Mo., 24.04.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Bali: Digitale Nomaden im Urlaubsparadies
Leben im Paradies und trotzdem arbeiten. Es gibt einen ganzen Berufszweig, der sich das leistet: die sogenannten digitalen Nomaden. Sie brauchen vor allem eines: ein schnelles zuverlässiges Internet. Den Rest machen sie dann mit ihren Laptops. Weltweit gibt es im Netz ein Ranking der besten Plätze für digitale Nomaden.
Bali steht ganz oben bei den meist jungen Menschen, die als Dienstleister Computeranwendungen und Werbekampagnen entwickeln oder designen. Sie arbeiten da, wo andere Menschen gerne Urlaub machen möchten. Ach, noch eines ist wichtig für digitale Nomaden. Billig muss es sein, denn so verführerisch es auch klingen mag, ein regelmäßiges Einkommen haben die meisten nicht.
Philipp Abresch, ARD-Studio Singapur.
Sonne – wie Sand am Meer. Willkommen auf Bali. Das Ferien-Paradies für alle, die sich erholen wollen, entspannen, abschalten. Manche dagegen kommen zum Arbeiten. Und haben sich ihren Lebens-Traum gleich mitgebracht: Nie wieder in einem echten Büro sitzen. Arbeiten von unterwegs. Sharon kommt aus Amsterdam. Vor drei Monaten hat sie das Winterwetter hinter sich gelassen und sich auf gemacht nach Ubud auf Bali. "Ich habe mir ein Ziel vorgenommen. Ich will ein Startup gründen. Und Hier kann ich mich voll und ganz auf diese eine Sache konzentrieren. Ich bin hier jeden Tag. Ich arbeite mir den Arsch ab."
Das Büro im Handgepäck
Sie kommen aus der ganzen Welt, aus Amerika, Australien, Europa. Sie nennen sich Digitale Nomaden. Sie reisen von Ort zu Ort. Ihr Büro im Handgepäck: ein Computer und ein Telefon. Glücksritter, Visionäre, Ich-AGs im Muskelshirt. "Viele kommen und wollen was komplett Neues ausprobieren", meint David Abraham. "Wenn du in Berlin was auf die Beine stellen willst, dann kommst du schnell an deine finanziellen Grenzen. Aber hier in Bali mit einem Viertel der Kosten, da musst du nicht direkt Erfolg haben und kannst trotzdem super leben."
Bali ist weltweit zur ersten Adresse geworden für digitale Nomaden. Das Klima ist gut, nicht zu heiß, nicht zu kalt. Das Leben: günstig. Vielleicht 1.000 Euro im Monat. Wohnen, Essen, schnelles Internet und Moped inklusive. Vor allem nach Ubud zieht es die Nomaden. "Die digitalen Nomaden stellen uns vor ganz neue Herausforderungen", sagt Made Ari Sandya vom Tourismusverbund Ubud. "Sie sind keine Touristen, aber auch keine klassischen Unternehmer. Also mit welchem Visum zum Beispiel sollen sie hier arbeiten? Aber wir freuen uns, dass sie da sind. Die Nomaden bleiben viel länger als normale Touristen. Sie kommen oft bei den Einheimischen unter. Also wir haben alles was davon."
Virtuelle Meetings den ganzen Tag mit der ganzen Welt
Schreibtisch mit Reisfeld. Wer würde hier nicht gerne arbeiten? Im Hubud – wo man Arbeitsplätze stundenweise mieten kann – hier trifft Nomade auf Nomade. Du brauchst einen Fotografen? Einen Software-Entwickler? Einen Texter? Die Lösung sitzt vielleicht einen Schreibtisch weiter oder an der Kaffeebar. Patricia kommt aus Kanada, Andrew aus Australien. Die beiden sind seit drei Jahren auf Reisen – mit einem digitalen Bauchladen. Das Pärchen berät junge Unternehmer. Sie entwickeln Marken, von der Website bis zum Logo. Und alles von unterwegs. "Die meisten in der echten Welt verstehen nicht, was wir tun", meint Patricia Parkinson. "Die denken, wir sind auf ewig im Urlaub." Und Andrew Crichton ergänzt: "Meine Familie zu Hause fragt immer, wann gehst du wieder arbeiten?! Aber dann sage ich, hey, ich arbeite doch." Patricia und Andrew haben heute Besuch in ihrem outdoor-Büro. Allerdings per Skype. Tracy, eine Australierin. Auch sie ist digitale Nomadin. Und macht Geschäfte mit Andrew und Patricia. "Wenn du so zusammenarbeitest, dann öffnet sich Dir die ganze Welt. Ich habe meetings den Tag über mit Leuten in Bali, Kanada, Australien. Dir gehört die ganze Welt. Das ist doch toll."
Ein Büro aus Bambus: Steve Munroe hat mal als Minenräumer in Kambodscha gearbeitet. Vor knapp fünf Jahren hat er Hubud, einen coworking space, gegründet. Bald will er in ein neues Haus umziehen, schöner und grösser – für die vielen neuen Nomaden in Bali. "Es gibt immer weniger Menschen mit einer festen Anstellung. Das gibt ihnen überhaupt die Chance, mal was anderes auszuprobieren. Und hier in Bali treffen sie dann auf Leute, die genauso drauf sind. Engagiert und motiviert, die Dinge einmal anders zu machen."
Frei und selbstbestimmt – sein eigener Boss sein
Noch so ein Arbeitsplatz, im grünen Dschungel Balis. Patricia und Andrew haben einen neuen Auftrag ergattert. Jemand will Gefrierboxen im Internet verkaufen. Jetzt sollen die beiden die pinken Behälter voller Eis in Szene setzen. Ein Wettlauf gegen die tropische Sonne. "Wir arbeiten wahrscheinlich mehr hier als früher zu Hause", erzählt Patricia Parkinson. "Aber wir genießen das, die Freiheit. Du arbeitest ja nicht im Betondschungel. Sondern im richtigen Dschungel."
Wie lange ist das durchzuhalten – das Leben aus dem Koffer? Reisen planen, Flüge buchen. Abfliegen. Ankommen. Freunde finden. Und vor allem neue Kunden? Denn Sharon und all die anderen wollen ja am Ende auch Geld verdienen. "Wie viele scheitern? Ich würde nicht von Scheitern sprechen. Jeder hier lernt was", sagt David Abraham. "In Bali hast du Zeit. Wenn du weißt wo du hinwillst, kannst du wirklich was aufbauen hier. Und sonst, war es eben nur ein langer schöner Urlaub." Frei und selbstbestimmt – ist das die Zukunft der Arbeit? Man müsste die fragen, die aufgegeben haben. Aber die sind in Ubud nicht zu finden. Sie rollen sich längst in ihre warmen Decken im verregneten Brüssel oder in Bergisch Gladbach.
Stand: 14.07.2019 11:04 Uhr
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