So., 27.04.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Indonesien: Rangerinnen im Scharia-Land
Eigentlich haben in Aceh die Männer das Sagen. Hier gilt die Sharia, das streng islamische Gesetz. Dennoch hat Sumini etwas ungewöhnliches gewagt. Sie hat eine Gruppe gegründet. Mit anderen Frauen aus dem Dorf. Als erstes weibliches Ranger-Team schützen sie die Wälder. Sie brechen damit ein Tabu in der konservativsten Region Indonesiens. Denn sie haben eine Mission: "Wir gehen hier heute auf Patrouille. Denn wir wollen kontrollieren, ob sich die Kaffeebauern weiter ausgebreitet haben. Und ob sie noch mehr Waldfläche abgeholzt haben" erklärt Sumini.
Kampf gegen illegales Abholzen
Sumini und ihr Team wollen das illegale Abholzen des Regenwalds stoppen. Denn hier stand überall mal dichter Dschungel. Doch Kaffeebauern haben in den vergangenen Jahren Hektar um Hektar Wald abgeholzt. Die Landschaft trocknet dadurch aus. Die Trinkwasserquelle der Gemeinde ist bedroht. Und damit auch der Lebensraum der Tiere. Das Ranger-Team ruft die Gibbons – kleine Menschenaffen. Die haben sich schon tiefer in den Dschungel zurückgezogen, weil sie hier nicht mehr genug Nahrung finden. Wilderer bedrohen sie – wie viele andere Tiere auch. Hier im Nationalpark Gunung-Leuser leben noch Tiger, Elefanten, Orang-Utans. Doch der Nationalpark steht auf der roten Liste der UNESCO-"Liste des gefährdeten Welterbes". Naturschützer warnen: Wenn Bäume abgeholzt werden, drohen in der Regenzeit Erdrutsche und gefährliche Überflutungen.
Wie 2015 – als eine Sturzflut Häuser in Suminis Dorf wegreißt. Das ganze Dorf muss evakuiert werden. Menschen, die eh schon wenig haben, verlieren alles. "Ich konnte da nicht einfach ruhig bleiben. Ich musste etwas tun", erinnert sich Sumini. "Ich habe die anderen Frauen zusammengetrommelt. Die waren anfangs noch skeptisch." "Wir mussten erst einmal unsere Männer nach Erlaubnis fragen. Denn nach unserer Auslegung des Islams dürfen wir nichts gegen den Willen der Männer machen. Wenn der Mann sagt: Du darfst nicht in den Wald. Du darfst nicht arbeiten, dann müssen wir uns daran halten", sagt Mitstreiterin Masdalena.
Pflanzung von Avocado, Passionsfrucht, Zimt
Monate hat es noch gedauert, auch die Dorfgemeinschaft zu überzeugen. Da wo der Wald lichter ist, pflanzen sie jetzt neue Bäume: Avocado, Passionsfrucht, Zimt. 620 Hektar beschützen sie offiziell mit einer Erlaubnis der Regierung. Sie kontrollieren auch den Zustand der Bäume. "Ich bin nach der 9. Klasse von der Schule abgegangen. Meine Eltern hatten viele Kinder, daher durfte ich nicht länger gehen. Das was ich heute an Wissen habe, das ist das Ergebnis meines starken Willens", sagt Sumini.
Das Abholzen des Waldes ist eigentlich gesetzlich verboten. Doch die Region plagt Armut. Die Menschen aus den Dörfern pflanzen den Kaffee, um Geld zu verdienen. "Das ist alles illegal", sagt Sumini. Sie und ihre Mitstreiterinnen versuchen gar nicht erst wie ihre männliche Ranger-Kollegen aufzutreten, erzählt Sumini. Nicht autoritär, sondern zugewandt und diplomatisch: "Wir gehen auf die Leute zu und suchen das Gespräch. Oft verstehen sie erstmal nicht, worum es uns geht mit dem Wald. Aber wir geben nicht auf und suchen immer wieder den Austauch. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, probieren wir es weiter."
Vom Wilderer zum Unterstützer der Rangerinnen

"Ich habe hier geschützte Vogelarten gejagt", erzählt der ehemalige Wilderer Darmawan. "Dafür habe ich Steinschleudern benutzt. Manchmal habe ich auch Klebefallen an den Bäumen montiert. Da sind die Vögel dann mit ihren Flügeln hängen geblieben. Das habe ich ziemlich oft gemacht. Aber ich habe damit aufgehört. Jetzt arbeite ich für Suminis Team." Er hat die Seiten gewechselt. Für Sumini und ihr Team arbeitet er als eine Art Spion: "Wenn ich Leute beim illegalen Abholzen erwische, dann mache ich Fotos und berichte Sumini davon. Dann kommt sie ins Spiel und geht auf die Leute zu."
Der Dorfvorstand unterstützt das Ranger-Team Die Menschen im Dorf hätten jetzt verstanden, warum der Wald geschützt werden muss. Umweltschützer haben herausgefunden, dass die Abholzung rund um das Dorf in den vergangenen zwei um die Hälfte zurückgegangen ist. "Wir hatten das hier vorher lange diskutiert und den Frauen dann die Genehmigung erteilt. Diese Frauen können wirklich etwas gegen die illegale Abholzung bewirken. Die konfrontative Art der Männer ist weniger erfolgreich", sagt Dorfvorstand Irwandi.
2023 hat eine US-amerikanischen Stiftung Sumini und ihre Kollegin nach New York eingeladen. Dort wurden sie ausgezeichnet – für ihre herausragende Arbeit bei der Stärkung von Frauen und Mädchen. Die Nachbardörfer haben Sumini kontaktiert. Sie hilft dort beim Aufbau von weiblichen Ranger-Teams. Gibt sogar Kurse in Verhandlungstechnik. Das Ranger-Team hofft, dass die indonesische Regierung das illegale Abholzen im ganzen Land konsequent stoppt. Denn die Folgen des verschwindenden Waldes, die seien hier überall schon spürbar.
Autorin: Elena Kuch, ARD-Studio Singapur
Stand: 27.04.2025 22:02 Uhr
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