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Libanon: Müllsammeln per App

Libanon: Müllsammeln per App | Bild: BR

Basil legt mit seiner Tätigkeit den Finger in eine der übelsten Wunden der libanesischen Gesellschaft, denn Recycling ist ein geradezu ein unbekanntes Konzept. Küstenbewohner, zum Beispiel, werfen ihren Mist oft, gedankenlos und gerne in das Mittelmeer. Damit dieser Berg von Dreck schrumpft, holt Basil recyclebaren Müll direkt von Kunden zu Hause ab.

Er und drei weitere Biker düsen den ganzen Tag durch Beirut. Ihre Dienstleistung kostet noch nichts. Insofern könnten, sollten, müssten sie mehr Aufträge bekommen, mehr Biker die Stadt abgrasen. Doch das Start-up ist noch am Anfang, am Anfang einer Bewusstseinsänderung, die sich nur langsam und bei sehr wenigen im Libanon einstellt.

Recycling – Ausnahme von der Regel

Mit dem recyclebaren Müll im Sack fährt Basil zu einem elektrobetriebenen Transporter, mit dem dann das verwertbare zu einer Recycling-Fabrik gebracht wird. Das ist leider die ganz große Ausnahme. Die Regel ist, dass die Gemeinden ihren Müll einfach in die Natur kippen. Im Libanon existieren 960 wilde Kippen, wie diese hier.

Das Umweltministerium sucht seit Jahren in den Gemeinden nach Flächen für Mülldeponien – erfolglos. Tatsächlich hat die Regierung eine Mülldeponie ins Mittelmeer bauen lassen. Es ist eine riesige Wanne, abgedichtet mit Kunststoffmatten. Mit dieser technisch aufwendigen Lösung umgeht die Regierung das Problem, dass der Christ den Müll vom Muslim nicht möchte und umgekehrt. Der immer schwelende Konflikt zwischen den Religionen macht aus dem Abfall ein Politikum. Es gibt nur noch eine weitere Mülldeponie im Libanon, die aber im September schließt.

Recycling – einfach gemacht

Besser wäre es deshalb, wenn mehr Libanesen die Dienste von Basil anfordern würden, denn weniger als zehn Prozent des Mülls werden recycelt.
Das Startup "Live, Love, Recycle" will das ändern. Die jungen Libanesen haben die App entwickelt, mit der Kunden fingerleicht eine Abholung bestellen können. Das ist derzeit noch kostenfrei. Die Anschubfinanzierung kam von der deutschen Bundesregierung; das Ziel ist ein rentables Unternehmen.

Nun kommt die eigentliche spannende Phase für die Biker. Nur wenn Geld reinkommt können sie weiterarbeiten. Es geht um die Existenz: Zahlen sie oder zahlen sie nicht, die Kunden. Das ist die Frage.
Da die Bürger in Beirut schon etliche Müllkrisen erlebt haben, bei denen der Abfall gar nicht abgeholt wurde, stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Das ist eine gute Nachricht es könnte weitergehen.

Flüchtlingsschicksal in Beirut

Basil lebt mit 800 Dollar Monatseinkommen in einen armen Viertel von Beirut zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn. Die Wohnung teilen sie sich mit Basils Schwestern und seinen Eltern. Das Haus der Familie in der syrischen Stadt Hama wurde während des Krieges zerstört Basil ist überzeugt: "Wenn ich vielleicht irgendwann mal nach Syrien zurückkehren sollte, dann setze ich die Idee um. Denn ich liebe diese Arbeit."

Autor: Alexander Stenzel, ARD Kairo

Stand: 01.07.2019 00:40 Uhr

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