Mo., 04.07.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Bangladesch: Die Angst geht um
"Das war eine abscheuliche Tat," sagte Premierministerin Sheikh Hassina nach dem jüngsten Anschlag in Dhaka. Und sie fragte sich, sichtlich geschockt, "was für Muslime sind diese Menschen? Sie haben keine Religion. Ihre Religion ist der Terror." Ein Terror, der in Bangladesch seit zwei Jahren deutlich zunimmt. Islamisten greifen gezielt religionskritische Blogger, Andersgläubige wie Hindus oder Buddhisten, Homosexuelle und auch Ausländer an.
Blogger auf der Todesliste
Arif Jebtik ist einer der Blogger, deren Leben bedroht ist. Er lebt gefangen in der eigenen Wohnung in Dhaka – weil er schreibt, weil er kritische Fragen stellt. Jebtik bloggt über den Terror. Warum – so will er wissen – werden aus jungen Menschen Attentäter? Und warum berufen sie sich auf den Islam? "Islam heißt Frieden. Das Wort bedeutet Frieden. Es ist völlig undenkbar, im Namen der Religion zu töten", sagt Jebtik.
Auch Arif Jebtik ist Moslem. Aber weil er sich auflehnt gegen religiöse Gewalt, steht er auf einer Todesliste. Er geht nicht mehr aus dem Haus: "Früher ging ich Joggen. Ich liebte es, ins Kino zu gehen. Ich habe sonst immer meine Kinder in die Schule gebracht. Ich habe keine Angst, aber ich muss vorsichtig sein. Wir Blogger versuchen am Leben zu bleiben – für mich, mein Land, meine Familie. Aber keine Ahnung, wie lange das noch gut geht."
Freie Geister verstecken sich
Dhaka ist laut, draußen pulsiert es. Blogger, Künstler oder Intellektuelle können oft nicht eintauchen in dieses Leben. Was, wenn der Mörder auf einem Motorrad lauert? Freie Geister verstecken sich hinter Mauern und Fenstern. Sie leisten sich Wachleute, misstrauen.
160 Millionen Menschen leben in Bangladesch. Der Islam ist Staatsreligion. Es ist noch gar nicht lange her, da keimte Hoffnung auf. Da träumten junge Leute von einem modernen und offenen Land. Islamisten gefiel das nicht. Sie setzten die Regierung unter Druck. Die verschärfte Gesetze, schaltete Blogs ab. Das ermutigte die, die den Islam radikal auslegen. "Wenn du bei Facebook etwas likest, dann kannst festgenommen werden. Da ist dieser Druck von der Regierung. Und auf der anderen Seite, wenn dir bei Facebook etwas gefällt, kannst du von den Extremisten getötet werden, schon morgen", sagt Blogger Arif Jebtik.
Menschen werden niedergemetzelt. Die Täter nur schleppend verfolgt. Zu den Morden bekennen sich immer wieder die Terrororganisationen Islamischer Staat und Al Kaida. Die Regierung bestreitet das. Sie sagt, die Täter kommen aus dem eigenen Land. Schwer zu sagen, was stimmt. Aber der politische Islam fühlt sich gestärkt.
"Regierung muss endlich durchgreifen"
In Dhaka besuchen wir eine große Moschee mit Koranschule. Betrieben wird diese von der Islamischen Einheitsfront. Einer Partei, der vorgeworfen wird, mit Extremisten zumindest zu sympathisieren. Sie empfangen uns freundlich. Sie sagen: Die Morde seien gegen den Islam. Trotzdem verstehen sie die Aufregung nicht. "Ich weiß nicht, warum da drei, vier Leute in Angst zu Hause sitzen. Keine Ahnung, was sie verbrochen haben. Wie sie gegen unsere Verfassung verstoßen haben. Wie sie unsere Religion beleidigen. Sie sollten das erkennen und bedauern. Dann können sie auch ein normales Leben führen", sagt Mufti Fayez Ullah von der Islamischen Einheitsfront.
Es sind längst nicht mehr nur Blogger und Intellektuelle, die ermordet werden. Menschen müssen sterben, weil sie anders glauben, Christen oder Hindus sind. Die Angst ist greifbar im größten Hindutempel. Rana das Gupta, vom Hindu-Buddhist-Christian Unity Council Bangladesch, kann die Diskussion nicht mehr hören, wer denn hinter dieser Welle der Gewalt steckt. Er will, dass die Regierung endlich entschieden durchgreift: "Das ist doch total unwichtig, ob der IS, die Taliban oder Al Kaida im Land sind. Es sind doch ihre Anhänger, die hier ihr Unwesen treiben."
Arif Jebtik, der Blogger, will trotzig sein. Keine Angst haben Aber: Er fragt sich schon manchmal: Wäre es nicht besser etwas leiser zu sein? Doch dann hätten die Terroristen gewonnen.
Autor: Gábor Halász, ARD-Studio Neu Delhi
Stand: 12.07.2019 05:15 Uhr
Kommentare