So., 28.04.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Großbritannien: Neue Heimat für litauische Arbeitsmigranten
Peterborough hat es den Litauern angetan. In der altehrwürdigen Stadt im Osten Englands lebt die britische Arbeiterklasse. Unaufgeregt. 200.000 Einwohner versprühen britische Schlichtheit. Über die Jahre haben sich Litauer hier mit eingerichtet. Und dafür gesorgt, auf nichts verzichten zu müssen. Kestutis Liugaila isst auch mal Fish and Chips, lieber aber litauische Küche zum Mittag. 20 Jahre lebt er schon in Peterborough. Sofort als es möglich war, sei er hierher, erzählt er. Damals, als Großbritannien sie – die neuen EU-Bürger – offen in Empfang nahm: "Mein Vater ist zuerst hierhergekommen, damit die Familie es besser hat. Die Löhne sind höher. Kurz danach hat er mich angerufen und gesagt. Du solltest auch kommen und hier Geld verdienen. Und ich habe gesagt. 'So machen wir es.'"
Mehr als 200.000 Litauer leben und arbeiten in Großbritannien
Sie haben damals zugesehen, wie einer nach dem anderen aus Litauen hier auftauchte. Erinnert er sich beim Warten auf Merretichschnitzel und Kartoffelbrei. Jeder seiner Landsleute war auf der Suche nach einem guten Job, aber auch nach einem modernen Leben im Westen: "Man hörte hier mehr und mehr die litauische Sprache. Ich hatte deshalb schnell auch Freunde. Man musste sich nur umdrehen und traf jemanden und musste nur sagen: 'Hallo, schön dass Du das bist.' So war das." Mehr als 200.000 Menschen leben – wie Kestutis - mittlerweile ihren litauischen Traum im Vereinigten Königreich. Sie arbeiten in Fabriken, aber auch im Gesundheitswesen. Kestutis in der IT-Branche.
Snieguolė "Snow" Maliavskaja produziert einen Podcast. Für die litauische Gemeinde. Hier geht es hauptsächlich um Themen aus Litauen, wie es sich in England lebt, wie Kontakte geknüpft werden können. Denn abschotten wollen sie sich nicht: "Ich fühle mich richtig gut integriert und kann mich an jeden wenden. Ob Organisation oder Behörde. Ich bin auch noch nie diskriminiert worden." Das war ja nicht immer so. Immer noch ein prägendes Thema unter den Litauern in der Community: Als es den Briten es zu viel wurde mit fremden Kulturen und baltischen Supermärkten. Die Litauer nicht mehr willkommen waren während der Brexit-Jahre. Kestutis Liugaila erinnert sich: "Das war schwierig. Es gab viel Hass in der Stadt. Viel 'haut ab'. Wir haben damals viele Nachrichten aus unserer Community bekommen von Leuten, die sich nicht mehr sicher fühlten."
Ihre Traditionen leben die Litauer weiter voll aus
Gegangen sind sie deswegen nicht. Ihre Traditionen leben sie weiter voll aus. Jordanas Mejeras trainiert litauische Kinder nahe London. Basketball ist ihr Heiligtum, Volkssport Nummer eins in der Heimat. "Litauer sind hart arbeitende Leute. Und das leben wir hier mit Spaß aus und geben es weiter. Das ist der Ton. Unsere Kultur", erzählt Mejeras. Die Kinder sind hier geboren, die zweite Generation. Bisher kennen sie nur England als ihr Zuhause. Dennoch fühlen sich viele als Litauer. Bisher hieß ihr Verein "Baltic Stars". Jordanas hat ihn nun in "London Stars" umbenannt, um etwas offener zu werden.
Snow muss sich sputen. Einmal die Woche holen sie die litauischen Trachten raus. Zum Tanzen. Wen man auch trifft in Peterborough, sie alle hier wirken happy über das schöne aus zwei Welten. Die litauische Lebensart, gepaart mit etwas mehr Wohlstand in England. "Das Leben hier ist so schön. Und dann bin ich mit so vielen Landsleuten zusammen. Ich denke, wenn ich alt bin, das dauert noch, aber wenn, dann gehe ich zurück. Meinen Lebensabend möchte ich schon zuhause verbringen", sagt Snow. So denken die meisten. Die litauische Regierung versucht sie gerade wieder zurückzulocken. Scheint schwierig. Der große Teil hat sein Glück gefunden, fernab der Heimat.
Autor: Sven Lohmann, ARD-Studio London
Stand: 28.04.2024 19:46 Uhr
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