Mo., 22.10.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Saudi Arabien/USA: Der Fall Khashoggi – Welche Rolle spielt der saudische Kronprinz?
Mehr als zwei Wochen hat es gedauert, bis die saudische Regierung einräumte, dass der Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ums Leben gekommen ist. "Weil ein Streit eskalierte", wie es heißt. Von der Leiche fehlt weiterhin jede Spur.
Faustkampf im Konsulat
Ein Wald vor den Toren Istanbuls heute Morgen: Hier irgendwo könnte der tote Regimekritiker Kashogghi vergraben sein. Agenturen berichten: Die türkische Polizei soll hier gesucht haben – Ergebnis offen. Schon am Donnerstag durchsuchten türkische Behörden das saudische Konsulat. 17 Tage hatte Saudi Arabien jede Beteiligung geleugnet, Sonnabendnacht dann das Eingeständnis live im Fernsehen: "Die Diskussionen die zwischen Kashoggi und den Leuten die ihn im saudischen Konsulat trafen führte zu einem Faustkampf und dann zum Tod des Bürgers Kashoggi. Möge er in Frieden Ruhen."
Und dies sind die Männer, gegen die der 60-Jährige so tödlich gekämpft haben soll. Mit Diplomaten und ein hoher Gerichtsmediziner checken sie im Hotel ein. In Privatjets gemeinsam angereist - nach dem Vorfall geht es direkt zurück. Es soll Tonaufnahmen des Kampfes auf einer Smartwatch geben, behaupten Ermittler. Die Türkei hat sie bis heute nicht veröffentlicht. Was hat sich im Konsulat abgespielt? Wer sind mögliche Mitwisser oder Auftraggeber? Der Vorfall ist längst ein internationaler Polit-Krimi mit verstörenden Details und blutrünstigen Gerüchten. Fest steht: Kashoggi hat das Konsulat nicht mehr lebend verlassen – weltweit wächst die Empörung.
Saudischer Kronprinz: Nach außen meist offen, immer wieder unberechenbar
Auch Donald Trump, der anfangs die saudische Version von einem "tödlichen Kampf" für glaubwürdig hielt, geht inzwischen auf Distanz – zumindest heute: "Ich bin nicht zufrieden, bis wir Antworten auf alle Fragen haben, aber es ist ein guter erster Schritt. Ein guter erster Schritt aber wir wollen alle Antworten." Das Rätsel um den Toten im Konsulat: War es Unfall oder Auftragsmord? Und welche Rolle spielte das saudische Königshaus beim Tod des bekannten Regimekritikers. In Riad führt seit gut einem Jahr Kronzprinz Bin Salman die Geschicke des Landes. Nach außen meist offen, aber immer wieder unberechenbar: Zunächst wird er als Modernisierer gepriesen, gerade die Jugend will der junge Prinz mit liberalen Ideen gewinnen. Erlaubt Kinos und Konzerte: Mehr Spaß und mehr freie Marktwirtschaft" – so seine Vision. Sogar Frauen dürfen im erzkonservativen Öl-Staat plötzlich Auto fahren. Doch die Liberalisierung hat auch Grenzen. Auf Kritik reagiert der Kronprinz knallhart, wirft immer wieder Blogger und Menschenrechtler ins Gefängnis.
Königshaus unter Druck
Im Jemen zettelt Saudi Arabien einen Krieg an, um saudische Interessen durch zu setzten. Als Deutschland Menschrechte anmahnt zieht er 2017 den Botschafter aus Berlin ab. Aktuell lässt er aus Wut über Kanadas Regierung dort Tausende saudische Studenten ausfliegen. Der Kronprinz folgt meist seinen eigenen Regeln. Auch die USA sind inzwischen nervös. Die Wirtschaftspolitik stütze sich zu sehr auf das persönliche Verhältnis zwischen dem Trump-Clan und dem Kronprinzen, sagen Experten: "Unsere Interessen in Saudi-Arabien sollten allgemeiner aufgestellt sein, als sich ausschließlich von einer individuellen Freundschaft abhängig zu machen! Es gibt so viele negative Geschichten über den Kronzprinzen aus den letzten Jahren, dass viele Leute sagen: 'Wenn jetzt die schlimmsten Anschuldigungen stimmen, ist das nichts Neues in seinem Benehmen'", sagt Jon Alterman, Nahostexperte vom Center for Strategic Studies Washington.
Was auch immer über den tödlichen Vorfall in der saudischen Botschaft noch ans Licht kommt: Das saudische Königshaus ist weltweit unter Druck.
Autor: Andreas Hilmer
Stand: 29.08.2019 02:02 Uhr
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