Mo., 07.12.15 | 05:00 Uhr
Das Erste
Indonesien: Die Pferdebücherei
Hier im grünen Gras beginnt die rührende Geschichte von Ridwan und Luna. Die beiden wollen Kinder zum Lesen bringen, die niemals zuvor ein Buch in die Hand genommen haben. Aber zuerst muss Luna was Ordentliches zu Futtern bekommen. "Ich schneide Gras für mein Pferd Luna", erzählt Ridwan Sururi. "Ich liebe Pferde und da hatte ich diese Idee mit der Pferdebücherei. Eine Idee, die den Menschen Freude machen soll."
Streng genommen ist Luna gar nicht Ridwans Pferd. Es gehört einem Geschäftsmann aus Jakarta. In dessen Auftrag kümmert sich Ridwan um das Tier. Für seine Pferdebücherei hat Ridwan sich Luna einfach ausgeliehen. "Kinder lieben doch Pferde. Also kommen sie und wollen Luna streicheln. Und dann sehen sie die Bücher", erzählt Ridwan. "Dann blättern sie drin und fangen an, sich zu interessieren. Luna bringt die Kinder zum Lesen."
Was für eine schöne Idee: Kudapustaka, die Pferdebücherei. Dreimal in der Woche, in seiner freien Zeit, sattelt Ridwan das Pferd. Mit Taschenbüchern und Hardcovern. Mit Comics, Krimis, Märchen. Allesamt Spenden.
Kudapustaka, die Pferdebücherei
Zentral-Java – subtropisch, und doch kühl und feucht. Fast ein bisschen wie in den Alpen. Die Menschen hier in den Bergen leben vom Ackerbau, vor allem vom Tabak. Ein einfaches Leben. Und anstrengend. Ridwan und Luna bringen die Welt in die abgelegenen Dörfer. Die beiden werden schon erwartet. Die Menschen hier lieben die Bücher. Zum Lesen oder zum Drin blättern.
Ein eigenes Buch zu kaufen, das können sich die wenigsten leisten. "Die Bücher sind toll. Die erzählen uns was", sagen die Kinder begeistert. "Das hilft uns allen. Wir fangen an zu lesen." Anfangs haben die Leute Ridwans Idee gar nicht verstanden. Sie dachten, er wolle die Bücher verkaufen. Jetzt wissen alle, Ridwan verleiht Bücher. Weil er Spaß dran hat. An den Kindern, an Luna und an Literatur.
Ridwan führt genauestens Buch über die Bücher. Nur manchmal muss Ridwan Sururi schimpfen. "Jaaa, kommt vor, dann haben die Kinder das Buch ausgeliehen und es dauert ewig, bis ich es zurückbekomme. Weil sie es so mögen. Ich frage dann einmal, zwei Mal und beim dritten Mal nicht, dann muss ich halt aufgeben."
Analphabetenquote hat sich halbiert
Die Quote der Analphabeten hat sich mehr als halbiert. Indonesien hat in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen: ein riesiger Erfolg. Aber noch immer können knapp sieben Millionen Menschen nicht lesen und schreiben. Mit der Pferdebücherei leistet Ridwan seinen kleinen Beitrag. Und er will bei den Jüngsten anfangen, den Kindern. "Ich finde es toll, dass wir die Pferdebücherei haben", sagt die Lehrerin. "Das Lesen schärft den Verstand der Kinder, es vermittelt ihnen einen neuen Geist, es erweitert den Horizont."
Ridwan Sururis ehrenamtlicher Einsatz ist bewundernswert – aber auch die Geduld von Luna, dem Bücherpferd. Das Tier war früher wild wie ein Mustang. Ridwan hat es gezähmt. Seitdem hat Luna niemanden gebissen oder getreten. Und immer alles treu ausgehalten. Selbst wenn die Kinder rumalbern.
"Ich suche dieses Buch, das heißt: Am Anfang des Regenbogens", fragt ein Kind, "mir gefällt die Geschichte." "Ich könnte ohne Bücher nicht mehr leben", sagt Ridwan und fügt hinzu: "Die Bücher helfen mir, dass ich andere Menschen und andere Orte kennenlerne, dass ich aus meiner kleinen Welt rauskomme. Ich hoffe, dass auch die Kinder möglichst viel von den Büchern haben."
Alle Bücher sind jetzt verteilt. Ridwan und Luna machen sich bald auf den Weg nach Haus. Ridwan träumt von einem eigenen Pferd. Mit dem er über die Dörfer ziehen kann. Ein schöner Traum!
Autor: Philipp Abresch
Stand: 10.07.2019 06:29 Uhr
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