So., 12.01.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Australien: Ausgebrannt im Feuersturm
Vor Weihnachten waren die Feuer auf Kangaroo Island ausgebrochen. Tagelang wüteten sie und ganz unter Kontrolle sind sie auch jetzt noch nicht. Wo das Feuer keine Nahrung mehr hat, bleibt der verkohlte Grund zurück und hunderte tote Schafe und Kängurus – verbrannt im größten Buschfeuer in der Geschichte der für sanften Tourismus und Landwirtschaft bekannten Insel.
Koalas mit Rauchvergiftung
Sie sind durch die Feuerhölle gegangen. Verbrennungen an Nase, Pfoten, Fell. Dazu Rauchvergiftungen. Normalerweise hat Sam Mitchell 15 Koalas in seinem Wildtier-Besucherpark auf Kangaroo Island, erzählt er mir. Im Moment sind es mehr als 100 und jeden Tag werden es mehr. "Bis vor zwei Nächten war 50 Prozent ihres Habitats auf der Insel noch in Takt. Aber die Feuer von Donnerstag auf Freitag haben noch mehr Fläche verbrannt. Jetzt müssen wir sehen, ob die Behörden einige auf das Festland bringen können. Aber da drüben brennt es ja auch noch."
Und schon fahren die nächsten vor. Shona Fisher und ihr Mann haben gleich eine ganze Familie in ihrem Anhänger. Kangaroo Island hatte bis vor kurzem eine extrem gesunde Koala-Population. Jetzt fürchten manche, dass 80-90 Prozent aller Koalas auf der Insel tot sind. "Die kommen aus dem Westen der Insel. Wir haben bisher 60 Koalas gefunden." "60? Wow? Das ist ja herzzerreißend." Natürlich, aber einer muss es machen. Da wo wir leben ist ja sonst keiner. Sie haben einfach auf dem Boden in der Asche gesessen."
Der Wildtierpark wird zur Tierklinik. Die Küche von Sams Café: plötzlich Behandlungszimmer. Tierärzte von der Insel und aus dem nahen Adelaide arbeiten hier im Schichtsystem. Kostenlos. "Der hier ist leider schon tot", sagt Doktor Funnell. Aber selbst, wenn er sie noch lebend auf den Tisch bekommt, muss der Veterinär rund ein Drittel aller neuen Patienten töten lassen. an manchen Tagen sogar die Hälfte. "Das hier hat nichts mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu tun" sagt Tierarzt Oliver Funnel. "Es ist schwer. Wir müssen entscheiden, welche Tiere eine Chance haben und welche nicht. Und dann müssen wir sie in die eine oder in die andere Richtung schicken. Das ist verdammt schwer."
Bis zu einer Milliarde toter Tiere
Verstärkung ist da. Garnett Hall, Veterinär und Reservist der Armee. Und ich kann ihm jetzt den nächsten Fall herüberreichen. Koala sind Buschfeuern besonders schutzlos ausgeliefert. Weil sie so langsam sind und nicht einfach wegrennen. "Er hat ein paar Verbrennungen hier und ein paar leichtere Verbrennungen dort, hier hat sich die Haut gelöst", erklärt Tierarzt Garnett Hall. "Da schmiere ich noch eine Betäubungscreme hin. Um sicher zu gehen, dass er auch wirklich nichts merkt. Und dann kann man ihn ganz in Ruhe richtig behandeln."
Nicht weit vom Wildtierpark entfernt: Kilometer über Kilometer verbrannte Erde. Soldaten durchstreifen das Gebiet. Sie sammeln hier tote Tiere ein: Verkohlte oder vom Rauch vergiftete Kängurus, Vögel und Koalas. Noch gibt es nur grobe Schätzungen darüber, wie groß der Schaden für die Tierwelt ist. Nach Hochrechnungen von Experten könnten mehrere hundert Millionen Tiere in den Flammen verendet sein. Manche sprechen sogar von mehr als 1 Milliarde. Hier auf Kangaroo Island fühlen sich diese Zahlen sehr real an.
Hoffen auf den Winter-Regen
Zurück in Sam Mitchels Wildtierpark: Es wird geklopft und gehämmert. Freunde von Sam bauen neue Gehege für die Koalas. Denn der Wildtierhüter glaubt, dass in den nächsten Wochen noch hunderte mehr Koalas in die Auffangstation gebracht werden. "Wir können sie nicht einfach so in die freie Wildbahn entlassen. Sie haben ja gerade keinen Lebensraum Es brennt da ja noch. Wenn der Winter-Regen kommt und die Bäume wieder wachsen, können wir sie hoffentlich wieder auswildern. Das ist zumindest der Plan."
Selbst Sams Haus – zurzeit eine Baby-Station, erfahre ich. Immer wieder kommen Freiwillige aus dem Ort vorbei, um zu füttern und kleine Waisen zu pflegen. Ob sich diese Koalas überhaupt wieder in die freie Wildbahn auswildern lassen, ist völlig offen. Könnten Menschen, so einen Koala hier einfach adoptieren und großziehen? Gibt es da Regeln? "Man muss in Australien eine Art Lizenz haben", sagt Phoebe Jones. "Denn das sind empfindliche Tiere. Man muss sich an sehr genaue Ernährungs- und Pflegepläne halten." Dieser kleine Koala hat Glück im Unglück gehabt. Zehntausende andere nicht. Die Koalas: Sie sind zu einem Symbol dieser Buschbrände geworden.
Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur
Stand: 13.01.2020 11:09 Uhr
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