So., 03.05.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Portugal: Mit Glück durch die Corona-Krise?
Die Küstenstadt Porto mit ihren prächtigen Brücken ist normalen Zeiten ein Touristenmagnet. Doch nun herrscht in der Altstadt gähnende Leere. Die Portugiesen bleiben strikt zuhause – das erklärt zum Teil die niedrigen Corona-Infektionen. Portugal hat so viele Einwohner wie Schweden, doch nur halb so viele Corona-Tote zu verzeichnen.
Militärkrankenhaus versorgt Senioren
Die Regierung hat zu Beginn der Krise entschlossen gehandelt. Das Militärkrankenhaus von Porto ist ein Beispiel dafür: Wer hinein will, muss sich strengen Sicherheitsvorkehrungen unterziehen. Das Hospital ist in zwei Bereiche aufgeteilt, einer davon nur für Covid-19-Patienten. Oberst Antonio Moura lädt zur Morgenbesprechung – es geht, ungewöhnlich genug, um die Lage der Senioren. Denn auf Anweisung der Regierung sind hier sehr früh Patienten aus Portugals Altersheimen untergebracht worden. Eine außergewöhnliche Maßnahme. "Das war eine Herausforderung, wir sind nicht daran gewöhnt, so viele Patienten aufzunehmen. Eigentlich sollten wir Rückkehrer aus China versorgen, doch dann kam diese Regierungsanweisung", erzählt Moura.
Normalerweise behandeln die Militärs nur Angehörige der Streitkräfte. Nun sind 70 Senioren aus dem Norden Portugals in einem separaten Flügel des Krankenhauses untergebracht, streng isoliert vom restlichen Bereich des Hospitals und auch abgeschottet von unserer Kamera. Die Militärs bekämpfen einen unbekannten Feind, das Coronavirus.
Corona-Infektionswelle traf hier zeitlich verzögert ein
Aufgerüttelt haben Portugal Bilder aus dem Nachbarland Spanien – dort wurden die Altenheime zu Brennpunkten der Epidemie, Tausende Menschen starben dort. Auch deswegen handelte Portugal so schnell. Im Militärkrankenhaus von Porto ist der Corona-Einsatz bislang erfolgreich verlaufen. "Wir haben sehr gute Ergebnisse, die Sterblichkeitsrate bleibt niedrig. Hier sind bislang nur fünf Patienten verstorben, die anderen sind stabil und wir hoffen sie bald als geheilt entlassen zu können", sagt Moura.
Noch sind die Infektionsraten niedrig. Das ist erstaunlich, denn Portugal hat einen hohen Anteil von alten Menschen. Und die Krankenhäuser verfügen über nur wenige Intensivbetten. Das Land bleibt gefährdet. Der Wissenschaftler Alexandre Abrantes erklärt, dass Portugal bislang auch Glück hatte – denn die Infektionswelle traf hier zeitlich verzögert ein. So konnte sich die Politik vorbereiten: „Wir hatten den Vorteil, dass wir schon zwei Wochen vorher sehen konnten, was in Spanien und Italien passiert ist. Als dann unsere Regierung Maßnahmen ergriff, waren die Portugiesen durch diese Fernsehbilder entsprechend vorgewarnt und sensibilisiert“, sagt Alexandre Abrantes, Professor für öffentliche Gesundheit.
Portugals Regierung hat entschlossen gehandelt
Aus den Altemheimen auf dem Land sind positiv getestete Insassen sehr schnell in das Militärkrankenhaus verlegt worden, etwa aus dem privaten Seniorenheim in Branca. Hier hat sich das Coronavirus im März wie ein Lauffeuer verbreitet. Von 28 Bewohnern wurden 21 positiv getestet und auch die meisten der Pfleger hatten sich infiziert. Alle wurden unter Quarantäne gestellt, keiner durfte das Haus verlassen. Das Militär, so sehen sie es hier, hat sie gerettet. "Wir waren völlig verzweifelt, wir hätten unseren Senioren hier nicht helfen können. Deswegen war das optimal, als das Militär sie abholen und dann entsprechend behandeln konnte. Wir waren überfordert und am Ende", erzählt Lourdes Reis, Leiterin des Altenheims Geriabranca.
Den Pflegerinnen dieses Altenheims und den ihnen anvertrauten Menschen ist die ganz schlimme Katastrophe bislang erspart geblieben. Denn Portugals Regierung hat entschlossen gehandelt.Ein Militäreinsatz hat den betroffenen Senioren wahrscheinlich das Leben gerettet.
Autor: Stefan Schaaf, ARD-Studio Madrid
Stand: 02.05.2020 11:33 Uhr
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