So., 24.01.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Ägypten: Sexuelle Übergriffe am Pranger
Die 26-jährige Regisseurin Tara Shehata eckt mit ihrem jüngsten Dokumentarfilm in Ägypten an. Sie geht der Frage nach: Dürfen Paare in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschen? In diesem Kulturkreis verpönt.
Das Thema von Taras vorherigem Kurzfilm ist noch strittiger: sexuelle Belästigung. Für viele Männer maximal ein Kavaliersdelikt. Für Tara ist es mehr. Sie suchte nach einer starken Antwort und hat sie aus einem Traum ihrer Jugend abgeleitet: "Damals dachte ich: Was, wenn ich ein Superheld wäre? Ich wollte wirklich einer sein, aber es passierte nicht. Also habe ich daraus einen Film gemacht."
Superheldin für Frauenrechte
Hauptfigur ist eine 14-jährige Christin mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Die angehende Heldin grübelt, was eine gute Tarnung sein könnte und findet die Antwort auf der Straße. Vollverschleiert zieht sie los, macht wie eine Superheldin Jagd auf Männer, die Frauen sexuell belästigen. Im Film betrachten Männer eine enge Jeans zum Beispiel als eine Einladung. Die Botschaft der Heldin: "Es reicht." Tara kritisiert vor allem, dass sexuelle Übergriffe meist totgeschwiegen werden. Sie findet, dass sich das ändern muss.
Das sehen bedeutende Mitstreiter im Geiste auch so: Die Gelehrten der islamischen Azhar-Universität, dem moralischen Kompass der Muslime in Ägypten. Auch sie gehen mit einem Kurzfilm gegen sexuelle Übergriffe vor. Die Gelehrten sind zwar Verfechter züchtiger Kleidung für Frauen, aber ihre Botschaft könnte nicht klarer sein.
Arbeit für die Jugend
Tara trifft sich mit der Heldin aus dem Kurzfilm: Yasmina. Die Regisseurin will das Thema sexuelle Übergriffe auf Spielfilmlänge bringen. Yasmina ist Feuer und Flamme für das Projekt, auch aus eigener Betroffenheit. Als Tara bei dem Filmarbeiten Regie führte, war die Schauspielerin gerade mal 14 Jahre alt: "Sexuelle Belästigung, klar ich wusste, was das ist. Als wir dann mit dem Filmen loslegten, passierte es: Sie haben sich über mein Kostüm lustig gemacht, haben meinen Körper kommentiert. Es hat mir die Augen geöffnet, einen feministischen Kick gegeben."
Taras Weg ins Kino wird nicht leicht: Ihr Kurzfilm hat zwar international Anerkennung gefunden, in Ägypten jedoch nicht. Das Thema sexuelle Übergriffe ist tabu für die große Leinwand des Massengeschmacks.
Taras Hauptthema in ihren Filmen ist das Verhältnis der Geschlechter zu einander. Sie stellt den Menschen in den Straßen Fragen, die ihnen so noch nie gestellt wurden. Küssen vor der Ehe? Ja, Nein? Sie will Tabus aus der Zone des Schweigens an die Öffentlichkeit bringen. Vor allem das Thema sexuelle Belästigung, weil es aus ihrer Sicht in Ägypten viel zu sehr verharmlost wird: "Ich denke, dass die Gesetze wirklich einmal durchgesetzt werden müssen, um diese Männer zu stoppen, um sie zu bestrafen."
Autor: Alexander Stenzel, ARD Kairo
Stand: 24.01.2021 20:25 Uhr
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