meist ignoriert. Das Geld kommt nicht zu dir, weil du für die Politik nicht wichtig bist."
Biden Umfragewerte im Keller
1,2 Billionen US-Dollar stehen nun bereit, um die Infrastruktur Amerikas zu verbessern. Eine gewaltige Summe. Das meiste davon soll in marode Straßen und Brücken fließen, auch in ländliche Regionen. Vielerorts wird bereits gebaut. Bald noch mehr. Eigentlich ein Erfolg für Biden – aber seine Umfragewerte bleiben im Keller. Um zu verstehen warum, muss man in die Städte. Nach Louisville zum Beispiel. Bei der letzten Wahl eine Demokraten-Hochburg im ansonsten stramm republikanisch wählenden Kentucky. Auch Nyree und Antonio Taylor haben Joe Biden gewählt. Nicht, weil sie sich neue Straßen und Brücken erhofften, sondern einen echten Wandel.
"Ich hatte große Hoffnungen. Dass wir Schwarzen endlich eine faire Chance bekommen. Wir wollten eine Polizeireform. Wir wollten eine Reform des Wahlrechts, das uns benachteiligt", sagt Antonio. Nyree fügt hinzu: "Was wir bekommen haben, ist Juneteenth. Ein neuer Feiertag, an dem an die Befreiung der Sklaven erinnert wird. Haben wir vorher auch schon gefeiert. Antonio: "Aber das gibt der schwarzen Gemeinde keine besseren Ressourcen. Und das brauchen wir dringender: Geld und Chancen."
Schwarze Wähler enttäuscht
Im Zentrum Louisvilles, dort wo jetzt der Weihnachtsbaum steht, haben Nyree und Antonio im vergangenen Jahr monatelang protestiert – gemeinsam mit Tausenden anderen: gegen Polizeigewalt im Land, für mehr Gerechtigkeit. Ausgelöst wurde der Protest unter anderem durch den Tod der Afroamerikanerin Breonna Taylor bei einer Polizeirazzia. Und sie haben Wählerinnen und Wähler für die Demokraten mobilisiert. "Es bricht mir das Herz. Da bekniest du junge Leute, wählen zu gehen. Du erzählst ihnen: 'Glaubt an die Politik, glaubt an die Macht von Wahlen, an die Veränderung." Und die hören auf dich und gehen zur Wahl – und dann ändert sich für sie nichts", sagt Antonio.
Die Enttäuschung schwarzer Wähler wie Nyree und Antonio ist für Biden und die Demokraten ein riesiges Problem. Denn diese Gruppe war maßgeblich für Bidens Wahlerfolg. Am Abend wird es laut in Louisville. "The Real Young Prodigy’s" rappen für mehr Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung. Nyree hat die Gruppe vor fünf Jahren gegründet. Ihr Ziel: junge Menschen für Politik zu begeistern, sie zu lehren, ihre Stimmen zu erheben. Doch ob Nyree und Antonio bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder wählen gehen, wissen sie noch nicht. Und damit sind sie nicht alleine. "Wenn Biden die Gesetze, die er uns versprochen hat, nicht durchbringt, dann: sorry. Dann können wir nicht mehr in Scharen für dich wählen. Da muss schon wirklich was passieren", sagt Nyree.
Eines ist inzwischen klar: Mit dem Infrastruktur-Paket lassen sich Wähler wie Nyree und Antonio nicht zurückgewinnen. Selbst dann nicht, wenn das Geld irgendwann tatsächlich auch in ihrer Community ankommt.
Autorin: Kerstin Klein, ARD-Studio Washington D.C.
Stand: 05.12.2021 20:19 Uhr
Kommentare