So., 07.04.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA – Investoren übernehmen Trailerparks
Aliene Olsen hat Angst um ihr Zuhause. Sie lebt in einem Trailerpark in Tumwater bei Seattle an der US-Westküste. Seit ein Investor das Land unter ihrem Trailer vor zwei Jahren gekauft hat, müsse sie 30 Prozent mehr Miete für das Gelände bezahlen sagt sie – inzwischen etwa 800 Dollar pro Monat. "Für mich ist das Missbrauch von älteren Menschen wie uns. Wir haben uns hier Häuser gekauft, damit wir hier für immer leben können."
Mobile Home Parks: Investoren kaufen Grundstücke
Das Problem von Aliene und anderen hier: Die Häuser gehören ihnen, aber die Grundstücke, auf denen die stehen, sind gemietet. Schätzungsweise etwa sechs Prozent aller US-Amerikaner leben in Mobile Home Parks. Und die haben Investoren für sich entdeckt. "Wenn ich noch eine Mieterhöhung bekomme, bleiben mir weniger als 300 Dollar im Monat. Ich brauche Benzin, um zum Arzt zu kommen, Alltagsdinge wie Körperpflegeprodukte“, sagt Aliene Olsen. Sie lebt von 1.100 Dollar Rente im Monat.
Trailer Parks oder – Mobile Home Parks – wie sie auch genannt werden – sind gerade für Ärmere oft der einzige Weg, ein bezahlbares Zuhause zu kaufen. Nur: Mobil ist Aliene nicht. Denn ihr Trailer lässt sich nicht mehr einfach so durch die Gegend fahren – zu alt, zu teuer das Versetzen. "Ob ich mich gefangen fühle? Ja! Uns ging es gut, bis diese Firma das Land gekauft hat. Wir wussten als Mieter nicht mal davon, bis der Verkauf abgeschlossen war."
Gesetz verhindert jetzt "heimliche" Verkäufe
Kyle Taylor Lucas lebt nebenan, seit knapp 30 Jahren. Die Schicksale der anderen nehmen sie mit. Und deshalb packt sie an und organisiert zum Beispiel Lebensmittelspenden. "Das geht so schnell weg!" Denn Brot ist besonders beliebt. "Das ist so wichtig und rettet manche!" Damit sich niemand schämt, um kostenloses Essen zu bitten, wird es nicht verteilt, sondern einfach zum Abholen aufgebaut.
Kyle will nicht nur für sich und ihre Nachbarschaft, sondern ganz grundsätzlich etwas ändern. Deshalb engagiert sie sich mit Aliene und anderen in einer Art Nachbarschaftsrat. Sie treffen sich regelmäßig, um gemeinsam zu überlegen, was sie gegen die steigenden Mieten tun können. Heute hat Kyle die stellvertretende Bürgermeisterin Leatta Dahlhoff eingeladen. "Wir sind sehr dankbar. Ein Silberstreif am Horizont, während wir versucht haben, mit dieser Firma in Kontakt zu kommen, diesem Investor von aus einem anderen Bundesstaat, der den Park übernommen und gekauft hat", sagt Kyle.
Als die Investoren-Firma das Land vor knapp zwei Jahren kaufte, wurden Kyle, Aliene und die anderen nicht vorab informiert. Mittlerweile gibt es ein Gesetz, das solche "heimlichen" Verkäufe verhindert. Kyle will eine andere Gesetzesinitiative bei der Regierung des Bundesstaats einbringen, eine Art Mietpreisbremse. Leatta Dahlhoff will das unterstützen: "Wir arbeiten leider stückchenweise. Erst wenn der Gesetzgeber etwas vorschreibt, können wir unsere Vorschriften aktualisieren. So geht das hin und her. Wir müssen hier vor Ort unkompliziert helfen. Denn die Mieten steigen und unsere Senioren sind einen Schritt davon entfernt, obdachlos zu werden."
Kooperative will Investoren zuvor kommen
Zwei Minuten Fahrtzeit entfernt gibt es einen weiteren Trailerpark. Hier lebt Rose Best. Auch sie ist Rentnerin. In ihrer Freizeit malt sie gerne. Dafür hat sie im Moment allerdings weniger Zeit. Denn sie trägt jetzt Mitverantwortung für ein über Zehn-Millionen Dollar-Projekt. Ihr, ihrem Mann Shawn und allen Nachbarn drohte das gleiche Schicksal wie Aliene. Aber bei ihnen greift das neue Gesetz schon. Sie wurden vorgewarnt, dass der Eigentümer das Land verkauft. Gemeinsam mit allen Anwohnerinnen und Anwohnern will sie den Investoren zuvorkommen und die Grundstücke erwerben – für viel Geld.
"Wir sind ja nicht alleine verantwortlich, sondern die Kooperative“, sagt Rose. Diese Kooperative, eine Art Genossenschaft, gründen die Anwohner grade, mithilfe von Victoria. Sie arbeitet für eine gemeinnützige Organisation und unterstützt bei der komplizierten Gründung und der Finanzierung. Denn hier sollen auch diejenigen mitkaufen können, die am Existenzminimum leben. "Jeder Haushalt zahlt 100 Dollar ein. Das reicht nicht aus, um den Gesamtfinanzierungsbedarf zu decken. Gebühren, die Kosten für den Anwalt und andere Ausgaben fließen auch mit in die dauerhafte Finanzierung ein", erklärt Victoria O’Banion von der Organisation "ROC Northwest".
Rose und die anderen müssen die Miete für ihre Grundstücke nach dem Kauf an die Kooperative zahlen. Wie stark die Preise steigen, haben sie damit selbst in der Hand. Die Nachbarschaft war fast einstimmig für den Kauf. Im Mai soll es soweit sein. "Ich bin aufgeregt. Und erleichtert. Das ist eine große Sorge, die wegfällt. Ich hatte das immer im Hinterkopf. Ich bin froh, dass wir jetzt Sicherheit haben, hier weiterhin leben zu können", erzählt Rose.
Diese Sicherheit, sagt sie, wünsche sie auch Aliene und Kyle im anderen Trailer-Park. Ob die die Chance bekommen, die Grundstücke zu kaufen ist unklar. Dafür müsste der Investor verkaufen wollen. Für Aliene könnte es dann zu spät sein. Sie fürchtet, zu ihren Söhnen ziehen zu müssen, abhängig zu werden von anderen – sollte die Grundstücksmiete weiter steigen.
Autorin: Sarah Schmidt, ARD-Studio Washington D.C.
Stand: 07.04.2024 11:29 Uhr
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