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Marokko: Weiberwirtschaft in Marrakesch

Marokko: Weiberwirtschaft in Marrakesch | Bild: BR
Zwei Frauen auf einem Markt
Einkauf fürs Restaurant | Bild: BR

Ein Gang über den Markt von Marrakesch ist immer auch ein Fest der Sinne, voller Farben und fremdartiger Gerüche. Myra und Saida Chab lieben den Soukh, hier bekommen sie Anregungen für ihre Arbeit.

Umtriebige Unternehmerinnen sind die Schwestern und richtige Pioniere: die beiden haben vor Jahren ein Frauen-Restaurant eröffnet.

»Wir sind das erste Restaurant in Marokko, das nur von Frauen geführt wird. Und wir wollen eine Inspiration für andere sein. Saida Chab, Restaurant Al Fassia«

Frauen in weißer Kleidung
Besprechung im Restaurant | Bild: BR

Und das ist das Restaurant "Al Fassia" in Marrakesch. Mitarbeitertreffen zum Wochenbeginn, und dabei wird sofort klar: Hier haben die Frauen das Sagen. Die über 40 Angestellten sind fast alle weiblich, und das in der Männerwelt Marokkos. Diese Auswahl hat Methode: Saida und Myra wollen gerade jungen Frauen aus kleineren Städten und Dörfern eine Chance geben.

»Marokkanische Frauen sind in der Lage, ein Hotel oder ein Restaurant erfolgreich zu führen. Das wollen wir zeigen, und auch ein anderes Frauenbild, nämlich ein fortschrittliches, ein weltoffenes. Saida Chab«

In der Küche werden die Speisen für den Abend vorbereitet: fein gewürztes Huhn, leckere Salate, dünne Fladenbrote. "Al Fassia" hat einen sehr guten Ruf.

Die 28-jährige Nawal Azizi kommt aus einer Bergregion. Sie lernt im Restaurant vor allem Selbstständigkeit – ganz im Sinne ihrer Chefin. Denn in Marokkos Provinz gelten andere Werte, dort werden immer noch Mädchen schon mit 14 oder 15 Jahren verheiratet.

»Es ist viel besser, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Das ist wie eine große Familie, und man lernt sehr viel schneller. Nawal Azizi«

Das Restaurant
Gäste im Restaurant | Bild: BR

Dann serviert sie am Abend Couscous und Tajine, während Geschäftsführerin Saida mit den Gästen parliert.

Männer sind in diesem Restaurant nur Randfiguren: Sie schleppen im Keller Kisten, arbeiten als Türsteher oder auch als Musiker. Doch die Hauptmusik spielen die Frauen, das hat sich herumgesprochen.

»Wir haben gehört, dass dies ein Frauenrestaurant ist. Und deswegen sind wir auch hierhin gekommen, aber vor allem natürlich der guten Küche wegen. Ein Gast«

»Mir macht es viel Spaß, mit Menschen aus dem Ausland zusammenzukommen. Dabei kann ich eine Menge lernen. Ich liebe das. Nawal Azizi«

Am nächsten Tag Großeinkauf: Das Lebensmitteldepot wird von einer Tante der beiden Schwestern geführt. In Marrakesch ist ein kleines Frauennetzwerk entstanden.

Vor zwei Jahren hat Marokkos König, Mohamed VI., erstmals die Gleichheit von Mann und Frau in der Verfassung festschreiben lassen – auch unter dem Eindruck der arabischen Revolution in den Nachbarländern. Doch die Realität bleibt eine andere, sagt Saida.

»Eine alleinstehende Frau in Marokko ist beileibe nicht selbstverständlich. Privat bleibt das schwierig, und auch als Geschäftsfrau muss man sich durchsetzen. Es ist schon sehr hart. Als Frau musst du besonders seriös wirken. Saida Chab, Restaurant Al Fassia«

Demonstration von Frauen
Demonstration von Frauen | Bild: BR

Auch in Marokko wehren sich Frauen mit Demonstrationen gegen die alltägliche Diskriminierung - sie protestieren gegen Missbrauch und häusliche Gewalt.

Bei den Frauenorganisationen fürchtet man, dass von den islamistischen Tendenzen in der Region auch Marokkos Gesellschaft betroffen sein wird. Das Land sei ohnehin gespalten, in einen modernen und einen sehr traditionellen Teil.

»Auf dem Land leiden Frauen besonders viel. Dort wird der Wert ihrer Arbeit überhaupt nicht geschätzt, sie werden einfach ins Haus verbannt. Zohra Sadik, Demokratische Liga für Frauenrechte«

Ahmed El Azizi
Ahmed El Azizi | Bild: BR

Die Atlas-Region rund die kleine Stadt Khenifra – von hier stammt Nawal Azizi, die im Frauen-Restaurant arbeitet. Die junge Frau besucht ihre Eltern. Da wirkt die westlich gekleidete Nawal schon ein wenig wie von einem anderen Planeten. Für ihre Familie ist es nicht einfach zu ertragen, dass die 28-Jährige immer noch unverheiratet ist und allein in der großen Stadt lebt. Der Druck der Traditionen lastet schwer.

»Am Anfang war es für mich sehr schwierig, meine Tochter gehen zu lassen. Sie wissen schon, die Nachbarn reden viel, aber was sollten wir denn machen: hier gibt es keine Arbeit. Ahmed El Azizi, Vater von Nawal«

Zurück nach Marrakesch. Am Abend wirkt der Hauptplatz in der Medina besonders magisch. Nawal ist wieder voll in ihrem Element. Eine richtige Schulausbildung hat sie nie gehabt, aber nun verdient sie ihr eigenes Geld und geht ihren eigenen Weg. Das ist den Frauen von „Al Fassia“ wichtig.

»Voilà, genau das streben wir an: Wir wollen, dass sich die Lage der marokkanischen Frauen in unserer Gesellschaft ändert. Dazu will ich meinen Beitrag leisten. Saida Chab«

In der Männerwelt Marokkos wird dies ein langer Weg sein. Noch wirkt das Frauen-Restaurant von Marrakesch wie eine Oase in der Wüste.

Autor: Stefan Schaaf, ARD Madrid

Stand: 15.04.2014 11:16 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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