So., 19.01.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Deutschland/Tschechien: So unterschiedlich läuft es im Erzgebirge
Am Hang in Oberwiesenthal, an der Grenze zu Tschechien, geht es mit dem alten Schlepplift am Hang nur schleppend voran. Im Maschinenraum in Sachsens größtem Skigebiet hofft Rene Lötzsch, Geschäftsführer der Fichtelberg Schwebebahn, dass die Anlage sich nicht verabschiedet. Denn Ersatzteile gibt es für diese schon lange keine mehr: "Wir sind jede Stunde froh. Man kann noch so viel Wartung machen, aber irgendwann ist der Verschleiß erreichtcund das Material wird müde. Da kann man natürlich nicht reinschauen."
Im Büro des Liftbetreibers stapeln sich Planungsunterlagen. Der Traum: ein neuer Sessellift – etwa da wo der Schlepplift schon steht. Der Eingriff in die Natur ist mutmaßlich fast null. Trotzdem gibt es bislang keine Genehmigung, weil es seit sieben Jahren immer wieder neue Einsprüche gibt.
Tschechien: In beheizten Sitzen auf den Berg
Ganz anders sieht es einen Berg weiter auf tschechischer Seite aus. Neben dem Fichtelberg liegt auf tschechischer Seite der Keilberg. Wintersport sieht hier ein wenig anders aus. Der Lift ist ganz neu, in beheizten Sitzen geht es bergauf. "Diesen Lift haben wir im vergangenen Sommer gebaut. Wir mussten die Genehmigungen einholen, der Bau selbst ging dann sehr schnell voran, das haben wir in ein paar Monaten geschafft, auch mithilfe von einem Hubschrauber", erklärt Hana Hoffmannová vom Skiaréal Klínovec (Keilberg).
Rasant schnell: Einige Monate dauerte das Genehmigungsverfahren, nicht Jahre so wie in Deutschland. Und das hat sich herumgesprochen. Vier Sessellifte gibt es hier, neue Hänge wurden für den Wintersport erschlossen.
Die Bäume am Klinovec haben sogar den sauren Regen der 1970er- und 1980-Jahre überlebt. Der Wintersport – ohne Winter – könnte ihnen jetzt aber gefährlich werden: "Das Erzgebirge ist eine sehr wertvolle Naturregion – und in der Tschechischen Republik haben wir das sicher noch nicht ausreichend verstanden. In den letzten 20 Jahren wurden hier zwei große Naturschutzgebiete eingerichtet, aber das Erzgebirge ist sicher wertvoller als beide zusammen. Hier hat es einfach am Willen gefehlt, das Gebiet unter Schutz zu stellen", sagt der Umweltsachverständige Vladimír Melichar.
Wirtschaft wichtiger als Umweltschutz
Umweltschützer die Proteste organisieren, ähnlich wie in Deutschland, gibt es in Tschechien nicht. "Hier ist einfach das Interesse der Gesellschaft an wirtschaftlicher Entwicklung größer als das Interesse an der Bewahrung der Natur", so Melichar.
So rüstet man sich hier auch für die Sommersaison. Die Region lebt vom Tourismus das ganze Jahr über. Umweltrichtlinien gibt es hier auch, aber verhindern nur selten Bauvorhaben. Es gelten zwar ähnliche Gesetze, doch es gibt oft nicht so viele Einsprüche. Und die Umweltbehörden sind laut Melichar oft zahnlos: "Die Gesetzgebung ist in Tschechien an sich gut – die Pflanzen, die hier zerstört wurden, waren ja gesetzlich geschützt. Das Problem liegt in dem Genehmigungsverfahren. Die staatliche Umweltaufsicht ist oft ein Teil der Kommunalverwaltung. Das heißt, in dem gleichen Amt sitzt jemand, der die Aufsicht ausüben soll, während sein Chef ein Interesse daran, dass die Bauprojekte durchgehen."
Problem: Planungs- oder Genehmigungsverfahren
In Deutschland ist man neidisch: Mirko Ernst, Bürgermister in Oberwiesenthal, kann Liftbetreiber Lötzsch nur vertrösten. Hat er doch selber keine Antwort parat, wie in einem Europa so unterschiedliche Entwicklungen möglich sind. "Es ist langsam nicht mehr zu vermitteln, warum gerade wenige Kilometer von uns auf der tschechischen Seite mit großen Bauvorhaben agiert wird und warum auf der deutschen Seite bei geringsten Eingriffen in die Natur, nichts geht. Das Problem ist oftmals nicht mehr das zur Verfügung stehende Geld, sondern tatsächlich die Planungs- oder Genehmigungsverfahren."
Nach ein wenig Stillstand sehnt sich Vladimir Melichar in Tschechien. In einem Wald soll eine riesige Aussichtsplattform mit Rutsche entstehen. Er hofft wenigstens die verhindern zu können. Denn viele Touristen kämen ins Erzgebirge ja vor allem wegen der Natur – auf deutscher wie auch auf tschechischer Seite.
Autor: Danko Handrick, ARD Studio Prag
Stand: 18.01.2020 16:07 Uhr
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