SENDETERMIN So., 06.10.24 | 18:30 Uhr | Das Erste

Israel: Engagement für Frieden statt Hass

Israel: Engagement für Frieden statt Hass | Bild: IMAGO / SOPA Images

Die Eltern von Maoz Inon wurden von der Hamas getötet. Doch er will keine Rache, sondern mehr Dialog. Maoz Inon engagiert sich für ein besseres Zusammenleben innerhalb der israelischen Gesellschaft und mit den Palästinensern.

Führungen für Juden durchs arabische Nazareth

"Hier war die Dusche, hier das Kinderzimmer – und das war mein Zimmer." Von Maoz Inons Elternhaus ist fast nichts mehr übrig. Es stand im Kibbuz Netiv HaAsara, direkt an der Grenzmauer zu Gaza. Bis früh morgens am 7. Oktober vor einem Jahr ein Geschoss der Hamas einschlug. Nur der verkohlte Bunker steht noch, das ganz Haus stand in Flammen. "Ich kann hier gar nichts mehr fühlen. Ja, da ist Trauer, aber es ist kompliziert, ich kann es nicht in Worte fassen."

Maoz Inon zeigt Fotos seines zerstörten Elternhauses
Hier starben die Eltern von Maoz Inon | Bild: SWR

Die ganze Familie hat sich hier versammelt – in Gedenken an Maoz Eltern Bilha und Yakovi. Ein schwerer Tag. Maoz will, dass ihr Tod nicht umsonst war und setzt sich trotz allem für Frieden und Verständigung ein – während die meisten im Land den Glauben daran verloren haben. "Israel ist so schwach wie noch nie, die israelische Gesellschaft so polarisiert wie noch nie und wenn wir den Krieg weiterführen, wird es schlimmer und schlimmer."

Maoz hat selbst die Initiative ergriffen. Er will mehr Dialog, deshalb Aktionen wie diese – hier bringt er jüdische Israelis nach Nazareth, eine arabische Stadt im Norden Israels. Wir begleiten ihn dabei. Wie werden die Menschen reagieren? "Frieden ist möglich, wir werden dran arbeiten, vier Stunden haben wir jetzt Zeit." Die Tour führt Maoz zusammen mit Kholoud Abu Ahmad, sie kennen sich schon lange. Kholoud ist Muslima, aufgewachsen in Nazareth. Etwa 20 Prozent der israelischen Bevölkerung sind arabisch, viele identifizieren sich – so wie Kholoud – als palästinensisch. Seit den Hamas-Angriffen vor einem Jahr schlage ihnen innerhalb Israels noch mehr Misstrauen entgegen, sagt Kholoud.

Kholoud Abu Ahmad mit Gruppe von Israelis bei Stadtführung
Kholoud Abu Ahmad führt durch Nazareth | Bild: SWR

"Als ich am 7. Oktober das Fernsehen angemacht habe, war das Erste, was der Militäranalyst gesagt hat: Hütet euch vor den Arabern in Israel. Es war 8 Uhr morgens, bisher noch so viel unklar, was grade passiert. Und schon sagt er vor dem gesamten israelischen Publikum: nehmt euch in Acht vor den Arabern in Israel, es gibt eine Front innerhalb des Landes." Sie fühlt sich unter Generalverdacht gestellt, dabei war auch sie schockiert von den brutalen Angriffen – und vom Mord an Maoz Eltern.

Kampf gegen den Hass auf beiden Seiten

Eine Stunde später – sie sind in einem Cafe angekommen. Die Israelis, die hier mitmachen, setzen sich wie Maoz für ein besseres Zusammenleben – innerhalb der israelischen Gesellschaft ein und für Frieden mit den Palästinensern in Gaza und dem Westjordanland. Sie spüren aber auch, dass das seit dem 7. Oktober noch schwerer geworden ist, dass sie ziemlich allein dastehen. "Sogar unter meinen linken, progressiven Freunden fühle ich mich sehr einsam, weil auch sie total gebrainwasht sind und denken, dass alle Palästinenser uns hassen und wir sie deshalb auch hassen müssen", sagt Lea Hadar. Und Gal Herzig meint: "Ich bin hierhingekommen, um etwas über Frieden zu hören. Das ist ein Wort, das nicht mehr in unserem Sprachgebrauch existiert. Wir hören nichts von Frieden, wir sprechen nicht über Frieden. Ich glaube, dass meine Generation gar nicht mehr von Frieden träumt." Nach vier Stunden ist die Tour zu Ende, vielen hat es gutgetan, mit Gleichgesinnten zu sprechen – denn oft wird ihnen vorgeworfen, sie seien naiv.

Mauer mit aufgemalter israelischer Fahne
Maoz Inon will Mauern überwinden  | Bild: SWR

Zurück ins Kibbuz, bei Maoz Familie. Überall Erinnerungsstücke, der Schmerz sitzt tief. Auch Maoz Nichten hadern mit seiner Vision. "Es ist schwer vorstellbar, in Frieden zusammenzuleben, weil der Hass auf beiden Seiten so groß ist", meint Shira Or-Cohen. "Natürlich wäre Frieden großartig, aber ich glaube nicht, dass das realistisch ist." Die Realität: Krieg und Mauer – unweit vom Kibbuz. "Hier steht auf Hebräisch: Der Weg zum Frieden. Aber das ist der Weg zu Zerstörung und Krieg", sagt Maoz Inon. "Das ist eine Lüge, der Weg zum Frieden geht nicht über Mauern, sondern über Brücken und Dialog." Maoz sagt, auch wenn er ganz alleine wäre mit dieser Einstellung, er würde weitermachen. Das hätten ihm seine Eltern beigebracht.

Autorin: Sophie von der Tann

Der Weltspiegel Podcast beschäftigt sich mit dem Thema "Eskalation in Nahost – ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel" Moderation: Philipp Abresch, Redaktion: Steffi Fetz.

Stand: 07.10.2024 12:21 Uhr

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 06.10.24 | 18:30 Uhr
Das Erste

Produktion

Südwestrundfunk
für
DasErste