So., 27.04.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA: 100 Tage Trump – wie geht es weiter in den USA?
"Rettet unsere Demokratie!" Jeden Samstag protestieren sie in den liberalen Großstädten – gegen US-Präsident Donald Trump. Gegen die brutalen Abschiebungen von Migranten. Gegen die Massenentlassungen in Bundesbehörden. Gegen all die Dekrete, mit denen er regiert wie ein Autokrat. Noch nie wurde Amerika so schnell und so radikal verändert. Und diese Veränderungen spalten die Gesellschaft noch krasser in zwei Lager, als das ohnehin schon der Fall ist. Denn auf dem Land, wo die eher konservative Bevölkerung lebt, bleibt Trump ein Held. Einer, der die Menschen sieht und sich für sie und “America first” einsetzt. So inszeniert er sich von Anfang an: "Meine Wahl ist der Auftrag, einen schrecklichen Wahl-Betrug und all die vielen Betrügereien, die stattgefunden haben, vollständig rückgängig zu machen und den Menschen ihren Glauben, ihren Wohlstand, ihre Demokratie und in der Tat ihre Freiheit zurückzugeben. Von diesem Moment an ist der Niedergang Amerikas vorbei."
Für die einen mag sich das so anfühlen. Für die anderen fängt der Niedergang gerade erst an. New York, Columbia University: gegründet 1754, eine der ältesten Unis des Landes. Jetzt ist sie wie so viele andere Elite-Unis in das Visier der Regierung geraten. Der Vorwurf: Nach pro-palästinensischen Protesten habe die Uni nicht klar Stellung gegen Antisemitismus bezogen. Deshalb sind hier gerade 650 Millionen Fördergelder eingefroren. Auch die von Daniella Fodera. Die junge Frau sagt, sie habe nie an Protesten teilgenommen. Sie forscht zu Frauengesundheit, konkret zu Wucherungen in der Gebärmutter.
"Direkter Angriff auf Frauen"
Die Regierung hat eine Liste mit mehr als 200 Wörtern herausgegeben, die nicht mehr genannt werden sollen. Um zum Beispiel Gender-Themen zu unterdrücken. Darunter das Wort: Frau. "Es ist erschreckend zu sehen, dass die Regierung versucht, bestimmte Dinge zu zensieren, nur weil sie denkt, sie seien zu woke oder zu politisch. Man sieht das schon an der Liste von Wörtern, die von der Gesundheitsbehörde herausgegeben wurde, die man nicht mehr in seinen Anträgen auf wissenschaftliche Zuschüsse verwenden darf. Das ist schon irre. Frauen haben eine Gebärmutter. Es macht es schwer Fördergelder für Gebärmutterforschung zu beantragen, wenn man das Wort Frau nicht benutzen darf", sagt Daniella Fodera.
Frage: "Wie beängstigend ist es, dass sie offensichtlich versuchen, in die Wissenschaft einzugreifen?"
Daniella Fodera: "Es ist unglaublich beängstigend. Grundlagenforschung ist wirklich wichtig. Wenn man sich nicht um die Gesundheit von Frauen kümmert, ist das einfach herzzerreißend und ein direkter Angriff auf Frauen."
In Tennessee sind solche Listen egal. Feminismus auch. Bei den Mule-Days – den Maultier-Tagen – wird die Kindermiss von Columbus gewählt. Typisch Amerikanisch. Es geht um Identität, Nationalismus und Zugehörigkeit. Ich treffe Sharon Anderson, einen überzeugten Trump-Fan. Und schnell wird klar: Auch wenn Trumps Zoll-Listen die Börsen beben lassen, Experten steigende Preise für alle befürchten, Sharon Anderson unterstützt Trump in jedem Fall: "Ich glaube, am Schluss wird alles besser! Was er jetzt tut wird das Land insgesamt verbessern. Einige Menschen werden leiden. Aber ich denke, wir kriegen das schon hin."
Frage: "Selbst, wenn diese Dinge Dich träfen?"
Sharon Anderson: "Ja, absolut. Auf jeden Fall. Es trifft natürlich auch mich. Wir werden kein neues Auto kaufen. Aber das ist Teil der Heilung. Wir müssen da jetzt durch. Ich werde leiden. Mein Mann wird leiden. Meine Kinder, meine Enkelkinder werden vielleicht auch leiden. Aber das müssen wir jetzt durchstehen bis das Land wieder gesund ist."
Angst, Chaos und Verwirrung – Trump verändert Amerika die Atmosphäre

Viele Dekrete die Trump unterschrieben hat, sind nicht mit der Verfassung oder Gesetzen vereinbar, werden gerade vor Gerichten angefochten. Das stört hier aber keinen. Dann müssten eben die Gesetze geändert werden. Das sei schließlich Volkes Wille: "Die Mehrheit der Amerikaner hat für Trump gestimmt, für seine Wahlversprechen. Die erfüllt er jetzt. Wir sind stolz auf ihn. Sehr stolz! Und wenn er dafür sorgen kann, dass er noch ein drittes Mal antritt, würde ich ihn noch mal wählen", sagt ein Mann aus North Carolina.
In New York überlegt Forscherin Daniella Fodera, nach Europa zu gehen und ihre Forschung dort weiter zu führen. Sie merkt: Menschen beginnen zu schweigen, sich zu verstecken oder verlassen das Land: "Ich denke, seine mächtigsten Waffen sind Angst, Chaos und Verwirrung. Man weiß nicht, was real ist, was passieren wird, und so ist das eine Möglichkeit, die Menschen mit Angst zu kontrollieren. Es ist also nur ein Werkzeug in seinem Arsenal."
Wo Politik mit Angst und Emotionen arbeitet, schrumpft der Raum für Vertrauen, Vielfalt und eine offene Gesellschaft. Trump verändert Amerika also – die Atmosphäre. Das beginnt nicht mit Gesetzen, sondern mit dem Gefühl, nicht mehr sicher zu sein.
Autorin: Gudrun Engel, ARD-Studio Washington
Stand: 27.04.2025 22:01 Uhr
Kommentare