So., 06.07.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Australien: Great Barrier Reef in Gefahr
Ein Traum in Türkisblau. Das Great Barrier Reef. Das Korallenriff der Superlative. 2300 Kilometer lang.
Der größte lebende Organismus unseres Planten. Ein Wunder der Natur, eine einmalige Schönheit über dem Wasser und unter der Oberfläche.
Ein Paradies für Taucher, das auch Tony Fontes in seinen Bann gezogen hat. Der Amerikaner kam vor 30 Jahren als Rucksacktourist nach Australien. Eigentlich wollte Tony nur ein paar Wochen bleiben, sich was dazu verdienen als Tauchlehrer. Doch er ist geblieben.
Tony Fontes, Tauchausbilder:
Auch die UNESCO hat das erkannt und das Great Barrier Reef zum Weltnaturerbe erklärt.
Unvorstellbar, dass in diesen geschützten Gewässern eine Schlammdeponie entstehen soll. Doch genau das ist geplant.
Wir sind unterwegs mit Cherry Muddle. Die Umweltaktivistin der australischen Meeresschutzgesellschaft zeigt uns Abbot Point, gerade mal 40 Kilometer von den Korallenriffen entfernt.
Der Kohlehafen an der Ostküste ist zum Schauplatz eines erbitterten Kampfes um die Zukunft des Korallenriffs geworden.
Cherry Muddle, Australische Meeresschutzgesellschaft:
Abbot Point – ein Megaprojekt: Hier sollen 120 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr verschifft werden.
Doch noch ist der Hafen zu klein. Der Plan: Vertiefen, ausbaggern! Und die Millionen Tonnen an Schlamm anschließend im Great Barrier Reef-Marineschutzpark entsorgen.
Cherry Muddle, Australische Meeresschutzgesellschaft:
Tauchenthusiast Tony Fontes fürchtet den Todesstoß für das Great Barrier Reef. Seit Jahren beobachtet er die schleichende Zerstörung unter Wasser.
Das Ökosystem ist äußerst sensibel: Klimawandel, Tropenstürme, Düngemittel aus der Landwirtschaft – all das macht den Korallen schon genug zu schaffen.
Und jetzt auch noch der Ausbau der Kohlehäfen. Die UNESCO ist besorgt und droht Australien damit, das Great Barrier Reef auf die rote Liste zu setzen.
Tony Fontes, Tauchausbilder in Airlie Beach:
Die Regierung hat den Hafenausbau in Abbot Point längst abgesegnet. Die umstrittene Entscheidung wurde hier gefällt, in Townsville, von der staatlichen Behörde zum Schutz des Korallenriffs.
Erst nach Wochen bekommen wir eine Zusage für das Interview. Der Treffpunkt – eher ungewöhnlich: Das Great Barrier Reef-Aquarium. Ein schöner Hintergrund für unangenehme Fragen.
Australiens oberster Korallenschützer überrascht mit seinem Ansatz: Statt über mögliche Gefahren, beschwört er lieber die Unbedenklichkeit der Hafenprojekte. Dabei gab auch in seiner Behörde Widerstand, doch die Bedenken wurden weggewischt.
Russell Reichert, Great Barrier Reef Marine Park Authority:
Ein kleiner Eingriff mit verheerender Wirkung - davon sind viele überzeugt, die davon leben, dass das Great Barrier Reef nicht weiteren Schaden nimmt.
Tony Brown setzt die Segel, um Touristen das Korallenparadies zu zeigen. Jedes Jahr wollen zwei Millionen das Riff sehen. Die Branche macht sechs Milliarden Umsatz.
Doch jetzt fürchtet Tony Brown um seine Existenz und einen Imageschaden für Australien.
Tony Brown, Tourismusveranstalter:
Tony Brown will sich diese Entscheidung nicht gefallen lassen. Er ist bereit zu kämpfen - mit ganz ungewöhnlichen Methoden. Sein Ziel: Die großen Banken dazu bringen, sich nicht an der Finanzierung der milliardenteuren Hafenprojekte zu beteiligen. Sein bislang größter Erfolg: Die Deutsche Bank und deren Zusage, den Hafenausbau bis auf weiteres nicht zu unterstützen.
Tony Brown, Tourismusveranstalter:
Australiens Kohleindustrie zeigt sich unbeeindruckt. Sie will weitere Mega-Minen erschließen, die Exporte nach Indien und China in den nächsten Jahren verdoppeln.
Schon jetzt exportiert kein Land der Welt mehr Kohle – ein Milliardengeschäft, das sich auch für die Regierung lohnt. Rund zwei Milliarden Dollar Abgaben zahlt die Kohleindustrie jedes Jahr an den Bundesstaat Queensland.
Kohleboom als Totengräber des Great Barrier Reefs. Das fürchten die Umweltschützer. Mit solchen Spots machen sie im Internet Stimmung gegen das Ausbaggern. Schildkröten, Fische und Delfine – plattgemacht von Kohlefrachtern: So düster sehen die Aktivisten die Zukunft am Riff! Die Kohle-Lobby spricht von einer Schmutzkampagne!
Michael Roche, Interessenverband Rohstoffindustrie (Queensland Resources Council):
Längst geht es um mehr als nur einen Hafen. Insgesamt sollen an der Ostküste fünf Standorte zu Megahäfen ausgebaut werden, alle in unmittelbarer Nähe des Great Barrier Reefs. Einer davon ist in Gladstone. Hier hat man schon vor drei Jahren mit dem Ausbaggern begonnen.
Die Folgen, die erlebt Mark McMillan täglich. Er ist Fischer in der dritten Generation und zeigt uns den neuen Kohleterminal. Um Platz für größere Frachter zu machen, wurden in Gladstone Millionen Tonnen Hafenschlick ausgebaggert und ins Meer gekippt.
Mark McMillan, Fischer:
Gleich gegenüber entsteht eine der weltgrößten Anlagen zum Export von Flüssiggas. Dort, wo bald Gasfrachter anlegen werden, hat Marc Milan früher seine Netze ausgeworfen. Jetzt kämpft er um seine Existenz, denn das Ökosystem in Gladstone hat sich bis heute nicht erholt: Diese Lachse haben Rote Augen und Blutergüsse – unverkäufliche Ware.
Sein Verdacht: Aufgewühlte Schwermetalle im Hafenboden haben die Fische krank gemacht. Doch Hafenbetreiber und Industrie bestreiten bis heute jede Verantwortung.
Mark McMillan, Fischer in Gladstone:
Trotz allem - der Hafenausbau soll weitergehen. Umweltschützerin Cherry Muddle befürchtet ein zweites Gladstone, wenn nicht schnell ein Umdenken einsetzt.
Cherry Muddle, Australische Meeresschutzgesellschaft AMCS:
Das Weltnaturerbe zeigt sich scheinbar unbeeindruckt, doch unter der Oberfläche ist das Ökosystem schon lange aus dem Gleichgewicht.
Im Kampf gegen Klimawandel und Kohle sind die Korallen ein schwacher Gegner. Und bislang hat sich in Australien immer noch die Rohstoffindustrie durchgesetzt.
Autor: Norbert Lübbers / ARD Singapur
Stand: 05.01.2015 09:21 Uhr
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