So., 01.12.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Japan: trendy und umstritten: Tiercafés
Eine Eule zum Streicheln, ein Otter zum Füttern, ein Igel zum Schmusen. Und der neueste Schrei rund um Tokios Tiercafés: Ferkel auf dem Sofa im Mini-Pig Café.
Viele Gründe für Tiercafés
"Die Japaner mögen ja Tiere sehr gern. Aber die Wohnungen in Tokio sind klein, kaum einer kann sich ein Haustier halten. Es ist ja oft auch verboten. Deswegen sind die Tiercafés so beliebt und deswegen kommen die Leute zu uns. Hier kannst Du den Tieren so richtig nahe sein", erzählt Shiho Kitagawa, Managerin des Mini-Pig Cafés. Zwanzig Ferkel haben sie im Mini-Pig Café. Seit Eröffnung vor ein paar Wochen drängeln sich die Knuddel-Kunden im Halbstundentakt. Tierliebe, Zeitvertreib, Einsamkeit, Instagram: Es gibt wohl viele Gründe für den riesigen Erfolg.
"Heute ist unser Hochzeitstag. Wir wollten schon lange vorbeikommen, wir würden nämlich gerne so ein Minischwein haben. Und vorher wollten wir es uns in echt angucken. Deshalb sind wir heute da", so ein Besucher des Mini-Pig Cafés.
"Ich finde normale Schweine schon so toll. Und diese Mikor Mini-Schweine habe ich auf dem Handy gesehen. Das Gesicht und alles finde ich so süß", findet eine Besucherin des Mini-Pig Cafés. Besucher: "Ich find‘s auch voll cool."
Der Umsatz liegt jährlich in Millionenhöhe
Tokio ist reich an schrägen Sensationen und manch verrücktem Fetisch. Tiercafés haben in dieser Welt ihren festen Platz. Allein Hunde- und Katzencafés machen geschätzt 25 Millionen Euro Umsatz im Jahr – ein riesiges Geschäft. Aber mit einer dunklen Seite. "Die Menschen können vielleicht Stress abbauen. Aber was bedeutet das für die Tiere? Diese Tiere sind einzig und allein Opfer. Die meisten Japaner machen sich über andere Lebewesen keine großen Gedanken. Es reicht ihnen, sich wohl zu fühlen und dafür die Tiere zu gebrauchen", so Ren Yabuki, Tierschützer.
Tickets gibt es am Automaten. 30 Minuten Igel: 25 Euro. Handschuhe gibt es kostenlos dazu: Das Igel-Café in Akihabara. Die Tiere stammen vom Züchter. Anderswo aber werden die Tiere oft in freier Natur gefangen oder illegal nach Japan eingeschmuggelt.
"Ich dachte: So ein Igel, der sticht viel mehr. Aber eigentlich fühlt er sich viel sanfter an", sagt eine Besucherin des Igel-Cafés. Was die Eule wohl denkt? Ein Sperlingskauz: Eigentlich dämmerungsaktiv. Doch berufsbedingt muss das Tier auch tagsüber die Augen offenhalten.
Oft steckt das organisierte Verbrechen hinter den Cafés
"Bei uns rotieren die Tiere. Wir haben doppelt so viele. Die eine Hälfte ist hier im Café, die andere im Ruheraum. Sie machen Pause. Einen halben Tag sind die Tiere mit Menschen zusammen, dann dürfen sie sich ausruhen. Dann sind die anderen dran", erzählt Tatsuya Kurisu, Manager "Cheese"-Café. Oft stecke das organisierte Verbrechen hinter den Cafés, sagt der Tierschützer Ren Yabuki. Kriminelle Gruppen, die viel Profit machten. Das Wohl der Tiere interessiere dabei nicht.
"So eine Eule zum Beispiel: Im Café ist sie tagsüber aktiv und nachts soll sie schlafen. Dabei haben Eulen ja einen genau umgekehrten Schlafzyklus. Eulen müssten tagsüber schlafen, aber stattdessen werden sie ständig von jemandem angefasst. Das wiederholt sich die ganze Zeit. Das führt zu ständiger Schlaflosigkeit, zu Stress. Und so sterben die Tiere früher, als sie müssten", sagt Ren Yabuki.
Die Ferkel haben noch das ganze Leben vor sich, die jüngsten sind gerade zwei Monate alt. Und wenn sie groß sind, stehen sie zum Verkauf. Für 3.000 Euro – teurer als ein Schoßhund – kann sich jeder Ferkelfan ein kleines Schweinchen mit nach Hause nehmen. Besucherin des Mini-Pig Cafés: "Also ich hätte gerne eins."
Nur, so ein Ferkel ist ja kein Kuscheltier, sondern echt aus Fleisch und Blut. Und, ups, noch vielem mehr. Was ‘ne Schweinerei!
Autor: Philipp Abresch / ARD-Studio Tokio
Stand: 02.12.2019 19:55 Uhr
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