So., 15.12.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Australien – Einwanderer ins Outback
Traditionell wollen Fachkräfte in die großen Städte, da aber gibt es schon genug. Deshalb steuert Australien mit immer neuen Auflagen die Ansiedlung von Einwanderern.
Erstmal in die Provinz, ist die Devise, denn dort wollen immer weniger Australier wohnen. Ein Portrait eines Dorfes im Outback, das dank der Einwanderer von den Philippinen jetzt wieder eine Zukunft hat.
Ausländische Fachkräfte fürs Land gesucht
Mitten im australischen Nirgendwo. Da wo die Stille besonders laut sein kann, hauchen Einwanderer einem kleinen Dorf neues Leben ein. Macarena vorm Schweinestall. Angefangen hat das mit Ihr: Marylin – eine der ersten Einwanderinnen aus den Philippinen. Und mit ihm: Tom – dem Arbeitgeber, der verzweifelt nach Angestellten suchte.
Wiegen, messen, pflegen. Veterinärassistentin Marylin ist für die Gesundheit von 5.000 Ferkeln zuständig. Den Job hat sie schon auf den Philippinen gemacht, nur war er dort viermal schlechter bezahlt. Ihre Familie konnte damit gerade so überleben. Deshalb betrat sie an einem kalten Herbsttag 2008 australischen Boden. "Ich hatte damals ziemlich gemischte Gefühle. Ich musste meine fünf Kinder zurücklassen. Mein Jüngster war gerade mal 11 Monate alt. Aber ich habe auch die Chance auf eine gute Zukunft gesehen. Schwer zu beschreiben, was damals alles in mir vorging."
Tom Smith hatte eine Anzeige in einer Zeitung in Manila geschaltet. Der Schweinezüchter suchte dringend Pfleger für seine 25.000 Tiere. Marilyn hat einen Bachelor und war bereit, ins Outback zu ziehen. Damit konnte sie relativ schnell ein Arbeitsvisum bekommen. Denn Australien sucht dringend ausländische Fachkräfte, die auf dem Land arbeiten wollen. "Das Tolle an den Philippinern ist: Sie sind gern Schweinezüchter, während der Beruf für Australier oft nur ein Notnagel ist. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt durchaus auch gute australische Arbeiter, aber wir bekamen einfach nicht genug."
Am Anfang standen noch Missverständnisse
Pünktlich um 10 Uhr Frühstückspause. Die Hälfte der Belegschaft sind inzwischen Philippiner, dazu ein paar internationale Backpacker. Es wird Mahjong gespielt, ein chinesisches Gesellschaftsspiel. Doch damals vor mehr als 10 Jahren gab es zunächst Missverständnisse auf beiden Seiten. Sprachlich und kulinarisch. "Einige Kollegen habe ich einfach nicht verstanden", erinnert sich Marilyn. "Dieser Akzent. Das hörte sich für mich an wie Vogelsprache. Da dringe ich manchmal noch heute einfach nicht durch." Und ihre Kollegin Gaile meint: "Ich war total entsetzt. Die haben Schweineblut und Gehirn ausgelöffelt wie einen Nachtisch. Und für mich, also, wie machen sie das nur?"
Schweine und Gartenzwerge vorm Haus der Fernandez. Inzwischen hat Marilyn die Familie nachgeholt. Auch Ehemann Richard arbeitet im Schweinestall. Karaoke ist auf den Philippinen eine Art Nationalsport. "Come on kids, sing with Dad!" Richard singt inzwischen nicht nur zu Hause. Sondern auch bei der philippinischen Fiesta, die sie jetzt einmal im Jahr veranstalten. Das hilft auch gegen das gelegentliche Heimweh. "Ich vermisse den Verkehr, wir haben in der Stadt gelebt. Ich bin in Manila aufgewachsen. Ich vermisse all die Geräusche einer Großstadt. Hier auf dem Land ist es ein bisschen zu ruhig, aber ok." Die beiden ältesten Kinder gehen inzwischen in Melbourne zur Uni. Und so oft es geht, holt Marilyn ihre Mutter aus Manila nach Pyramid Hill. Beim Duft gebratener Frühlingsrollen vermischen sich alte und neue Heimat. "Australier und Philippiner sind sich ähnlich, sehr familienorientiert. Das mag ich am meisten. Wir fühlen uns hier willkommen. Das ist unser Zuhause."
Integration der Einwanderer ohne Probleme
Richard hat heute noch einen Termin: Brandschutzübung bei der Freiwilligen Feuerwehr. Inzwischen sind sieben von 30 Mitgliedern Philippiner. Die Männer hier passen perfekt in das Einwanderungs-Konzept der Regierung. Denn künftig soll ein Teil der Neuankömmlinge mindestens drei Jahre auf dem Land gearbeitet und gelebt haben. Erst dann gibt es eine dauerhafte Arbeitsgenehmigung. Wir wollen etwas zurückgeben, sagt Richard, der nicht in seinen kühnsten Träumen gedacht hätte, mal in einem orangefarbenen Anzug im Outback zu stehen. "Es ist verdammt hart, o.k. Besonders wenn man in dieser Hitze steht. Man braucht echt viel Übung, um ein richtig guter Feuerwehrmann zu sein."
Inzwischen sind fast 20 Prozent der Einwohner Philippiner freut sich die Bürgermeisterin. Die Einwanderer haben nur Probleme gelöst und keine gemacht, erzählt uns Sheryl McKinnon. Sie haben niemandem auf der Tasche gelegen. Auch deshalb habe die Integration so gut geklappt. "Es war entscheidend, dass die Einwanderer schon einen Job sicher hatten, bevor sie hier ankamen. Sie konnten von Anfang an für sich selbst sorgen und sogar schon nach kurzer Zeit Geld leihen, um sich ein Haus zu bauen oder zu kaufen.
Es sind Frühjahrsferien: Ein paar Familien treffen sich zum Barbecue im Park. Die Hälfte der Einwanderer hat inzwischen die australische Staatsbürgerschaft. Sie hätten damit längst auch nach Sydney oder Melbourne umziehen können. "Aber Philippiner sind ein bisschen altmodisch – so wie meine Generation", sagt Schweinezüchter Tom. Deshalb passen sie so gut hierher. "Ich bin selbst total überrascht, was aus dem Ganzen geworden ist. Für mich war das damals ehrlich gesagt eine reine Geschäftsentscheidung. Es ist unglaublich, was sich daraus entwickelt hat.
Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur
Stand: 16.12.2019 12:50 Uhr
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