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Ägypten: Verratener Aufstand

Ägypten: Verratener Aufstand | Bild: SWR

Fünf Jahre ist die arabische Rebellion jetzt schon alt. Fünf Jahre, in denen erst ein Diktator vertrieben wurde, dann ein islamistisches Regime an die Macht kam und dieses wiederum von einer Militärdiktatur abgelöst wurde. Fünf Jahre, die auch die Revolutionäre von einst in Ägypten ernüchtert haben.

Nicht wenige sitzen in Gefängnissen, viele Kämpfer für demokratische Veränderungen haben aufgegeben, nur wenige trauen sich noch, der staatlichen Repression etwas entgegenzusetzen. ARD-Korrespondent Thomas Aders berichtet über ein Land, über das sich eine bleierne Last gelegt hat. Thomas Aders, ARD Kairo

Der Traum wurde zum Albtraum

Ahmed Said
Ahmed Said als Demonstrationsteilnehmer. | Bild: SWR

Kairo – die laute, abgasgeschwängerte, chaotische Hauptstadt Ägyptens war für das junge Paar der schönste Ort auf Erden, hier wollten der Ägypter Ahmed und seine deutsche Verlobte Eliane heiraten. Aus ihrem Traum ist ein Albtraum geworden, genau hier, auf dieser Nil-Brücke. Am 19. Dezember versammelten sich ein paar Dutzend Demonstranten, um den Opfern der Revolution zu gedenken. Gewaltlos. Unter ihnen auch der 33-jährige Gefäßchirurg Ahmed Said. Zwei Stunden später wurde er – wie einige andere – verhaftet, wegen Verstoßes gegen das Versammlungsverbot und Störung des öffentlichen Friedens.

Dass Ahmed im Gefängnis gefoltert wird, daran besteht für Eliane und Ahmeds Schwester Lamia kein Zweifel. In einem Schnellverfahren wurde er zu zwei Jahren Haft verurteilt. "Wir versuchen, Aufmerksamkeit zu erregen für den Fall", erzählt Eliane Friess, die Verlobte von Ahmed Said. "Wir wollen ihn damit schützen und erreichen, dass die Strafe vermindert wird, oder dass er freigesprochen wird. Wir wollen aber auch heiraten! Ich möchte ihn besuchen, ich will ihn endlich sehen! Denn ich darf ihn nicht besuchen."

Die Aufbruchstimmung ist vorbei

Demonstranten auf dem Tahrir-Platz
Am 25. Januar 2011 begannen die Demonstrationen gegen Präsident Mubarak. | Bild: dpa

Kairo – fünf Jahre nach der Revolution. Der Umbruch – ins Stocken geraten. Die Aufbruchsstimmung – übergegangen in eine bleierne Zeit. Die Angst vor staatlicher Willkür und brutalen Repressionen ist so verbreitet, dass viele Interviewpartner uns zuerst zusagen und sich dann verleugnen lassen. Nichts geht mehr... Die ehemals glühende Revolutionärin Salma lebt und studiert nicht mehr in Ägypten, sondern in Europa. Nach Kairo kommt sie für ein paar Wochen zurück, um im Deutschen Archäologischen Institut Material für ihre Doktorarbeit zu sammeln. Vor fünf Jahren war sie euphorisch, jetzt ist sie enttäuscht. "Die Revolution gibt es nicht mehr. Ich versuche jetzt, innerlich zu rebellieren. Ich will mich zuerst mal selbst entwickeln, bevor ich die Gesellschaft und die Realität ändern kann. Um mich zu verändern, will ich mich weiterbilden, deshalb studiere ich jetzt außerhalb Ägyptens."

Cartoonist Andeel
Cartoonist Andeel | Bild: SWR

"Dies ist Ägypten". Mit ihrer Werbekampagne über die Schönheit Ägyptens versucht die Regierung, Touristen zu locken und von Anschlägen auf Flugzeuge oder Hotels wie dem in Hurghada abzulenken. Aktivisten wollen sich diese Schönfärberei nicht bieten lassen. Das Video des Tourismusministeriums haben sie mit staatlichen Gewaltexzessen konterkariert. Der Unmut am Nil wächst, doch die meisten tragen ihre Kritik an Präsident Sisi aus Angst anonym vor. Nur wenige haben den Mut, in die Öffentlichkeit zu gehen, wie Andeel, einer der bekanntesten Cartoonisten Ägyptens. Hier zeichnet er den Präsidenten, umgeben von Kalenderblättern mit dem Datum 25. Januar, dem bevorstehenden Jahrestag der Revolution. Sisis endgültiger Kommentar: Nein! "Es herrscht überall eine große Nervosität vor dem Jahrestag der Revolution am 25. Januar. Es gibt viele, die jetzt wieder nach großen Demonstrationen rufen, weil es so viel Zorn im Lande gibt."

War der Arabische Frühling ein Fehler?

Plakat fordert die Freilassung von Ahmed Said.
Aktivisten fordern die Freilassung von Ahmed Said | Bild: SWR

Lamia, die Schwester des zu zwei Jahren verurteilten Demonstranten AhmedSaid. Mit einem Video fordern die Aktivisten seine Freilassung. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen Frustration und Weitermachen, zwischen Stop and Go. Rechtsstaat und Demokratie gescheitert, nicht nur in Ägypten. Viele fragen sich heute, ob der Arabische Frühling nicht insgesamt ein Fehler war. "Wir dürfen nichts von dem bereuen, was unser Gewissen und unser Herz uns befohlen haben", sagt die Aktivistin Samia Jaheen. "Es ist darum gegangen, dieses Land nach vorn zu bringen, weil Ägypten etwas Besseres verdient. Nur, weil wir das nicht erreicht haben, heißt es nicht, dass wir falsch lagen. Nun gut, vielleicht sind wir gescheitert, aber wir können nicht sagen unsere Revolution war falsch."

Gedichte baumeln – wie am Galgen. Im unabhängigen Verlagshaus Merit werden junge und kritische Schriftsteller gefördert. Zwei Tage vor Silvester verhaftete die Polizei einen Mitarbeiter, angeblich wegen fehlender Buchnummern. Studentin Salma ist hier, um ihre Solidarität auszudrücken. Schwierige Zeiten für die Meinungsfreiheit. "Es vergeht keine Woche, ohne dass jemand in einer Polizeistation zu Tode gefoltert wird oder dass jemand verschleppt wird und nicht mehr auftaucht", sagt der Verleger Mohammed Hashem. "Ich denke, die Sicherheitskräfte verhalten sich so, weil der Jahrestag der Revolution so kurz bevorsteht." Und die ehemalige Revolutionärin Salma meint: "Ich will heute hier sein, um den Verlag zu unterstützen in seinem wichtigen literarischen Kampf. Ich möchte die Leute ermutigen, weiter zu machen." Salma fühlt sich in Ägypten zwar noch zu Hause, aber ihre Kraft, selbst aktiv zu werden, ist kleiner geworden. Ihr Kampf hat sich nun ins Innere verlagert, weg von den Straßen Kairos, wo fast nichts mehr geht.

Stand: 10.07.2019 12:22 Uhr

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