Mo., 10.12.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Kongo: Vor den Präsidentschaftswahlen – junge Aktivisten kämpfen für mehr Demokratie
Gegen die politische Klasse, gegen den amtierenden Präsidenten: Bob Elvis rappt für eine andere Politik im Kongo. Er stammt aus dem Osten des Landes, in dem immer noch bewaffnete Rebellen aktiv sind. Als Kind musste er von dort fliehen, weil Krieg war. "Wenn ich den Rap nicht hätte, wäre ich vielleicht als Kindersoldat geendet. Vielleicht wäre ich tot oder hätte mich umgebracht", sagt Bob Elvis.
Vor einigen Jahren begann Bob Elvis zu rappen – politische Texte. Das ist mittlerweile gefährlich für ihn. Im August wurde er für einige Tage entführt. Dann wurde er mithilfe der UN befreit. Wer es war ist noch unklar. Deshalb darf er nicht darüber reden. Doch er vermutet einen Zusammenhang zu seiner Kritik am System und den politischen Eliten. "Ein großer Teil der Kinder unserer Eliten lebt in Europa. Ihre Frauen leben dort. Aber wir sind hier. Wenn Du hier krank bist und zum Krankenhaus gehst und Du hast kein Geld, behandeln sie Dich nicht." Ein schlecht regierter Staat, Korruption – all dem könnten die Bürger nicht entkommen.
"Lucha" – Kampf für Veränderung
Bob Elvis gehört zu jungen Aktivsten, die für eine Veränderung im Kongo kämpfen. "Lucha" ("Kampf für Veränderung") heißt die Gruppe. Viele Studenten und Akademiker engagieren sich hier. Sie entfernen zum Beispiel auch Unkraut. Eigentlich müsste die Stadtverwaltung dafür sorgen, dass das Abwasser-System funktioniert. "Wir zeigen dem Staat konkret: Wir sind da. Ihr macht eure Arbeit nicht. Und wir wollen, dass die Leute es auch sehen. Seht her, die Autoritäten müssen die Stadt säubern, aber sie machen es nicht", erklärt Eunice Etaka von der Aktivistengruppe.
Während die eine Gruppe harkt, beginnt Eunice Etaka, Zettel zu verteilen. Wer ist "Lucha"? Und hat jemand Lust sich anzuschließen? Die jungen Politaktivisten demonstrieren auch gegen die Regierung und gegen die Wahlmaschinen. Sie fürchten, die Maschinen könnten bei der Wahl im Dezember manipuliert werden. Präsident Joseph Kabila hat diese Wahl zwei Jahre verzögert. Gegen ihn haben sie deshalb immer wieder demonstriert. Dass er im Sommer verkündete, nicht noch einmal anzutreten, sehen die jungen Aktivisten auch als Erfolg ihres Protests an.
Über Politik wird auf der Straße schnell gestritten. Der Zustand des Landes macht hier viele wütend. "Es macht mich rasend, wirklich. Überall im Land ist die Situation gleich. Aber wir sagen, lassen wir die Wut nicht raus. Es ist wichtiger, darauf zu drängen, dass die Autoritäten ihre Arbeit besser machen", so Eunice Etaka. In der Demokratischen Republik Kongo ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 25 Jahre. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Selbst wer studiert hat, findet nur schlecht einen richtigen Job. Aber all das einfach nur ertragen, wollen Eunice Etaka und ihre Freunde von "Lucha" nicht!
Schmerzen der Freiheit
Eunice lebt bei ihrer Schwester und deren Familie. Ihr Vater war Polizist. Doch dann weigerte er sich, einen Befehl auszuführen, erzählt Eunice. Er sollte gegen Demonstranten vorgehen. Er wurde entlassen. Ein schwerer Schock für die ganze Familie. Und dann hatte er einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Das änderte Eunice Etakas Leben. Sie studierte Jura und wurde politisch aktiv. Eine gefährliche Entscheidung – schon mehrfach wurde sie festgenommen – und auch geschlagen. "Einmal hat eine Polizistin mir richtig mit ihrem Knüppel auf den Rücken geschlagen. Das hat mich so aufgeregt. Ich hab sie gefragt: 'Warum machst Du das? Das tut zu weh mit deinem Knüppel. Das tut so weh.' Aber sie hat darauf bestanden zwei, drei, vier Mal zuzuschlagen. Es ging mir sehr schlecht, aber ich habe mir gesagt, dass sind die Schmerzen der Freiheit. Ich muss das aushalten." Laut Human Rights Watch haben Sicherheitskräfte im Kongo bei solchen größtenteils friedlichen politischen Demonstrationen in den vergangenen drei Jahren fast 300 Menschen getötet. Freunde von Eunice sind bei Demonstrationen festgenommen worden und sitzen im Gefängnis. "Ich habe jedes Mal Angst, und sage Ihr, dass sie nicht demonstrieren gehen soll. Aber sie geht immer", sagt die Schwester von Eunice Etaka.
Hoffen auf eine hohe Wahlbeteiligung
Eine katholische Schule in einem Stadtteil der Hauptstadt Kinshasa: Wer an "Lucha" interessiert ist, bekommt zuerst Unterricht. Denn "Lucha" hat Prinzipien, ist unabhängig, unterstützt keine der Parteien und übt nie Gewalt aus. Das ist ihnen wichtig – und das müssen die "Neuen" lernen. Die Aktivisten gehen sogar noch weiter. Immer mehr Kongolesen sollen aufstehen und widersprechen – eine Bürgerbewegung. "Ein neuer Kongo ist endlich vereint. Alle Menschen profitieren auf gleiche Weise vom Reichtum des Landes. Und die Menschenrechte werden geachtet", davon träumt Eunice Etaka.
Bob Elvis will mit Freunden weiter politische Texte rappen. Und hofft, dass möglichst viele Kongolesen Ende Dezember bei den Präsidentschaftswahlen ihre Stimme abgeben. "Das Ziel ist, zur Wahl zu gehen, um jemanden auszusuchen. Und wir Bürger müssen ihn dann kontrollieren. Ich weiß es nicht, ob es klappt, aber ich glaube daran, weil wir für Veränderung kämpfen." Auch wenn er weiß: Es ist noch ein weiter Weg für den Kongo.
Autorin: Caroline Hoffmann, ARD-Studio Nairobi
Stand: 11.09.2019 16:25 Uhr
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