So., 19.01.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Libyen: Der grenzenlose Konflikt?
Chalifa Haftar ist der mächtige Mann Libyens. Ein schillernder General und einst Verbündeter von Langzeitherrscher Gaddafi. Dann fiel Haftar in Ungnade war schließlich an Gaddafis Sturz beteiligt. Haftar inszeniert sich als Kämpfer gegen Islamisten. Vom Osten her hat er den Feldzug seiner Truppe auf Tripolis befohlen. Nun steht er vor den Toren der Hauptstadt und greift nach der Kontrolle über das ganze Land. Seine Gegner fürchten: Er will eine Militärdiktatur errichten.
Der wichtigste Verbündete von General Haftar: Russlands Präsident Putin. Er soll ihm Söldner, Waffen, Munition geschickt haben – trotz UN-Embargos. Putin will Russlands Anspruch als Ordnungsmacht im Nahen Osten unterstreichen, sich milliardenschwere Aufträge sichern. Auch die Arabischen Emirate und Ägypten sind auf Haftars Seite.
Machtvakuum in Libyen
Faez Sarraj ist Chef der international anerkannten Regierung in Tripolis. Er hängt am Wohlwollen von Milizen und Clans. Die sind teils auch im Schleusergeschäft aktiv, haben Tausende Flüchtlinge auf Gummibooten nach Europa gelotst. Sein wichtigster Verbündeter ist der türkische Präsident Erdogan. Er soll schon Hunderte syrische Söldner nach Libyen geschickt haben, zudem Waffen und Kampfdrohnen. Auch mit der Entsendung regulärer Truppen droht er. Erdogan geht es um mehr Einfluss in der Region und den Zugriff auf Gasfelder im Mittelmeer.
EU uneins
Die EU ist gespalten: Italiens Ministerpräsident Conte setzt auf Sarraj. Dessen Küstenwache hat er mit neuen Boten ausgestattet, Deals mit den Milizen vereinbart. Das Ziel: Flüchtlinge zurückzuhalten. Italien will zudem Erdölfelder vor Libyens Küste weiter ausbeuten.
Frankreichs Präsident Macron hofft auf lukrative Aufträge für seine Energiekonzerne: Er allerdings liebäugelt mit Haftar. Der General soll für ihn zudem auch Islamisten im Zaum halten.
Kanzlerin Merkel will die widerstreitenden Interessen in Berlin zusammenführen, die Rolle Europas stärken
Autor: Daniel Hechler, ARD Studio Kairo
Stand: 19.01.2020 20:06 Uhr
Kommentare