So., 03.05.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Lesotho: Der Kampf um den legalen Cannabis-Anbau
Der Zwergstaat Lesotho im südlichen Afrika hat den Anbau von Cannabis legalisiert, für die klamme Staatskasse sollen die Lizenzen einen warmen Geldsegen bringen. Und viele kleine lokale Farmer hatten gehofft, dass sie ebenfalls von der Legalisierung profitieren können, aber sie bleiben außen vor.
Medizinische Cannabis: Geschäft der Großfarmer
Die Cannabis-Saat gedeiht gut in den Bergen Lesothos – schon sein Urgroßvater hat hier Hanf angebaut. Clement sollen wir ihn nennen, sagt dieser Kleinbauer, seinen wirklichen Namen will er nicht preisgeben, denn er sät herkömmliches berauschendes Marihuana und das ist weiterhin illegal in Lesotho. "Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass sie Cannabis nun zu einem legalen Geschäft machen wollen, dachte ich: Großartig – dann werden wir alle in Lesotho davon profitieren. Aber nein, es scheint nur zum Wohle der Regierung und ihrer Freunde zu sein, nicht zum Wohle aller in Lesotho."
Clement ist enttäuscht und fühlt sich ausgeschlossen. Auch er würde auf seinem kleinen Feld gerne das medizinische Cannabis anbauen. Doch dafür verlangt die Regierung eine Lizenzgebühr, umgerechnet 10.000 Euro. Für ihn unbezahlbar.
Das Geschäft machen im Moment industriell produzierende Großfarmer. In Gewächshäusern ziehen sie die Hanfpflanzen heran – nicht auf offenem Feld. Gummihandschuhe und Schutzanzug – so müsse man hier arbeiten, erklärt der Geschäftsführer einer Farm. Nur so könnten er und seine Mitarbeiter ein medizinisch reines Produkt garantieren. Die umstrittene Lizenzgebühr sei ein Klacks – verglichen mit dem was Bau und Betrieb der Farm kosten. "Bisher haben wir 24 Millionen US Dollar ausgegeben", sagt André Bothma, Geschäftsführer von MG Health. "Und wir werden noch mehr investieren müssen, wenn wir unsere Anbaufläche vergrößern. Wenn man dieses Geschäft richtig machen will, dann braucht man viel Kapital."
Industrielle Riesen auf der einen Seite, illegale Kleinbauern auf der anderen. Hanf bauen alle an. Doch was Bothmas Mitarbeiter heranzüchten sind ganz andere Pflanzen als die, die Lesothos Kleinbauern anbauen. Die Hanfsorte der Firma MG Health enthält nur sehr wenig der berauschenden Substanz THC.
In aufwendigen Labortests müssen Produzenten das nachweisen. Ein anderer Inhaltsstoff dagegen soll möglichst hochkonzentriert gewonnen werden – das sogenannte CBD. Das wirkt entzündungshemmend und entkrampfend und kann deshalb als Medikament eingesetzt werden.
Lesotho zuständiger Gesundheitsminister hat den Cannabis-Anbau erst vor kurzem erlaubt. Er räumt ein, dass die lokalen Kleinbauern nicht vom legalen Geschäft profitieren. "Den Unterschied zwischen THC und CBD verstehen doch viele, die sich jetzt beklagen, gar nicht. Denen muss man erst erklären: 'Raucht mal das Cannabis aus dem Hinterhof und fühlt wie Euer Kopf sich zu drehen beginnt'“, erklärt Nkaku Kabi. "Außerdem ist der medizinische Cannabis-Anbau kein Tante-Emma-Laden – den können sich die meisten hier sowieso nicht leisten."
Kleinbauer fühlt sich von Regierung alleingelassen
Kleinbauer Clement fühlt sich von der Regierung alleingelassen. An einem geheimen Ort verpackt er seine berauschende Ernte in kleine Portionen, zusammen mit zwei Mitarbeitern. Immer wieder hat die Polizei sie erwischt – mit etwas Schmiergeld sind sie die Beamten wieder los geworden.
Clement ist es leid, sich verstecken zu müssen und ist überzeugt, dass auch er medizinisches Cannabis anbauen könnte. Das Saatgut sei der Schlüssel: "Aber dieses Saatgut kommt aus Übersee und sie halten es gezielt von uns fern", behauptet er. "Das ist eine Form der Unterdrückung."
André Bothma versteht diesen Frust. Eine Chance für die Kleinbauern sieht er aber nicht. Als Beleg zeigt er uns wie er sein Produkt, das Cannabis-Ö, herstellt – mit einer hochmodernen Anlage, die allein habe vier Millionen Dollar gekostet. Außerdem profitiere Lesotho von Groß-Unternehmen wie seinem: Mehr als 30 Prozent seiner Firma seien im Besitz einheimischer Investoren – so wie es die Regierung vorschreibt. Und er schaffe hier Arbeitsplätze: 3.500 insgesamt werden es am Ende ein, sagt er.
Perspektive für Erntehelfer
Jobs für Menschen wie die Erntehelferin Mamatseliso Nchesa: "Ich war vorher immer zuhause und arbeitslos", erklärt sie. "Seit ich den Job hier habe, können meine Kinder zur Schule gehen, wir können uns Kleidung und Seife kaufen." In einem Dorf hoch oben in den Bergen lebt Nchesa das typische Leben einer Frau im ländlichen Lesotho. Arbeit gibt es hier sonst fast keine, doch seit Nchesa auf der Cannabis-Farm arbeitet hat sich einiges in ihrem Leben verändert. Mathematik und Englisch lernt sie jetzt – in einer Schule, die der Cannabis-Farmer Bothma für seine Mitarbeiter eingerichtet hat. So fällt es Nchesa nun auch leichter, zuhause die Schulaufgaben ihrer Kinder zu kontrollieren. Auch deren Schule wird von der Cannabis-Farm unterstützt.
Coronvirus-Lockdown: Arbeit läuft weiter
Als wir in Lesotho drehen, hat die Corona-Pandemie Afrika noch nicht erreicht. Mittlerweile hat die Regierung eine Ausgangssperre verhängt. Offiziell ist Lesotho das einzige Land Afrikas ohne Corona-Infektionen. Doch es ist nicht bekannt wieviel hier überhaupt getestet wird. Die Cannabis-Farm ist eines der wenigen Unternehmen, das nicht schließen musste. Die Arbeiter müssen nun Masken tragen. In einem Skype-Interview erklärt uns Bothma, dass die Menschen in Corona-Zeiten gesundheitsbewusster geworden seien und sich sein Cannabis-Öl nun noch besser verkauft. Und dass er der Regierung seine Hilfe im Kampf gegen das Virus angeboten hat: "Wir haben ihnen unser Labor für Corona-Tests angeboten. Aber sie wollten lieber ihr eigenes aufbauen. Es scheint sie wollen die Tests selbst unter Kontrolle haben." Ob das bedeutet, dass die Regierung erste Infektionen im Bergkönigreich Lesotho geheim hält, darüber kann man nur spekulieren.
Auch Kleinbauer Clement arbeitet während des Lockdowns weiter. Er liefert Säcke mit seiner Ernte an einen Drogendealer. Sein Traum ist: Eines Tages medizinisches Cannabis zu verkaufen – an Grossproduzenten, die es dann weiterverarbeiten. Dann aber bräuchte er finanzielle Hilfe von der Regierung– für Saatgut und ein Gewächshaus. Und damit kann er wohl nicht rechnen.
Autor: Thomas Denzel, ARD-Studio Johannesburg
Stand: 03.05.2020 20:44 Uhr
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