Mo., 08.08.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
China – Ein Roboter hilft beten
Er liegt nur eine gute Autostunde entfernt vom chaotisch immer schneller, rasend modern wachsenden Peking: Der Long–Quan-Tempel in den Haidan Bergen, nur 60km nordwestlich der Hauptstadt. Bis vor gut zehn Jahren war er verfallen und verlassen, denn bis Ende der Siebiziger wurden die Mönche in China von der Partei verfolgt und umgebracht. Ihren Glauben aber konnte sie nicht ausrotten. Und der Long–Quan Tempel, von dem bis vor kurzem nur noch die Grundmauern standen, er strahlt heute wieder die Kraft und die Ruhe aus wie vor über 1000 Jahren.
Den Buddhismus in China wiederbeleben
Seit 2010 haben sie ihn im Rekordtempo wieder neu aufgebaut – detailgetreu nach den alten Plänen. Und auch junge Mönche sind wieder da. Derzeit sind es bereits über 150, die hier ihre alten Schriften und Rituale wieder studieren, in der Hoffnung, den Buddhismus in China wieder zum Leben zu erwecken. Manche auf durchaus eigene Weise: Xian Fan zum Beispiel: Er hatte Kunst in Peking studiert, bevor er hierherkam. Und das brachte ihn auf eine ganz neue Idee: Er erfand eine kleine Figur, Xian Er, einen Zeichentrick-Mönch, als Markenzeichen für den Tempel. Ganz in Gelb. "Ich hab ihn extra sehr quadratisch gemacht, weil das im Moment sehr gut ankommt. Insofern misch ich die alte Maltradition mit dem, was jetzt gerade da draußen beliebt ist", erklärt er.
Und Buddha scheint mit ihm gewesen zu sein: Der kleine Zeichentrick-Mönch ist mittlerweile ein Riesenerfolg und Xian Fan Herrscher über ein ganzes Cartoon–Imperium im Herzen des Klosters. Kunststudenten aus Peking reißen sich darum, hier als Volontäre umsonst zu helfen, die Abenteuer des kleinen Xian Er in Comics umzusetzen, und mittlerweile gibt es sogar aufwändig gemachte Stop–Motion Videos. Bei deren Produktion Xian Fan gelegentlich mithilft.
Wiedergeburt als Roboter
Der größte Hit aber ist derzeit die allerneueste Wiedergeburt des kleinen gelben Mönchs – als Roboter: Hier rät er gerade, einfach die Ruhe zu bewahren. Und zumindest seinen Vorgänger scheint er damit nicht zu stören. Allerdings hat er durchaus seinen eigenen Kopf, vor allem wenn man sich länger mit ihm unterhalten will. "Wie ist das Wetter heute? Kannst Du nicht selbst aus dem Fenster gucken? – Warum bist Du so dick? Das ist eine Frage die ich nicht beantworten kann... – Was isst Du am liebsten? Roboter essen nicht, das ist eine blödsinnige Frage."
"Manchmal wird er sauer, wenn man ihn zu viele unsinnige Fragen stellt. Und dann verweigert er sich, aber grundsätzlich funktioniert er wirklich gut", sagt Xian Fan. So gut, dass das LuQuan-Kloster an Wochenenden oft von bis zu 2000 Menschen aus ganz China regelrecht überlaufen wird. Manche sind Touristen, und kommen tatsächlich nur wegen Xian Er, aber immer mehr Menschen suchen nach mehr als nur der kleinen Comicfigur, die sie ursprünglich hierhergebracht hat.
Technik und Religion das ist auch für die Oberen des Klosters – so längst kein Widerspruch mehr. Denn seit die chinesische Regierung das Klosterleben grundsätzlich wieder zulässt, versuchen sie alles, um die Menschen draußen im Land zu erreichen, erklärt uns Xian Er. "Im heutigen China ist die Wirtschaft so atemberaubend schnell gewachsen, dass es den Menschen zwar materiell sehr viel besser geht, sie aber spüren jetzt, dass das allein auch Angst und Druck erzeugt."
Die Besucherzahlen steigen
Dennoch: Xu Er muss bei allem was er sagt, eine vorsichtige Balance wahren, denn vollkommen frei sind sie nicht bei dem, was sie hier tun. Im Vorstand des Klosters sitzen wie in allen buddhistischen Klöstern in China auch Mitglieder der Regierung, die sehr genau beobachten, was hier geschieht. "Aber die Regierung weiß eben auch, dass viele Menschen derzeit nicht vollständig glücklich sind - und das will man ausgleichen – deshalb lassen sie uns machen und unterstützen uns auf diese Weise. Und das ist sehr wichtig für uns", findet Xian Er.
Das heißt, man will ein wenig den Druck aus dem Kessel lassen. Solange man von oben im Blick hat, was geschieht. Im Moment sind es jedes Wochenende an die tausend Laien, die herkommen, um gemeinsam mit den Mönchen zu meditieren und Mantras zu singen. Direkt gegenüber des alten Klosters zeigt uns Xian Fan deshalb ihr neuestes Projekt: Ein Anbau, in dem schon bald mehr als 3000 Laien untergebracht werden können. Ein riesiger Komplex, den sie mit wenigen professionellen Bauarbeitern in Eigenregie hochziehen. Denn bislang müssen die Besucher nach ihren Meditationen oft noch lange Strecken zurück in ihre Heimatstädte fahren. Und immer mehr, die ursprünglich wegen Xian Er, des kleinen Robotermönchs hier hergekommen sind, wollen nun gerne länger bleiben: "Das was ich hier höre seit ich das erste Mal da war, hat meine Seele wirklich ganz tief berührt, das Wissen der Mönche ist wie ein riesiger See, und davon möchte ich mehr lernen..", sagt ein Besucher.
Der Urheber dieses ganzen Rummels Xian Fan bekommt von all dem nur wenig mit, aber es macht ihn froh, dass sein Tempel nun so viele Menschen dort draußen erreicht. "Es verändert die Menschen, wenn sie hier herkommen, ihre Herzen und ihr Denken. Dinge, vor denen wir vorher Angst hatten, scheinen überwindbarer, lösen sich auf. Du fühlst dich klarer und sicherer." Nachwuchs-Sorgen dürften sie also vorerst nicht mehr haben. Dafür sorgt auch schon Xian Er, dessen Prototyp übrigens bald in zweiter Generation in Serie erscheinen soll. Der chinesische Buddhismus, er scheint dabei, sich seinen festen Platz im Land wiederzuerobern. Schlussfrage von uns: Ob Xian Fan jemals Angst hat, sein Robotermönch werde ihn und seine Kollegen ablösen in der Zukunft? "Meinen Sie? Also noch bin ich hier", antwortet Xian Fan.
Autorin: Annette Dittert/ARD Studio Peking
Stand: 12.07.2019 11:33 Uhr
Kommentare