So., 30.08.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Finnland: Wie ein kleiner Ort erfolgreich fürs Klima kämpft
Ein paar Straßen, zwei Supermärkte, knapp 10.00 Menschen – das ist der Ort Ii im Norden Finnlands. Und er ist vielleicht der grünste Ort Europas. Das Städtchen hat es geschafft, seine CO2-Emissionen um 80 Prozent zu verringern. "Uns in Ii ist klar geworden, dass der Klimawandel nicht erst kommt, sondern dass er schon da ist. Und wir haben verstanden, dass nicht nur die großen Akteure in der Welt handeln müssen, wir müssen selber etwas tun", sagt Leena Vuotovesi von der Klimaschutz-Agentur Greener for Growth.
Anreize schaffen für den Klimaschutz
Ein Schlüssel zum Erfolg: Anreize schaffen. Denn alle sollen mitmachen. Schon in Kindergärten und Schulen werden junge Menschen früh fuür den Klimaschutz sensibilisiert – mit den kleinen Dingen im Leben: Strom sparen, Wasser sparen, konsequent recyceln. "Alles fing mit dem 50:50-Projekt an. Wir haben es in drei Schulen ausprobiert. Dort messen die Kinder den Strom- und Wasserverbrauch und bekommen die Hälfte der Einsparungen zurück. Sie können dann selbst entscheiden, wofür sie das gesparte Geld ausgeben. Das Modell war so erfolgreich, dass wir es auf alle Schulen und Kindergärten in Ii ausgeweitet haben", erklärt Leena Vuotovesi.
In Ii hat sich der Stromverbrauch in den vergangenen zehn Jahren um die Hälfte reduziert. Die Kinder haben sich vom Eingesparten schöne Dinge gekauft: Pflanzen, Spielzeug, sogar einen Billiardtisch.
Auch das Erleben der Natur wollen sie den Kindern frühzeitig ermöglichen: "Wenn sie in die Natur gehen, lernen sie sie auch schätzen. Dann wollen sie ihr nicht schaden oder ihr etwas antun, sie wollen sie nicht zerstören. Wir glauben, wenn wir uns gemeinsam um die Natur kümmern, kümmert sich die Natur auch um uns“", sagt Kirsti Kehus, Leiterin eines Kindergarten.
Ii ist umgeben von sagenhafter Natur. Hier finden sich mit die größten Torfmoore Europas. Jahrhundertelang wurde Torf verbrannt, um Energie zu gewinnen. Dabei speichern die Moore massenhaft klimaschädliches CO2. Sie zu schützen, verringert die Treibhausgase in der Luft. Der Unternehmer Yuha Hulkko aus Ii hat große Flächen Torfmoor gekauft und renaturiert. "Der Wandel ist nur möglich, wenn einzelne Menschen oder Familien das tun, was sie tun können. Etwas Kleines oder etwas Größeres. Von dort kommt der Wandel", sagt Hulkko.
Ii setzt auf Wind und Wasser
In Ii stehen mit die höchsten Windräder Skandinaviens. Die Stadt setzt auf Wind und Wasser. Was die Luft verschmutzt – zum Beispiel Ölheizungen – wurden verbannt. Der kleine Ort produziert inzwischen zehn Mal mehr grüne Energie als er braucht. Mit dem Verkauf nimmt Ii jährlich fast vier Millionen Euro ein. "Es gibt bei uns aber auch viele Diskussionen über die Windkraft, zum Beispiel über den Lärm, die Verschandelung der Landschaft und wie die Windparks vielleicht das Miteinander der Menschen stören", sagt Stadtrat Teijo Liedes. Und Leena Vuotovesi ergänzt: "Wir können also nicht einfach sagen: 'Weil es hier viel Wind gibt, stellen wir die Gemeinde voll mit Windrädern.' Es ist wichtig, gemeinsam mit den Menschen Lösungen zu finden, wo genau wir die Windräder bauen können."
Klimaschutz – das große Puzzle
Der Mut für Neues hat das Miteinander in Ii gestärkt. Auch, weil die Stadt die Sorgen der Menschen ernst nimmt. 60 neue Windräder sind geplant, ausgerechnet rund um einen echten Urwald. Seit 100 Jahren wurde hier kein Baum mehr gefällt. "Man wird die Windräder wohl nicht übersehen können. Sie werden ja 300 Meter hoch und nur ein paar 100 Meter von hier aufgestellt", sagt Waldbesitzer Juha Väätäjä. "Wir haben ja alle ein gemeinsames Ziel, die Natur in Ii zu schützen. Wir brauchen die Windkraft, aber wir müssen auch die Gegend drumherum schützen. Das ist wie ein Puzzle. Wir müssen am Ende alle Teile zusammenkriegen, den besten Kompromiss finden", sagt Leena Vuotovesi.
Klimaschutz – das große Puzzle. Was kann ein kleines Dorf schon ausrichten – bei einem so globalen Problem? Eine ganze Menge, finden sie in Ii. Vorbild sein zum Beispiel. Was hier in der finnischen Provinz geht, geht vielleicht so ähnlich auf der ganzen Welt.
Autor: Philipp Abresch, ARD Stockholm
Stand: 30.08.2020 20:23 Uhr
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