Mo., 22.02.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Afghanistan: Helden des Alltags
Sie trauen sich was. Sie malen. Omaid und seine Freunde kämpfen mit Pinsel und Farbe. Heute zeichnen sie Fußballer. Ihre Helden aus der Nationalmannschaft. Das Bild soll einen kleinen Augenblick Frieden zeigen. Und das in Kabul, einer Stadt im Krieg. "Diese Leute – unsere Fußballer – geben uns Hoffnung. Gerade jetzt, wenn die Leute aus dem Land weglaufen," sagt Omaid Sharifi.
"Wir sehen euch"
Mut machen wollen sie. Und Mut brauchen sie. Fast täglich erlebt Kabul Anschläge. Der letzte ist erst wenige Stunden her. Omaid hat dabei einen Freund verloren, doch er versteckt sich nicht, anders als seine Stadt. Kabul hat sich eingebunkert. Die Mauern zu filmen ist fast immer streng verboten. Wir tun es heimlich. Und wenn wir doch drehen dürfen, nur ganz kurz. Mit diesen Augen hat alles begonnen. Ihre Botschaft: Wir sehen euch. Wir sind wachsam. Gemeint sind korrupte Beamte, die jeden Tag hier vorbeifahren. Die Künstler konnten die nackten Mauern nicht mehr sehen. Und dann fingen sie an, sie zu bemalen.
Sie können nicht einfach drauf los malen. Es dauert oft Wochen, bis es ihnen genehmigt wird. Jeder ist verdächtig hier im Botschaftsviertel. Überall laufen Überwachungskameras. Die Sicherheitsleute rechnen mit Allem. Aber nicht mit einen Gandhi, der zur Gewaltlosigkeit mahnt. Omaid Sharifi hat genug: "Es reicht einfach mit der Gewalt. Es reicht mit all den Waffen. Wir müssen das überwinden. Das geht eben nur gewaltlos." Und so langsam ändert sich was. Die Künstler haben Fans. Auch das gefährliche Leben der Polizisten ist bunter geworden.
Lachen statt weinen
Sie wollen aus Kabul die Graffiti-Hauptstadt der Welt machen. Wollen lachen, obwohl es viele Gründe gibt, um zu weinen. Und viele Gründe, um aus Afghanistan wegzulaufen. So wie zehntausende Andere. Aber sie wollen bleiben. Omaid Sharifi erinnert sich: "Ich sah als Kind wie zwei Menschen vor meinen Augen geköpft wurden. Während der Talibanzeit. Jeden Tag wenn zur Arbeit fahre, spüre ich: Gleich wird eine Bombe explodieren. Dann könnte ich meine Familie nie mehr wiedersehen. Das sind die Gefahren, mit denen wir leben. Auf der anderen Seite fühle ich, dass ich so viel verändern kann."
Basir – einer von Omaids Freunden – lebte lange in Deutschland. Die Familie war in den 90ern geflohen. 2007 kehrte er zurück, weil er sich verliebte. Erst in eine Frau. Dann wieder neu in sein Land. "Ich will die Leute, die das Land verlassen haben jetzt moralisch nicht angreifen. Aber wer soll denn die Probleme lösen? In Deutschland. Nach dem zweiten Weltkrieg. Wer hat das Land wieder aufgebaut? Die Deutschen! Und das Land Afghanistan sollen auch die Leute wieder aufbauen," sagt Basir. Doch dafür brauchen sie Frieden.
Wenn der kommt, werden sie wohl die Mauern einreißen. Dann verschwinden die Bilder. Macht nichts, sagen die Künstler. Sie freuen sich auf diesen Tag und sind sicher, dass er kommen wird. Und bis sie gewonnen haben, malen sie weiter. Mauern gibt es in Kabul mehr als genug.
Autor: Gábor Halász, ARD Neu Delhi
Stand: 11.07.2019 04:37 Uhr
Kommentare