So., 19.04.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Kuba: Ärzte zum Verschicken
Täglich macht ein Ärzte-Team die Runde in Havanna. Sie ziehen von Tür zu Tür. Sie messen Fieber und checken die Bewohner. Das ist Kubas Antwort auf das Virus. Test-Kits haben sie nicht aber viele Ärzte. Denn seit Jahren bildet Kuba Mediziner aus, um sie in die Welt zu schicken, Lohnärzte sind eine Devisenquelle für das marode Land. Jetzt tritt das Land als Helfer auf, zum Beispiel auch in Italien.
Ärzte-Einsatz in zwanzig Ländern
Es liegt erwartungsvolle Spannung in der Luft. Ana Perez steht bereit für die Abschiedszeremonie, gleich geht es los nach Angola im Kampf gegen das Coronavirus: "Klar, alles Unbekannte macht etwas Angst, aber in schweren Zeiten muss man einen Schritt nach vorne treten und zeigen, dass wir würdige Repräsentanten unseres solidarischen Landes sind." Ana und ihr Mann sind Teil der Henry-Reeve-Brigaden. Gegründet von Fidel Castro für Katastropheneinsätze weltweit. Ebola, Cholera, Tsunamis, Hurricanes. Wenn Staaten um Hilfe bitten, entsendet Kuba seine "Armee der weißen Kittel".
"Es ist die Geschichte unserer Ärzte, zu helfen", sagt der Arzt Roger Jimenez. "Heute sind wir im Krieg gegen einen biologischen Feind und der heißt Covid-19:" Der Abschied ist medienwirksam inszeniert. Die Ärzte sind ein nationaler Stolz – vor allem aber der finanzstärkste Export. Denn jedes Land zahlt, je nachdem was es kann, für den Einsatz der kubanischen Profis. "Hasta la Victoria Siempre!!!" Und jetzt, in der Corona Krise, sind Kubas Ärzte-Brigaden bereits in zwanzig Ländern im Einsatz. Das bringt harte Dollar, die Kuba dringend braucht. Und es bringt internationale Aufmerksamkeit: Das arme Land hilft, obwohl es unter Sanktionen der USA leidet und selbst gegen die Pandemie kämpft.
Aber wenn Kuba eines hat, dann sind es viele Ärzte. Und die schwärmen jetzt, so wie Liz Caballero, jeden Tag in ihren Vierteln aus: "Wir wollen jeden Kubaner in kürzester Zeit erreichen, um Patienten mit Symptomen zu finden." So sieht Kubas Kampf gegen die Pandemie aus: Hausbesuche, damit eine Infektionskette gar nicht erst entsteht: Liz: Hat jemand von ihnen Fieber, Husten? "Niemand" antwortet eine Anwohnerin. "Wir halten uns penibel an alle Maßnahmen und manchmal übertreiben wir sogar noch." "Ich habe hier einen 77-jährigen", sagt ein Mann, "der fing die Tage an zu niesen. Aber Fieber hat hier niemand."
Mission im Epizentrum der Corona-Pandemie
Dass Kuba so viele Ärzte hat sei eine Errungenschaft der Revolution: das kostenlose Studium, die Investition in Gesundheit für alle. Etwa 350 Familien sucht die Ärztin mit Ihren Studentinnen auf, wer Symptome zeigt, wird isoliert. "Ob das sonstwo in der Welt so läuft, ich glaube nicht, aber hier in Cuba ist das etwas ganz Gewöhnliches", meint Liz Caballero. "In anderen Ländern gehen die Menschen zu spät zum Arzt, weil sie kein Geld haben oder keine Versicherung."
Auch in Kuba sind die Geschäfte geschlossen. Die Menschen sollen zu Hause bleiben. "Hör mal Mädchen, ich habe eine Frage, wir putzen mit so viel Chlor, aber ich bin allergisch gegen Chlor", sagt eine Anwohnerin. "Wasser und Seife sind das wichtigste", antwortet Liz. Jeden Abend stellen sich die Menschen auch hier auf die Straße, um ihren Ärzten zu danken. Denen in Kuba und denen, die sich dem Kampf im Ausland stellen.
Die Abreise einer Ärzte-Brigade nach Italien war historisch für Kuba. Das kapitalistische Europa, eine der finanzstärksten Regionen der Welt, bittet um die Hilfe des kleinen sozialistischen Staates. Top-News in den Nachrichten. "Teilt euer Wissen, ihr müsst zusammen, wie einer sein", sagt Gesundheitsminister José Angel Portal Miranda. Eine durchaus riskante Mission – ist Norditalien doch ein Epizentrum der Pandemie. Ihre Leistung sei großartig, meinen Menschenrechtler. Doch Kubas Geschäft mit ihnen sei Ausbeutung. Denn zwar bekommen Ärzte, wie auch Ana und Roger, im Auslands-Einsatz ein höheres Gehalt, aber der Staat behält den Löwenanteil. Nimmt so Millionen ein. Wieviel genau bleibt dessen Geheimnis. Es wird politisch, Ana betont darum lieber ihre ärztliche Motivation. "Es ist schön, anderen zu helfen auch wenn du sie nicht kennst, und vor allem ohne Gegenleistung zu verlangen." Außerdem komme alles was der Staat verdiene dem Allgemeinwohl zu Gute. Dann beginnt die Mission. Weit weg von ihren Familien, unterwegs für die Menschen in Angola. Wann sie zurückkommen ist ungewiss.
Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Mexiko.
Stand: 20.04.2020 08:10 Uhr
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