SENDETERMIN So., 13.10.24 | 18:30 Uhr | Das Erste

USA: Ist Country-Musik rassistisch?

USA: Ist Country-Musik rassistisch? | Bild: NDR

Nashville, Tennessee – Music City. Wer es im Country Business schaffen will, muss noch immer hierher. Julie Williams zieht vor fünf Jahren in die Stadt, hofft - wie alle hier - auf den großen Durchbruch: "Ich bin mit Country aufgewachsen. Meine Mutter spielte das im Auto auf dem Weg zur Schule. Ich hab geliebt, wie Country Geschichten erzählt." Jetzt schreibt und singt Julie ihre eigenen Geschichten. Wie diese über ihre Afro-Locken. Ihr Song – zu speziell für die Ohren der mehrheitlich weißen Country-Fans – urteilt ein Plattenmanager als sie ihm den vorspielt. Julie bekommt keinen Fuß in die Tür. Nicht bei Plattenlabels, nicht beim Country Radio, wo rund 96 Prozent aller Songs von weißen Künstlern kommen. "Es ist leicht, sich entmutigen zu lassen. Alle sagen: Du musst dies oder jenes tun. Und ich denke: Das funktioniert für mich so nicht – ich kann noch so hart arbeiten; noch so sehr versuchen, den Weg von weißen, männlichen Künstlern vor mir zu gehen – ich werde einfach keinen Erfolg haben", sagt Julie Williams.

Nashville: überall Livemusik

In der Innenstadt von Nashville wir schon zur Mittagszeit überall Livemusik gespielt. Rock und Country in wildem Wechsel. Country Musik Fans sind traditionell mehrheitlich weiß. Haben deshalb schwarze Künstler kaum Chancen in diesem Milliardenbusiness? Scott Collier sucht ständig nach neuen Talenten. Jede Woche bucht er 400 Shows für "Kid Rock’s Honkey Tonk". Glauben sie hier an einen Newcomer, fördern sie ihn bis zur Plattenaufnahme. "Wir bringen ihnen bei, wie man sich anzieht, wie man singt, was man sagt – all diese Dinge. So bauen wir uns unsere Künstler auf. Denn die meisten dieser Kids, die in die Stadt kommen, haben null Ahnung", sagt Scott Collier. Die Nachwuchs-Talente, die Scott heute versammelt hat, sind fast alle weiß. Doch Hautfarbe, sagt Scott, spiele beim Scouting keinerlei Rolle: "Ich höre nur auf ihre Stimme. Wenn sie mich umhauen und wenn sie aussehen, als wären sie vermarktbar und das nächste große Ding – dann haben wir überhaupt kein Problem, sie auf die Bühne zu schicken."

Stars müssen vermarktbar sein. So funktioniert die Musikindustrie. Und kein Genre wuchs zuletzt schneller als Country Music. Holly G. hat den Glauben aufgegeben, dass die sich von selbst in absehbarer Zeit nennenswert bewegt. Deswegen hat sie eine Organisation gegründet, die schwarze Künstlerinnen und Künstler im Country Geschäft fördert – ihnen Bühnen organisiert, sie sichtbar macht. "Man muss sich nur anschauen, was im Country den Ausschlag gibt. Im Radio werden schwarze Künstler immer noch kaum gespielt; sie bekommen kaum gute Auftritte bei Festivals; Labels in Nashville nehmen sie nicht unter Vertrag. Deshalb wollen wir selbst etwas aufbauen – damit wir nicht auf den Wandel warten müssen, den uns der Mainstream immer nur verspricht."

Country-Musik: Veränderung braucht Zeit

Zwei Frauen sitzen nebeneinander in einer Kneipe.
Julie und Holly suchen sich ihre Nischen – auch beim Musik-Machen | Bild: NDR

Das Herz der Country-Musik schlägt immer noch hier: In Radio-Sendern wie diesem. Bill Cody ist so etwas wie eine Radio-Legende. Wenn einer erklären kann, warum Country noch immer vielen als "weiße" Musik gilt, dann er. Der Radio-Moderator erklärt: “Die Musik der Anfangszeit war für die Bauern-Familien und die waren mehrheitlich weiß. Natürlich haben auch viele Schwarze auf den Feldern gearbeitet. Aber die hatten ihre eigene Musik, aus der der Blues und später R&B entstand.“ Doch sein Sender spiele immer mehr Songs auch von schwarzen oder Latino-Künstlern, sagt Bill. Nur: Veränderung brauche Zeit: "Jeder Sender macht Marktforschung und muss im Blick haben, wer sein Publikum ist – und darf sich dann nicht scheuen, das diverser und größer zu machen." Wir fragen Bill, ob er sich vorstellen kann, auch Julie in seine Show einzuladen. Sein Management werde das prüfen, sagt er – aber gemeldet hat das sich bei Julie bisher nicht.

Die "Lipstick Lounge" im Osten von Nashville: Hier kommen Julie und Holly selbst gerne hin, um Musik zu hören. Sie suchen sich ihre Nischen – auch beim Musik-Machen. Dabei würde Julie gerne zu denen gehören, die von der großen Masse der Country-Fans geliebt werden: "Ich singe über die Liebe, das Leben, Familie. Von der Menschlichkeit, die wir alle haben. Und wenn Leute sagen: 'Ich habe Angst, dass sich meine Country-Musik verändert' – dann sag ich: Kommt zu einer Show. Schaut euch an, was wir machen, und ihr werdet sehen: Es ist die Country-Musik, die ihr liebt – nur inklusiver." Holly G. von "Black Oprey" ergänzt: "Unsere Organisation trägt das Wort 'Schwarz' im Namen, weil wir sicher gehen wollen, dass unsere Künstler in einem sicheren Raum auftreten. Viele von ihnen sind schon mal für eine Show gebucht worden, und erst als sie ankamen, merkte man, dass sie Schwarz sind. Und dann wird’s unangenehm." Gerade veröffentlicht Julie ihr zweites Album in Eigenregie, setzt auf Streaming-Plattformen. Aber sie träumt weiter von einem Plattenvertrag und davon, irgendwann auf den ganz großen Bühnen von Nashville zu spielen.

Autorin: Kerstin Klein, ARD-Studio Washington

Stand: 13.10.2024 20:29 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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