So., 19.02.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Slowakei: Putins Freunde
Die Länder im Osten der europäischen Union zählen zu den größten Unterstützern der Ukraine. Polen, die baltischen Staaten, Tschechien und auch die Slowakei fordern seit Kriegsbeginn klare Kante zu zeigen gegen Russland. Zumindest in der Slowakei wendet sich aber die Stimmung – noch nicht in der Regierung – zunehmend aber in der Bevölkerung.
Ukraine-Krieg: Stimmung in der Slowakei ist gespalten
Liliana Shtepenko hat ihr große Liebe verloren. Die Ukrainerin hat ihren slowakischen Freund Samuel verlassen, sie hätten sich einfach nicht mehr verstanden, sagt sie. Und dann gab es noch diese zweite große Liebe, der Slowaken zu ukrainischen Geflüchteten. Doch auch in diesem Verhältnis fehle viel Verständnis, sagt Liliana: "Am Anfang war es Liebe. Jetzt verändert sich die Situation aber zunehmend. Die Slowaken sind irgendwie müde. Aber trotzdem bleiben wir Ukrainer den Slowaken für ihre Hilfe dankbar."
Die Stimmung in der Slowakei ist gespalten. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand sagt ein Drittel der Slowaken ganz klar, Putin solle den Krieg gewinnen, so eine Umfrage der slowakischen Akademie. Vor allem in Osten des Landes demonstrieren sie fast täglich. Prešov liegt ganz nah an der slowakisch-ukrainischen Grenze. "Lang lebe Putin" rufen sie auf einer Demonstration. "Die europäische Union muss sich doch klar sei, wen man hier unterstützt. Faschisten aus den USA! Putin trägt doch keine Schuld!", sagt ein Teilnehmer. Ein Frau ergänzt: "Es geht doch nicht, dass alle der Ukraine helfen – aber Russland hilft niemand!" Dies sind keine Einzelmeinungen in der Slowakei.
Aus Unterstützern wurden Gegner der Ukraine
Die Regierung unterstützt die Ukraine, doch sie hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Im September gibt es vorgezogenen Neuwahlen. Und Robert Fico könnte an die Macht kommen. Der Linkspopulist hat eine klare Forderung: "Wir werfen der EU vor, dass sie von einem Friedensprojekt zu einem Unterstützer des Kriegs geworden ist. Das ist einfach beispiellos. Wir werfen der EU vor, dass sie keine Strategie für Ukraine hat und nur blind den USA folgt."
Liliana hat einen Job gefunden. Sie arbeitet für den Reiseveranstalter Ľuboš Fellner. Der hat zwei seiner Hostels zu Flüchtlingsheimen umfunktioniert. In einem leben 150 Menschen aus der Ukraine. Liliana hilft Ľuboš Fellner bei der Übersetzung:
Fellner: "Ihr spielt gern am Computer?"
Liliana: "Sie machen aber auch viel Sport. Nehmen an Wettbewerben teil."
Fellner: "Ja sie spielen auch gern Fußball, ich habe die Jungs gesehen in der Schule."
Auch Ľuboš Fellner spürt, dass sich die Stimmung ändert: "Am Anfang haben viele Slowaken geholfen. Unten haben wir die Waschmaschinen, das kann ich zeigen, die Leute haben geholfen, Bezüge oder Matratzen gekauft. Aber das war nur im ersten Monat, in den ersten zwei. Im letzten halben Jahr schon nicht mehr."
Die Stimmung sei gekippt, erzählt auch Liliana. Aus Unterstützern wurden Gegner der Ukraine. Es gäbe ein Vorurteil, dass sie immer wieder hört: Die Ukrainer wollen den Slowaken nur die Arbeitsplätze wegnehmen. "Die Informationen, die hier im Umlauf sind, sind oft prorussisch. Die russische Seite bringt sie aktiv in Umlauf, um die Ansichten in der Slowakei zu ändern. Damit sie ihre Positionen – die russiche Seite – unterstützen", sagt Liliana.
Wurzeln der Russlandfreundlichkeit aus Zeiten des Kommunismus
An die Zeit vor 1989 haben viele hier positive Errinnerungen, erklärt Soziologe Miloslav Bahna vom Institut der slowakischen Akademie der Wissenschaften die Wurzeln der Russlandfreundlichkeit. Anders als im benachbarten Tschechien, empfinden es die Slowaken als Zeit der Blüte – die Zeit nach der Wende jedoch als tiefe Krise: "Der Blick auf die Epoche des Kommunismus ist in der Slowakei deshalb sehr viel positiver. Das erklärt auch das Verständnis für die Narrative aus Russland, denn Russland wird in der Slowakei immer noch als der Repräsentant dieser Epoche angesehen. Das Ansehen Russland ist dadurch wesentlich positiver als etwa in Tschechien."
Liliane versucht den Russlandverstehern in der Slowakei aus dem Weg zu gehen. Mit ihrem Sohn Christian und ihrer Mutter hat sie in der Slowakei ein gutes vorübergehendes Zuhause gefunden, sagt sie. Ihre Heimat, ihre echte Liebe, bleibe aber die Ukraine.
Autor: Danko Handrick, ARD-Studio Prag
Stand: 19.02.2023 19:45 Uhr
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