So., 26.05.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Griechenland: Behördenreform – eine Mogelpackung?
Ein schweres Schloss, eine massive Gittertür und dahinter ein dunkler leerer Gang. Wir sind im Athener Viertel Dafni und betreten das ehemalige Nationale Zentrum für Gold- und Silberschmiedekunst, kurz ELKA genannt. Es unterstützte Handwerksbetriebe mit Qualitätstests und Fortbildung.
In Februar 2012 war per Parlamentsbeschluss das Aus von ELKA beschlossen worden. Ein wichtiger Reformschritt, von dem ich mich gemeinsam mit der Rechtsanwältin Konstantina Fountea überzeugen möchte.
Nur – überall stehen noch Computer, das Faxgerät ist an, ein Becher mit einem Rest Wasser….das sieht doch eher nach einer Mittagspause der Beschäftigten aus? Und - ich finde auch das Büro der Buchhaltung. Einiges scheint da liegen geblieben und wartet noch auf Erledigung - oder? Ich bin ein wenig überrascht und suche Rat bei der Rechtsanwältin:
Das zuständige Ministerium für Entwicklung hat vor einem Jahr die Mitarbeiter nach Hause geschickt, jede Gehaltsüberweisung gestoppt, keine Rechnungen mehr bezahlt. Die Mitarbeiter verklagten den Staat, fordern ihr Geld und den Arbeitsplatz.
Anwältin Fountea erreichte dann etwas für Griechenland unerhörtes: Ein Athener Gericht erließ zugunsten der Mitarbeiter einen Pfändungsbeschluss – für das ganze Gebäude nebst Inventar.
Im Zentrum Athens haben wir uns mit einem Teil der acht Mitarbeiter des Instituts in der Kanzlei der Anwältin verabredet. Beamten mit unbefristeten Arbeitsverhältnissen, die entlassen werden sollen - das ist ein Präzedenzfall für Griechenland. Vielleicht blieb deshalb die ordentliche schriftliche Kündigung durch das Ministerium aus? Die Betroffenen haben nur über das Internet vom Aus ihrer Behörde erfahren.
Schon vor zwei Jahren kritisierte ein internes Papier der griechischen Verwaltung, dass die Ministerien Gesetze zur Reduzierung von Behörden ignorierten. Wirtschaftlichkeitsstudien, Kooperationsmodelle oder Nutzungsprofile von Behörden würden nicht erstellt. Sozialpläne gäbe es nicht.
Es ist kostbare Zeit, die der Chemiker Elias nicht mehr hat. Er läuft sich den Frust von der Seele - täglich drei Stunden. Danach Gewichte stemmen, anschließend zurück nach Hause, das zweijährige Kind versorgen, denn seine Frau ist nach einer Operation noch ans Bett gefesselt.
"Es ist ein Alltag, für den ich mich schäme“, sagt Elias, als wir ihn im Haus seiner Eltern besuchen. Denn mit 47 Jahren sei er wieder ein bedürftiges Kind geworden. Bei ELKA hat er 1500 Euro netto verdient. Jetzt erhält er 430 Euro Überbrückungshilfe vom Arbeitsamt für Frau, Kind und noch zwei Kindern aus erster Ehe.
Profitieren tut sein Staat: Denn er muss Elias Gehalt nicht mehr bezahlen, vermeldet seinen wegreformierten Arbeitsplatz und die geschlossene Behörde als Reformschritt. Elias stinkt das gewaltig.
Probleme, wohin man schaut, und ein Staat, der mit ihnen zu spielen scheint. Elias und seine Eltern resignieren.
Einen Tag nach unserem Besuch der vermeintlich geschlossen Behörde taucht dieser bärenstarke Beamte vom Finanzministerium auf, einen Café Frappé immer in der Hand.
Anwältin Konstantina muss wegen des Pfändungsbeschlusses aufsperren. Sie hofft, es geht heute was voran. Aber die Herren hier wollen nur alte Ordner aus dem Keller holen.
Warum ist diese Behörde nicht geschlossen? Wer übernimmt ihre Arbeit? Wie will man Beamte aus dem Staatsdienst entlassen, ohne zu kündigen? Wir haben das Ministerium für Entwicklung um ein Interview und Beantwortung schriftlicher Fragen gebeten – leider vergeblich.
Anwältin Konstantina und ihre Mandanten suchen hier beim Athener Gericht eine Zukunft für sich und Klarheit vom Staat, was er denn eigentlich will? Denn das Versprechen von Reformen könne doch am Ende nicht den Stillstand bedeuten.
Autor: Bernd Niebrügge, ARD Athen
Stand: 15.04.2014 11:16 Uhr
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