Mo., 28.08.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Ägypten: Gefahr durch deutsche Minen
Die Arbeit wird dem Minenräumer so schnell nicht ausgehen in Ägypten: 17 Millionen Landminen sollen Deutsche, Briten und Italiener hier vergraben haben. Und noch immer sind sie eine tödliche Gefahr.
"Teufelsgärten" in Ägypten
Vor 75 Jahren bereitete sich der Kommandant des Deutschen Afrikakorps, Erwin Rommel, auf die Entscheidungsschlacht gegen seinen britischen Gegner vor. Er ließ kilometerlange Minenfelder entlang der Front bei El Alamein anlegen, und nannte sie "Teufelsgärten". Bis heute finden die Räum-Mannschaften der Ägyptischen Armee hier regelmäßig Minen. Millionen liegen im Wüstenboden, deutsche, britische und italienische. In Ägypten ist ausschließlich die Armee für die Minenräumung zuständig. Das ist der Grund, warum Deutschland sich an den Kosten der Räumung nicht beteiligt.
Jedes Jahr gibt es Minen-Unfälle
Diese Minensuche ist nachgestellt, aus Sicherheitsgründen. Die Armee will uns nicht in ein echtes Minenfeld mitnehmen, denn da ist es gefährlich. Farhad Abdel Salam hat das am eigenen Leib erfahren. 16 Jahre ist es her, damals war er Mitte zwanzig, und passte auf die Schafe außerhalb des Dorfes auf. Plötzlich explodierte etwas unter seinen Füßen.
"Ich habe Vieh gehütet. Die Landmine war im Boden, es gab keine Warnhinweise, ich hatte keine Ahnung. Es sah genauso aus wie hier. Es gibt noch so viele Minen und sie haben viele Menschen verletzt oder getötet."
Farhad arbeitet heute in einem Gesundheitszentrum, in dem Minenopfer wie er betreut werden. Am liebsten passt er Prothesen aus Deutschland an. Das sind die besten, sagt er, aber leider auch die teuersten, darum können sie nur selten welche einkaufen. Seit Kriegsende sind in Ägypten mehr als 8000 Menschen Opfer von Landminen geworden. Viele überlebten, schwer verletzt, so wie Farhad. Und noch immer gibt es jedes Jahr Unfälle.
Unterstützung aus Deutschland?
Farhad hätte gerne Unterstützung aus Deutschland, Hilfe bei der Produktion eigener, moderner Prothesen. Deutschland müsse mehr tun als bisher, sagt Farhad, denn vielleicht war es ja eine deutsche Mine, die ihm das halbe Bein weggerissen hat. "Es gibt viele Minenopfer hier, Überlebende, insgesamt etwa 800 zur Zeit. Frauen und Kinder sind darunter, sie alle sind den alten Minen zum Opfer gefallen. Ich würde ihnen gerne in Zukunft bessere Prothesen anbieten können."
Ein Bein oder einen Arm zu verlieren, ist ein persönlicher Schicksalsschlag. Aber es ist auch ein wirtschaftliches Problem. Farhad bekommt in Ägypten eine Versehrten-Rente von umgerechnet 25 Euro im Monat. Damit kann man keine Familie ernähren. Arbeiten wie vorher – auf dem Feld oder auf dem Bau – kann Farhad auch nicht mehr. Aber Farhad hatte Glück, er kann als Techniker im neuen Gesundheitszentrum Geld verdienen. Nur – so viel Glück haben sehr wenige.
Minen – Fluch für Ägypten
"Deutschland und die Alliierten haben hier vor 75 Jahren gekämpft. Sie haben uns während des Zweiten Weltkriegs Leid zugefügt und sie sollten wissen, dass ihre Landminen uns bis heute bedrohen. Diese Minen töten noch immer und sie zerstören Leben, weil sie gesunde Menschen schwer verletzen", erzählt Farhad.
Die alten Weltkriegs-Minen bei Al Alamein sind ein Fluch für Ägypten. Die Bevölkerung wächst um 2,5 Mio. Menschen jedes Jahr, die brauchen neue Städte. 10.000 Wohnungen sollen deshalb hier in Neu-Al Alamein entstehen. Hussam Hosny arbeitet seit 30 Jahren im Baugeschäft. Früher waren Minen-Unfälle am Bau häufig, sagt er.
"Unsere Arbeiter hatten sehr große Angst. Erst nachdem die Armee alle Minen geräumt hatte, waren sie beruhigt. Aber keiner wird auch nur einen Fuß auf nicht geräumtes Gebiet setzen."
Vergessenes Kapitel des zweiten Weltkriegs
Die Gedenkstätte für die deutschen Toten des Afrika-Feldzugs, nahe der Baustelle. Farhad kennt diese Gustavs, Werners und Rudolfs alle nicht. Er hat mit diesen Soldaten nichts zu tun, die in der Fremde Krieg führten. Er war nie in Deutschland. Deutschland, so glaubt Farhad, erinnert sich nicht gerne an dieses Kapitel seiner Vergangenheit. Dabei sei das reiche Deutschland doch auch irgendwie für die Folgen dieses Krieges verantwortlich. "Ich bin nicht traurig wegen all der toten Soldaten. Der Krieg hat uns so viel Böses hinterlassen. Uns und den Generationen, die in der Zukunft noch leiden werden", sagt Farhad.
Und dann betet er für die fremden Männer, die hier starben, lange bevor Farhad geboren war. Für viele Deutsche ist der Zweite Weltkrieg fast vergessene Geschichte. Für Ägypter wie Farhad ist er noch sehr präsent.
Autor: Volker Schwenck, Mohammed El Garhi/ARD Studio Kairo
Stand: 20.07.2019 15:26 Uhr
Kommentare