So., 02.06.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Mauretanien: Der Eisenerz-Zug – Lebensader durch die Wüste
Er ist einer der längsten und schwersten Züge der Welt: der Eisenerz-Zug in Mauretanien. Etwa 700 Kilometer geht es durch die Sahara - von der Eisenerz-Mine bis zum Verladeterminal am Atlantik. Es ist die einzige Eisenbahnstrecke des Landes. Der Eisenerz-Zug ist für die Menschen der Region unverzichtbar.
Warten am Bahnhof Nouathibou nahe des Atlantiks. Wer in den Osten fahren will, in Richtung der Eisenerz-Stadt Zuerate, steigt hier zu. Wir treffen Max, IT-Experte aus Nordfrankreich. Einer von vielen Rucksacktouristen, die das nicht alltägliche suchen: "Wenn Du in Europa mit dem Zug fährst oder der Straßenbahn, dann weil es billig ist. Hier ist es ein Mittel, um von einer Stadt zur nächsten zu kommen. Das ist interessanter, viel realer."
Wer kann, nimmt den Zug. Auch diese Frauengruppe. Mit der Fahrt in dem Zug endet für sie ein besonderes Wochenende. Es gab etwas zu feiern, eine Hochzeit. Zigaretten und Kekse gibt es vom fliegenden Händler, bis der Zug endlich kommt. Max macht noch einen Clip für Social Media – dann heißt es warten, bis mehr als 200 leere Erzwaggons passiert haben. Am Ende: der einzige Personenwaggon. Auch für uns beginnt der Kampf um die Sitzplätze schon beim Einsteigen. Max klettert in einen der leeren Waggons, beliebt bei Rucksatztouristen und allen, die etwas transportieren müssen. Platz gibt es genug, ob für Kartons mit frischen Eiern, Fruchtsäften oder auch – für Kamele. "Der Zug hilft uns sehr, weil er die Leute umsonst transportiert, ihre Kamele, all ihre Sachen. Und: Es gibt einen Austausch in beide Richtungen, von Nouathibou nach Zuerate und zurück. Der Zug versorgt selbst einige Dörfer an der Strecke mit Wasser", erklärt Sheikh Vall.
Eisenerz-Zug ist Lebensader einer ganzen Region
In den Abteilen drängen sich die Reisenden. Die Sitzbretter sind hart, die Passagiere freundlich und entspannt. Anders als in den Erzwaggons müssen hier alle für ein Ticket bezahlen – die Reise kostet umgerechnet fünf Euro: „Mit dem Bus muss ich dreimal umsteigen, bis ich da bin. Und wenn ich mit dem Auto fahre, bezahle ich sechsmal so viel wie für einen Platz im Zugabteil. Deswegen bevorzuge ich den Zug“, sagt Deh M´Hameid, Fischer aus Nouathibou.
Der Eisenerz-Zug ist Lebensader einer ganzen Region, eines ganzen Landes. Und: Der Zug hat eine besondere Art des Eisenbahn-Tourismus geschaffen. Davon profitiert auch die Kleinstadt Choum, die etwa in der Mitte der Bahnstrecke liegt. Eine Unterkunft gab es hier lange nicht, nun gibt es die „Auberge de Choum“. Valentine aus Rumänien und Lise-Lotte aus den Niederlanden bekommen ihr Frühstück vom Besitzer serviert. Nebenbei erfahren wir etwas über die Faszination, die der Zug hat: "Wer nach Mauretanien kommt, will eigentlich auch den Eisenerz-Zug nehmen. Ich denke, einige kommen nur deswegen. Das ist eigentlich schade, weil das Land noch so viel mehr zu bieten hat. Aber der Zug ist eben eine so einmalige Erfahrung, die jeder mal gemacht haben will", sagt Valentine Buzdugan.
Traditionelle Hütten, aber mit Hintertür zum Badezimmer mit fließendem Wasser. So lieben es Rucksackabenteurer: "Wenn die Reisenden hier ankommen, warten sie oft viele Stunden auf den Zug. Manchmal hält der abends um zehn, manchmal um Mitternacht, manchmal morgens um zwei. Wenn Du draußen in der Wüste wartest, ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Strom, ohne Toilette, kann das hart sein – und eine größere Herausforderung als der Zug selbst", sagt Hademin, Besitzer der Unterkunft und Reiseführer. Die Herberge könnte eine Erfolgsgeschichte werden.
Mauretanien ist massiv vom Eisenerz abhängig
Die Mine in Zouerate, acht Eisenbahnstunden weiter. Berge mit Eisenerz-Staub warten auf den Abtransport. Zwei Beladestationen gibt es. Automatisch öffnen und schließen sich die Klappen mit dem Eisenerz-Staub, später werden die einzelnen Waggonabschnitte zu einem Zug zusammengestellt. Bei der Produktion von Eisenerz liegt Mauretanien weltweit zwar nur auf Platz 16. Tatsächlich aber hängt der Staat massiv vom Eisenerz ab: Es macht etwa die Hälfte aller Exporteinnahmen aus, etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr.
Wenn die Sonne über der Wüste versinkt, macht sich der Zug auf, zurück Richtung Atlantik. Bis zu vier schwere Lokomotiven ziehen einen etwa zweieinhalb Kilometer langen Zug. Auf 200 Waggons rollen 17.000 Tonnen Eisenerz. Einer der weltweit längsten und schwersten Züge, die planmäßig verkehren – ein Stück Superlative.
Als die Sonne am nächsten Tag wieder aufgeht, liegt der größte Teil der Strecke hinter uns. Die Kälte des Morgens, der Fahrtwind mit dem Erzstaub – eine Herausforderung, auch für unser Team. In der Mittagshitze Ankunft auf dem Passagierbahnhof von Nouathibou. Wir haben es geschafft! Und die Ziegen auch. Sie werden schon erwartet: "Die Besitzer der Ziegen und wir stehen in Kontakt. Wenn es einen Transport gibt, stellen wir ein Team zusammen. Manchmal geht es von Zouerate nach Nouathibou, manchmal in die andere Richtung. Das ist der einzige Job, den wir haben“, sagt ein Schafarbeiter.
Auch für das Eisenerz wird die Bahnreise nach ein paar Kilometern zu Ende sein. Dann geht es über den Hafen von Nouathibou in alle Welt – auch nach Deutschland.
Autor: Norbert Hahn, ARD-Studio Nairobi
Stand: 02.06.2024 20:20 Uhr
Kommentare