So., 24.09.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Frankreich: Weinbau muss sich ändern
Frankreichs Wein ist in der Krise. Weil die Nachfrage sinkt, sollen Millionen Hektoliter Wein vernichtet werden – eine unvorstellbare Menge. Die Winzer sollen mit 200 Millionen Euro von der EU und Frankreich entschädigt werden. Das fällt eine schwierige Phase für die Winzer. Sie leiden zunehmend unter den Folgen des Klimawandels. Und müssen wegen der langen Lebenszyklen der Weinstöcke jetzt die Weichen stellen, wie sie in Zukunft arbeiten wollen.
Guillaume Tavallo kann es kaum mit ansehen. "Du erwischst nicht alle!", sagt er. Auf seinem Weingut in den Corbières im Süden Frankreichs ist die Lese in vollem Gange . Aber dieses Jahr sind die Trauben so klein, dass die Erntemaschine nicht alle erwischt. "Wir gehen von einem Viertel unserer normalen Ernte aus. Wenn es gegen Ende der Lese noch mal regnen sollte, verlieren wir vielleicht weniger. Aber wir rechnen mit einem Viertel insgesamt." Seine Rebstöcke kommen eigentlich gut mit Trockenheit klar. Aber nun hat es seit mehr als einem Jahr quasi nicht mehr geregnet. Und dann gab es kurz vor der Lese noch eine Hitzewelle mit bis zu 43 Grad. "Die Trockenheit bewirkt, dass keine Blätter wachsen und die Trauben klein bleiben. Saft ist auch nicht drinnen. Und dann hat die Hitzewelle alles verbrannt. Es ist einfach gar nichts übrig. Guillaume merkt, wie das Wetter immer unberechenbarer wird, dass Extreme zur Normalität werden. "Das können wir nicht lange durchstehen, höchstens ein, zwei Jahre vielleicht. Mit so kleinen Ernten können wir ein Weingut nicht halten, das geht einfach nicht."
Suche nach neuen Wegen im Weinanbau
Das Klima verändert sich, und überall in Frankreich suchen sie nach Wegen, den Weinanbau zu retten, auch im Nationalen Forschungsinstituts für Landwirtschaft in Montpellier. Weingenetiker Laurent Torregrosa öffnet in mühevoller Handarbeit die winzigen Blüten. Dann kann er sie bestäuben. "Das sind Pollen einer Rebsorte aus dem Süden der USA", erklärt er. Torregrosa züchtet Pflanzen, die für die Zukunft gewappnet sind. "Größere Trockenheit, Feuchtigkeit, aber auch Pilzerkrankungen, das sind Folgen des Klimawandels. Wir kreuzen europäische mit amerikanischen oder asiatischen Rebsorten, und können so Rebsorten züchten, die besser damit besser zurechtkommen." Acht ihrer neuen Sorten sind bereits für den Weinbau zugelassen. Aber Tests und Zulassung brauchen Zeit. Bis die neuen Sorten bei den Winzern ankommen, kann es schon mal 20 Jahre dauern.
Bei Winzer Vincent Pugibet in der Nähe von Béziers wachsen solche neu zugelassenen Sorten bereits: Er war einer der ersten, der in Frankreich darauf gesetzt hat und ist zufrieden: Sie seien weniger anfällig für Krankheiten oder höhere Temperaturen. "Für uns ist vieles unvorhersehbar geworden, wir stellen wir uns daher breit auf: pflanzen auf unterschiedlichen Böden, nutzen neue Rebsorten. Damit halten wir das Risiko klein. Vor 25 Jahren hat er das Weingut von seinem Vater übernommen. Seitdem beobachtet er, dass die Weine mehr Alkohol enthalten – weil durch höhere Temperaturen die Trauben früher reifen. Vincent versucht das technisch zu lösen: Mit einer Maschine, die dem Wein Alkohol entzieht, durch eine Membran und viel Druck. Je länger der Prozess läuft, desto weniger Alkohol bleibt im Wein. "Die Entalkoholisierung gibt uns mehr Flexibilität. So können wir den Alkoholgehalt erzeugen, den wir möchten. Die Leute wollen heute leichtere Weine, für uns ist das gar kein Problem."
Trockenheit macht Winzern zu schaffen
Ein so trockenes Jahr wie dieses hat auch Vincent noch nicht erlebt. Er leidet aber weniger als andere Winzer: Er ist an ein Bewässerungssystem angeschlossen. Das Wasser kommt aus einem Stausee. Schläuche hat er überall unter die Erde verlegt. Aus ihnen tropft Wasser langsam an die Wurzeln. Wegen der Trockenheit hat er mehr verbraucht als sonst. "Wenn man nicht bewässert, kann man natürlich Wein machen, aber die Erträge wären klein. Die Idee ist eben, mit der Bewässerung gleichmäßigere Erträge zu haben." Dabei war Wein zu bewässern in Frankreich lange ein Tabu. Und ist auch noch immer umstritten, denn über Jahrhunderte wuchs Wein ohne Bewässerung – und Wasser wird vielerorts knapper.
Guillaume Tavallo würde gerne bewässern, um seinen Betrieb zu retten. Aber auf seinen Weinbergen gibt es keinen Zugang zu Wasser. Er versucht sich anders zu helfen: "Wir haben nebenan Weinstöcke gepflanzt, die Trockenheit besser aushalten. Dadurch können wir diese Parzelle perspektivisch durch eine andere ersetzen, die besser angepasst ist." Aufgeben will er nicht, sagt er noch. Auch wenn die Zukunft für ihn nicht einfach wird.
Autorin: Friederike Hofmann, ARD-Studio Paris
Stand: 24.09.2023 19:20 Uhr
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