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Brasilien: Der Truck der Freude

Brasilien: Der Truck der Freude | Bild: NDR

Junge Tänzer, die begeistern: Die Caretta Furacao d’Alegria der "Truck der Freude"  ist eine bunte Lichtershow.  "Wenn die Leute so schreien, dann fahre ich richtig hoch, dass gibt uns richtig Energie", sagt Tänzer Luan. Es ist ein Spektakel, das in Brasilien boomt. Über die sozialen Medien werden sie berühmt und zu Vorbildern einer jungen Generation. Ein Menschen-Magnet – eine Sensation.

Primavera do Leste, 90.000 Menschen leben hier – tief im Westen Brasiliens. Gewachsen entlang einer Bundesstraße, einer Transitstrecke für landwirtschaftliche Produkte wie Soja und Mais. Ein beschauliches Leben, doch für Kinder wie David schlicht langweilig. Der Neunjährige liebt es zu tanzen und zu springen. Wieder und wieder, egal wie oft er stürzt. "Ich wäre gerne berühmt und dass mich jeder sieht. Aufgeben kommt nicht in Frage. Ich habe so lange geübt, bis ich es geschafft habe." Seine Vorbilder sind die Tänzer auf dem Truck der Freude. Und nicht nur seine. Überall im Dorf machen sich Kinder bereit. Sie trainieren, wollen bei der Show nicht nur zuschauen, sondern mitmachen. Und der Truck mit ihren Idolen erreicht in diesem Moment die Stadt.

Helden aus Comicserien und Computerspielen

Das ganze Jahr sind Alex, Luan und Izaque auf Tour, reisen in die entlegensten Winkel Brasiliens. Einen Monat will das insgesamt siebenköpfige Team bleiben, dazu haben sie ein leeres Haus gemietet. Ein Leben dicht an dicht, aus dem Koffer, wenn es sein muss auf Matratzen. "Ich wurde in der Favela geboren und bin dort aufgewachsen. Ich habe schon Schlimmeres erlebt, als das hier. Das hier ist für mich eher bequem", sagt Luan Carlos da Silva.

Mit 16 Jahren ist Izaque der Jüngste und Luan mit 23 der Älteste. Seit Kindesbeinen an liebt er zu tanzen. Darum steigt er mit nur 15 Jahren auf den Truck auf, er will Brasilien sehen, er will was aus sich machen: "Wir sind die Inspiration für viele Kinder, für viele Menschen wirklich. Und das ist mein Job: Ich bringe Freude und Unterhaltung für alle", erzählt Luan Carlos da Silva.

Ihre Charaktere sind in Brasilien beliebte Helden aus Comicserien und Computerspielen. Der erste Abend ist immer etwas Besonderes. Können sie die Herzen der Menschen in der Stadt erobern? Showtime: Für 3,50 Euro geht es 40 Minuten quer durch die Stadt. Die dicken, mit Schaumstoff gefüllten Köpfe, machen das Sehen, Hören und Atmen nicht gerade leicht, die Saltos riskant. Die Kinder der Stadt nehmen die Verfolgung auf. Sie zeigen, was sie wochenlang geübt haben. Aufgeregt wartet David an der Straßenecke seines Viertels, auf den Truck. Und dann ist sein Moment. Dann tanzt der kleine Mann, rennt mit nackten Füßen neben dem Truck her. Wirbelt und springt, zeigt was er kann.

300 Trucks in ganz Brasilien unterwegs

Ein bunt beleuchteter Truck mit Tänzern davor.
Für 3,50 Euro geht es 40 Minuten quer durch die Stadt. | Bild: NDR

Solange Fans einsteigen, gibt es Fahrten. So finanziert sich das Spektakel. Seit 20 Jahren gibt es die Trucks, mittlerweile sind 300 in ganz Brasilien unterwegs. Sie seien so wichtig wie nie, sagt Carolina. Freude sei wie Medizin in einer Welt mit Klimakrise und voller Kriege. "Wenn du die Nachrichten schaust, dann bekommst du doch Lebensangst. Du verlierst die Zukunftsperspektive. Hier ist so viel Energie, die Menschen können für einen Moment vergessen, dass das Leben schwer ist."

Sie bringen Freude, doch ihr Leben ist – wenn die bunten Lichter aus sind — nicht nur Spaß. Den Truck auf aufzupolieren, gehört zum Job. Jeden Tag tanzen und springen, mit einem Tag Pause in der Woche, Luans Beine schmerzen. "Das Leben eines Künstlers ist nicht einfach. Die Leute denken wir schwimmen im Pool, wir können ein Hotel mieten – nein", sagt Luan.

Jubel der Fans statt Drogengeschäfte

Die 200 Euro im Monat seien wenig, aber ehrlich verdientes Geld, sagt Luan. Seine Familie ist ins Drogengeschäft abgerutscht. Sein Vater ist tot, sein Bruder im Knast. Tatsächlich droht auch Luan auf die schiefe Bahn zu geraten. Er entscheidet sich: für den Truck der Freude, für ihn seine Rettung. "Ich denke, ich wäre im Gefängnis oder ich wäre tot. Es gibt nur einen der beiden Wege. Heute bin ich anerkannt, viele Leute kennen und feiern mich." Mit den Kostümen am Körper, beginne die Transformation für ein anderes Leben. Trotz aller Härten kann sich keiner vorstellen auch nur länger als eine Woche nicht dabei zu sein, und den "Jubel der Fans" zu verpassen. Und sie können sich sicher sein, dass ein Junge immer an der Ecke auf sie wartet um fünf Minuten mit ihnen zu tanzen.

Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Rio de Janeiro

Stand: 15.12.2024 21:38 Uhr

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