So., 03.11.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
China: Zurück zu Mao? Propaganda statt Reformen
Der chinesische Traum gedruckt in Millionenauflage, modernes Design mit traditionellen Elementen. Propaganda in China hat ein neues Gesicht. Die Aussage: „Mein Traum ist Chinas Traum" – oder umgekehrt.
Die Botschaft soll den Zusammenhalt von Partei und Volk wiederherstellen, sie ist das große Motto, unter das Präsident Xi Jinping seine Regierungszeit gestellt hat. Es ist überall.
Die Dauerberieselung mit politischen Parolen ist in China nicht ungewöhnlich, das Wort Traum lässt aber viel Spielraum, denn die Chinesen haben längst eigene Vorstellungen – auch solche, die die Partei nicht gerne hört.
Eine Frau:
Eine andere Frau:
Ein Mann:
Die Hoffnung auf politische Reformen, die einige nach dem Amtsantritt von Präsident Xi gemacht hatten, hat die Partei allerdings schnell zunichte gemacht und die Zügel wieder angezogen. Seit ein paar Wochen treibt die chinesische Politik zurück zu Mao und Marx.
Zhang Qianfan, Juraprofessor Peking-Universität:
Die Hauptnachrichten im Staatsfernsehen: Jeden Abend um 19 Uhr verkünden die Moderatoren von CCTV wichtige Entscheidungen der Partei, berichten vom Tagesablauf der Top-Kader: Vor einem guten Monat – Xi Jinping eröffnet in der Provinz Hebei eine neue Kampagne: Die Kommunistische Partei müsse sich einer Kritik- und Selbstkritik unterziehen, vor allem um die Korruption zu bekämpfen, die sie beim Volk so unbeliebt macht. Der Parteisekretär, der Gouverneur, die hohen Provinzkader – sie alle müssen sich nun gegenseitig beschuldigen – Erinnerungen an Maos Massenkampagnen werden wach.
Ai Wenli, Leiter Propagandaabteilung Hebei, bei einer Kritik-Selbstkritik-Sitzung:
Zhou Benshun, Parteisekretär Hebei, bei der Kritik-Selbstkritik-Sitzung:
Yang Chongyong, Vizegouverneur Hebei, bei einer Kritik-Selbstkritik-Sitzung:
Yang Jisheng, Journalist und Buchautor:
Die Kulturrevolution der 60er und 70er Jahre: Personenkult um Mao. Während die roten Garden ihrem Führer huldigen, werden Rivalen aus der Partei, Intellektuelle und vermeintliche Klassengegner stunden-, tage-, manchmal wochenlangen Sitzungen unterzogen. Die Opfer wurden erniedrigt, nicht selten geschlagen, einige getötet. Kritik- und Selbstkritik hieß die Methode damals – so heißt sie heute wieder. Das macht vielen Menschen in China Angst.
Nationalfeiertag auf dem Tiananmen-Platz vor einem Monat – die Führung des Landes ehrt die Helden der Revolution. Kritik an Mao, an der blutigen Geschichte der Partei ist unerwünscht. Im Gegenteil – die Ideologisierung der Politik mit Begriffen aus der Mao-Zeit blüht. Was bringt der Kommunistischen Partei dieser Links-Schwenk nach Jahren der wirtschaftlichen Reformen?
Kerry Brown, China Studies Centre, University of Sydney:
Nicht nur die Partei, auch das Internet und die Medien werden stärker kontrolliert. Blogger wurden verhaftet, ein neues Gesetz erlassen, das das Verbreiten von Gerüchten im Internet unter Strafe stellt.
Der Journalismus, der in China durchaus sehr kritisch sein kann, wird ebenfalls ins Visier genommen: 250.000 Journalisten müssen an Marxismus-Schulungen teilnehmen – Voraussetzung für ihre neue Pressekarte.
In den Hauptnachrichten des Staatsfernsehens wird der ideologischen Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter ein ganzer Beitrag gewidmet. Parteimitglieder dozieren dort über Marxismus und den Sozialismus chinesischer Prägung – das Ziel:
Yang Jisheng, Xinhua-Mitarbeiter i. R.:
Präsident Xi Jinping konsolidiert seine Macht, indem er die Kontrolle erhöht - mit Hilfe der Ideologie. Die Korruption in der Partei will er bekämpfen, unabhängige Recherchen darüber aber verhindern.
Zhang Qianfan, Juraprofessor Peking-Universität:
Wie der chinesische Traum mit Inhalt gefüllt wird, bleibt Deutungsmacht der Partei. Zu Hause aber sind die Gedanken frei und jeder träumt seinen eigenen Traum.
Autorin: Ariane Reimers, ARD-Peking
Stand: 15.04.2014 10:53 Uhr
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