So., 03.11.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Iran: Neue Töne aus Teheran - Was will Rohani?
"Down with the USA – Nieder mit den USA" fordert dieser Slogan samt Bemalung bereits seit Jahrzehnten an dieser Hausfassade mitten im Zentrum Teherans.
Und seit Jahrzehnten brüllen Konservative "Nieder mit den USA" und "Nieder mit Israel" wie hier beim Al Quds, dem jährlichen Jerusalem-Tag. Zum Bruch mit Amerika kam es 1979 nach dem Sturz des Schahs, mit der islamischen Revolution.
Damals mittendrin der heute 58-jährige Ebrahim Asgharzadeh, einer der Drahtzieher der Revolution.
Er zeigt uns die alten Fotos: Ebrahim, damals als Student mit Bart, neben dem Revolutionsführer Ajatollah Khomeni. Auf einem anderen Foto im selben Raum der junge Ahmadinedschad.
Ebrahim Asgharzadeh:
Am 4. November 1979 stürmten Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 52 Diplomaten als Geiseln. 444 Tage dauerte die Geiselnahme. Mehrere Vermittlungsversuche scheiterten. Die Übergangsregierung wurde ausgewechselt und Ajatollah Khomeini hatte die absolute Macht. Seitdem werden die USA und Israel als Satan verunglimpft. Was von den Studenten als kurzer Coup geplant war, endete in der Isolation für Iran. Asgharzadeh war damals der Pressesprecher der Studenten.
Heute arbeitet er als Berater und sieht die Geiselnahme mit ganz anderen Augen. Zusammen mit einem Filmproduzenten will er "die Zeit des Terrors" - wie er es nennt - aufarbeiten; so wie es in Deutschland mit dem Film "Baader Meinhof Komplex" gemacht wurde.
Ebrahim Asgharzadeh:
Jetzt, so scheint es, sind selbstkritische Filme möglich.
Seyyed Jamal Sadatian, Kinobesitzer und Filmproduzent:
Die Erwartungen an den moderaten Kleriker Rohani sind hoch! Dabei steht Irans neuer Präsident mächtig unter Druck: In der Atomfrage muss er Erfolge vorweisen, denn nur so könnte ein Teil der Sanktionen wegfallen, unter denen das Land ächzt.
Das Telefonat mit Obama war nur ein erster Schritt, wenn auch ein wichtiger. Innenpolitisch versprach der 64-jährige Rohani die Menschenrechte zu stärken, politische Gefangene freizulassen, Beschränkungen im kulturellen Bereich aufzuheben und auch für mehr Pressefreiheit einzutreten.
Die Redakteure bei der moderaten Zeitung "Etemad" sind nur verhalten euphorisch. Erst vergangene Woche wurde auf Druck der Konservativen im Parlament wieder eine Reformzeitung geschlossen. Viele der Journalisten saßen selbst schon im Gefängnis. Kaum einer mag offen reden.
Bei Etemad arbeitet die Fotojournalistin Maryam Madjd. Auch sie war 32 Tage im Gefängnis. Der Grund: Sie wollte ein Frauenfußballspiel fotografieren.
Maryam Madjd, Fotojournalistin:
Die Hoffnung auf Wandel teilen auch die meisten Studenten der Rechts- und Sozialwissenschaften, die spät abends gekommen sind, um mit dem Zeitzeugen Ebrahim Asgharzadeh zu diskutieren. Er berichtet über das Drama von 1979 und wie wichtig es ist, sich heute mit Amerika wieder auszusöhnen.
Ein Student:
Und diese Gruppen sind neben den Konservativen im Parlament, die Revolutionsgarden und die Basitschmiliz. Sie verwalten das verlassene Gebäude der US-Botschaft.
Wir bekommen eine der seltenen Drehgenehmigungen für das Gelände. Am Eingang, quasi als Triumph über den Feind, Teile des abgestürzten Helikopters bei einer missglückten Befreiungsaktion.
Innen erklärt der Führer, selbst Mitglied der Studentenorganisation der Basitsch, das Wesen des Feindes. Alles klingt wie indoktriniert und auswendig gelernt, wenn er über die Imperialisten und die Zionisten spricht.
"Hier“, sagt er, "durch diese Türe durften nur Mitarbeiter der CIA gehen.“ Mitten ins Zentrum des Spionagenests, wie es im Iran genannt wird. Und fein säuberlich, als wäre die Zeit stehengeblieben, ein gläserner abhörsicherer Raum. In anderen Räumen, Telefon- und Telefaxabhöreinrichtungen und sogar eine Passfälscherwerkstatt. Seit Jahren wird das Museum gepflegt und als Propagandainstrument gegen die USA verwendet.
Ins Museum wollte uns Ebrahim Asgharzadeh nicht begleiten. Schließlich gehört er heute zu den moderaten Kräften im Land, die eine Aussöhnung mit Amerika wollen, sogar vorantreiben.
Ebrahim Asgharzadeh:
Erst vor wenigen Tagen haben Gegner Rohanis neue antiamerikanische Plakate aufgehängt. Doch auf Anordnung der Regierung wurden sie schnell wieder entfernt. Der neue Präsident hat auch im eigenen Land mit vielen Widerständen zu kämpfen. Zulange wurde das Feindbild in den Köpfen der Menschen gepflegt. Doch die Mehrheit der Iraner hofft, dass auch bald die große Bemalung an der Hausfassade verschwindet und Iran und die USA wieder normale Beziehungen haben werden. Dann wären die Wege nach Europa auch wieder geebnet.
Autor: Martin Weiss, ARD-Teheran
Stand: 15.04.2014 10:53 Uhr
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