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China: Zurück zu Mao? Propaganda statt Reformen

CHINA: Zurück zu Mao? Propaganda statt Reformen | Bild: Das Erste
Propagandaplakat in der Presse
Propagandaplakat in der Presse | Bild: BR

Der chinesische Traum gedruckt in Millionenauflage, modernes Design mit traditionellen Elementen. Propaganda in China hat ein neues Gesicht. Die Aussage: „Mein Traum ist Chinas Traum" – oder umgekehrt.

Die Botschaft soll den Zusammenhalt von Partei und Volk wiederherstellen, sie ist das große Motto, unter das Präsident Xi Jinping seine Regierungszeit gestellt hat. Es ist überall.

Die Dauerberieselung mit politischen Parolen ist in China nicht ungewöhnlich, das Wort Traum lässt aber viel Spielraum, denn die Chinesen haben längst eigene Vorstellungen – auch solche, die die Partei nicht gerne hört.

Eine Frau:

»Die Menschen sollten alle sagen können, was sie wollen. Und dann: Redefreiheit, gleiche Menschenrechte für alle.«

Eine andere Frau:

»Die Schere zwischen Arm und Reich sollte kleiner werden.«

Ein Mann:

»Das Leben sollte freier und demokratischer sein, vor allem demokratischer.«

Die Hoffnung auf politische Reformen, die einige nach dem Amtsantritt von Präsident Xi gemacht hatten, hat die Partei allerdings schnell zunichte gemacht und die Zügel wieder angezogen. Seit ein paar Wochen treibt die chinesische Politik zurück zu Mao und Marx.

Zhang Qianfan
Zhang Qianfan | Bild: BR

Zhang Qianfan, Juraprofessor Peking-Universität:

»Sie wollen die Gehirnwäsche der Massen fortführen, weil sie merken, dass sie schon weitgehend die Kontrolle über das Denken der Menschen verloren haben.«

Die Hauptnachrichten im Staatsfernsehen: Jeden Abend um 19 Uhr verkünden die Moderatoren von CCTV wichtige Entscheidungen der Partei, berichten vom Tagesablauf der Top-Kader: Vor einem guten Monat – Xi Jinping eröffnet in der Provinz Hebei eine neue Kampagne: Die Kommunistische Partei müsse sich einer Kritik- und Selbstkritik unterziehen, vor allem um die Korruption zu bekämpfen, die sie beim Volk so unbeliebt macht. Der Parteisekretär, der Gouverneur, die hohen Provinzkader – sie alle müssen sich nun gegenseitig beschuldigen – Erinnerungen an Maos Massenkampagnen werden wach.

Ai Wenli, Leiter Propagandaabteilung Hebei, bei einer Kritik-Selbstkritik-Sitzung:

»Letztes Jahr bei der Parteifeier zum Frühlingsfest haben wir 400.000 Euro nur für die Künstler ausgegeben. Das war Verschwendung.«

Zhou Benshun, Parteisekretär Hebei, bei der Kritik-Selbstkritik-Sitzung:

»Genosse Tian Hanli stellt sein eigenes Handeln immer besonders heraus, um sich bei der Führungsspitze beliebt zu machen.«

Yang Chongyong, Vizegouverneur Hebei, bei einer Kritik-Selbstkritik-Sitzung:

»Wir haben für den Kauf und die Reparaturen unserer Autos 80 Prozent des Budgets ausgegeben, insgesamt 50 Millionen Euro.«

Yang Jisheng
Yang Jisheng | Bild: BR

Yang Jisheng, Journalist und Buchautor:

»Diese Kritik- und Selbstkritiksitzungen sollen Probleme lösen, Probleme innerhalb des bürokratischen Apparats wie Korruption, Machtmissbrauch und so weiter. Aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Kampagne wirklich helfen kann. Diese Ideen aus der Mao-Zeit sind Jahrzehnte alt. Wenn sie heute werden rausgekramt werden, in einer völlig veränderten Welt, wie sollen sie da überhaupt funktionieren?«

Die Kulturrevolution der 60er und 70er Jahre: Personenkult um Mao. Während die roten Garden ihrem Führer huldigen, werden Rivalen aus der Partei, Intellektuelle und vermeintliche Klassengegner stunden-, tage-, manchmal wochenlangen Sitzungen unterzogen. Die Opfer wurden erniedrigt, nicht selten geschlagen, einige getötet. Kritik- und Selbstkritik hieß die Methode damals – so heißt sie heute wieder. Das macht vielen Menschen in China Angst.

Nationalfeiertag auf dem Tiananmen-Platz vor einem Monat – die Führung des Landes ehrt die Helden der Revolution. Kritik an Mao, an der blutigen Geschichte der Partei ist unerwünscht. Im Gegenteil – die Ideologisierung der Politik mit Begriffen aus der Mao-Zeit blüht. Was bringt der Kommunistischen Partei dieser Links-Schwenk nach Jahren der wirtschaftlichen Reformen?

Kerry Brown
Kerry Brown | Bild: BR

Kerry Brown, China Studies Centre, University of Sydney:

»Sie wollen Ideologie als ihre gemeinsame Sprache. Ich denke nicht, dass sie daran wirklich glauben. Und wir werden wohl auch keine Kampfsitzungen und Säuberungen erleben. Es geht um Loyalität und Gehorsam in den Toprängen der Partei.«

Nicht nur die Partei, auch das Internet und die Medien werden stärker kontrolliert. Blogger wurden verhaftet, ein neues Gesetz erlassen, das das Verbreiten von Gerüchten im Internet unter Strafe stellt.

Der Journalismus, der in China durchaus sehr kritisch sein kann, wird ebenfalls ins Visier genommen: 250.000 Journalisten müssen an Marxismus-Schulungen teilnehmen – Voraussetzung für ihre neue Pressekarte.

In den Hauptnachrichten des Staatsfernsehens wird der ideologischen Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter ein ganzer Beitrag gewidmet. Parteimitglieder dozieren dort über Marxismus und den Sozialismus chinesischer Prägung – das Ziel:

Yang Jisheng, Xinhua-Mitarbeiter i. R.:

»Ihnen wird beigebracht, wie sie den Worten der Partei am besten Folge leisten, wie man richtige Propagandaarbeit macht und dass man negative Berichte vermeidet. Die Partei soll darin immer gut abschneiden, Kritik an der Regierung sollen die Journalisten vermeiden.«

Präsident Xi Jinping konsolidiert seine Macht, indem er die Kontrolle erhöht - mit Hilfe der Ideologie. Die Korruption in der Partei will er bekämpfen, unabhängige Recherchen darüber aber verhindern.

Zhang Qianfan, Juraprofessor Peking-Universität:

»Natürlich hofft die Partei, dass sie etwas gegen die Korruption machen kann. Aber das größere Problem ist doch: Jeder in so einem System ist korrupt – und wenn die Kader zu genau gucken, dann könnten sie am Ende selbst in dem Feuer verbrennen, das sie entfacht haben.«

Wie der chinesische Traum mit Inhalt gefüllt wird, bleibt Deutungsmacht der Partei. Zu Hause aber sind die Gedanken frei und jeder träumt seinen eigenen Traum.

Autorin: Ariane Reimers, ARD-Peking

Stand: 15.04.2014 10:53 Uhr

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