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Kenia – Mode aus dem Slum

Kenia – Mode aus dem Slum | Bild: NDR

"Jeden Tag zu nähen hält mich am Leben, weil es das ist, was mir Frieden gebracht und geholfen hat, meine Bestimmung im Leben zu finden", sagt David Avido. Im Armenviertel Kibera, in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, wächst Modedesigner Avido auf – umgeben von Kriminalität, Drogenmissbrauch und Prostitution. Er fängt an, Kleidung zu entwerfen, um nicht auch in die Kriminalität abzurutschen. "Die Leute dachten früher, dass es mit diesem Hintergrund schwer sei, etwas im Leben zu erreichen.  Als ich anfing, zu nähen, wollte ich zeigen, dass auch an solchen Orten richtig gute Designs entstehen können."

Mode für kenianische und internationale Stars

David hat es geschafft: In seinem Atelier in Kibera entwirft er inzwischen Mode für kenianische und internationale Stars. Auch US-Sänger Bruno Mars und Superstar Beyoncé gehören zu seinen Kunden. "Diese afrikanischen Farben verkörpern die Motive der afrikanischen Natur. Dadurch bin ich in der Lage, nicht nur über meine Kreationen zu sprechen, sondern auch über die afrikanische Geschichte, denn ich bin ja nicht der einzige Mensch in Afrika", erklärt David. Mode zu entwerfen, hilft David auch dabei, seine schwere Kindheit zu verarbeiten: "Meine Inspiration kommt überwiegend aus Kibera und meiner Kindheit. Die Dinge, die ich als Kind durchgemacht habe, inspirieren mich am meisten, weil ich jungen Menschen das Leben erleichtern möchte."

Hier am Rande des Slums geht David als Kind zur Mbaghathi Schule. Doch er beendet nur die Grundschule, denn die Familie lebt in Armut. Seine Mutter zieht ihn und die drei Geschwister allein groß. Das Schulgeld kann sie sich nicht leisten. David muss die Schule mit elf Jahren verlassen. "Als ich elf Jahre alt war, wollte ich Elektroingenieur werden, weil ich wirklich gut in Mathe war. Als ich die Schule abbrechen musste, begann der Traum langsam zu zerplatzen. Ich dachte sogar, dass mein Leben zu Ende ist, weil mir alle sagten, dass ich auf der Straße umgebracht werden würde. Denn zwei Drittel meiner Freunde wurden getötet, die meisten von ihnen bei Verbrechen oder durch Drogen. Dass ich jetzt noch lebe und arbeiten kann, ist wie ein Wunder."

David Avido unterstützt Schulkinder in seinem Armenviertel

David Avido und zwei Schülerinnen
David Avido unterstützt Schulkinder in seinem Slum. | Bild: NDR

Als David nicht mehr zur Schule gehen kann, versucht er irgendwie Geld zu verdienen, um seine Mutter zu unterstützen. "Ich habe auf der Straße Plastik verkauft. Mit Plastik konnte ich meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich habe immer um Regen gebetet, denn der schwemmt den Schlamm vom Abwasser weg und man kann Metall und Münzen finden." Eine Zeit lang lebt David sogar auf der Straße, als seine Mutter zu ihrem neuen Freund aufs Dorf zieht und er sich weigert, mitzugehen. Damals schläft er mit anderen Straßenkindern unter den Planen von Gemüseständen. Wenn das Geld nicht reicht, bettelt der Junge um Essen. "Mir hat niemand geholfen. In so vielen Situationen wollte ich, dass mir jemand die Hand hält und den richtigen Weg zeigt. Aber so jemanden gab es nicht."

David möchte so jemand sein. Neben den Schulkindern, unterstützt er auch gehörlose Frauen aus dem Slum. Bringt ihnen bei, zu nähen und verhilft ihnen zu Jobs.  Eine von ihnen ist Aisha Mahmud Mohamed. Sie arbeitet mittlerweile in einer Fabrik, die Taschen herstellt. Durch Davids Hilfe kann sie nun ihre Familie versorgen. "Das Leben ohne Geld war hart. Jetzt bin ich in der Lage, die Krankenhausrechnung für meine Tochter zu bezahlen. Ich kann sparen, Essen kaufen und ihr Schulgeld bezahlen."

Hilfe zur Selbsthilfe ist Davids Motto: "Das gibt mir ein gutes Gefühl und macht mich stolz. Es beweist, dass die Leute da draußen wirklich talentiert sind. Wenn man ihnen nur eine Chance bietet, können sie ihr Leben ändern."

Herzensprojekt Kibera Fashion Show

Ein Model bei einer Modenschau.
Eine Fashion Show mitten im Slum. | Bild: NDR

Die Kibera Fashion Show ist Davids jüngstes Herzensprojekt. Hier zeigen bisher unbekannte Designer und Designerinnen ihre Kreationen. Für viele endlich eine Möglichkeit, gesehen zu werden, denn auch sie kämpfen mit denselben Vorurteilen wie David zu Beginn seiner Karriere. "Wenn wir hierher kommen und unsere Kreativität und unsere Lebensweise zeigen, befreit das viele Menschen und lässt sie davon träumen, dass dies auch für sie möglich ist. Jeder kann frei sein, jeder kann kreieren, jeder kann magisch sein", sagt Designer Carlton Gandani.

David feiert seinen Erfolg: Eine Fashion Show mitten im Slum: "Wir bringen die Welt jetzt nach Kibera. Früher dachten die Menschen bei Kibera an Kriminalität, Drogenabhängige und Prostitution. Aber heute sind wir alle zusammen. Alle haben gute Laune. Alle sind friedlich und fühlen sich wie zu Hause. Und das ist es, was wir wollen: dass die Leute uns so sehen, wie wir sind, und nicht aufgrund der Dinge, die sie da draußen über uns hören."

Für David ist klar: Er würde den Slum und seine Heimat Kenia nie verlassen. Nicht einmal für Angebote aus dem Ausland: "Kibera ist mein Zuhause. Hier finde ich Frieden." Davids Träume haben sich erfüllt. Er ist da angekommen, wo er sein will.

Autorinnen: Jessica Briegmann, Anne Fleischmann, ARD-Studio Nairobi

Stand: 07.04.2024 19:29 Uhr

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