Irak: Der Mann, der ein IS-Massaker überlebte

»Das bin ich. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher; nein ich bin mir sogar zu 1000 Prozent sicher.«

»Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Wir haben nichts: Keine Arbeit, keinen Lohn, kein Land. Deshalb ging ich zur Armee.«

»Wir wussten, dass sie auch zu uns kommen würden. Um die Moral unserer Truppen war es nicht gut bestellt.«

»Wir zogen die Uniformen aus, bevor wir das Lager verließen.«

»Etwa 100 von ihnen kamen auf uns zu. Sie sagten: "Wir tun Euch nichts. Wir bringen euch zu euren Familien." Aber sie haben uns reingelegt. Sie haben uns auf Autos aufgeladen und sind losgefahren. Wir konnten uns nicht wehren. Auf jedem ihrer Wagen standen zwei, drei Bewaffnete. Wenn du dich bewegtest, wurdest du erschossen.«

»Die Leute ganz unten sind schon tot. Ich schwöre, die kamen so heraus – mit schlaffen Armen, tot. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Sie wiesen uns an, unsere Regierung zu verfluchen; wir sollten sagen, dass unser Premier Maliki für all das verantwortlich ist.«

»Das war meine Gruppe - ich bin nicht mit im Bild. Jeder musste sich am T-Shirt des Vormanns mit den Zähnen festhalten. "Beiß zu, beug dich runter und lauf." Wir mussten uns so hinsetzen: im Todessitz. Eins, zwei, drei – ich war der vierte in der Reihe. Als ich mich umwandte, sah ich, dass der erste einen Kopfschuss hatte. Das Blut schoss heraus. Ich dachte, das ist das Ende für mich. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Ich musste an meine Familie denken. Ein schlimmes Gefühl: Wer wird für sie sorgen? Was wird nun aus Ihnen?«

»Er erschoss den ersten, den zweiten, den Dritten und dann kam er zu mir. Ich schwöre, er hat geschossen. Aber ich weiß nicht, wohin die Kugel ging. Der Mann links von mir fiel zu Boden und der Mann rechts von mir fiel um. Da war Blut auf mir und ich fiel auch um. Mein Kopf lag so, der Mund offen, blutbeschmiert, überall Fliegen um mich rum. Dann habe ich dieses Auge geöffnet. Und ich kann mich jetzt noch an seinen Schuh erinnern. Dann wurde es dunkel.«

»Ich bin Richtung Fluss gelaufen, mit gefesselten Händen – so. Aber so richtig laufen konnte ich nicht.«

»Da sah ich einen Mann aus dem Wasser kriechen. Er war selbst tödlich verwundet, konnte sich kaum bewegen. Aber er konnte meine Handfessel mit einer Muschel durchtrennen.«

»Er wollte nichts essen. Wenn ich einen Wurm fand, riss ich ihm den Kopf ab und hab ihn gegessen. Am dritten Abend hab ich mir gesagt: "Jetzt muss ich auf die andere Seite rüber." Er sagte: "Gott sei mit dir. Vergiss mich nicht und erzähle den Leuten, was passiert ist."«

»Ich habe es drei oder vier Mal versucht, aber die Strömung zog mich immer wieder zum ISIS-Wachposten zurück. Ich bin nicht so durch den Fluss geschwommen, sonst hätten sie mich gesehen. Ich hatte das Wasser nur bis da, hab nur die Beine bewegt.«

»Wenn du da lang gehst, töten sie dich. Wenn du hier bleibst, töten sie dich. Wenn du die Brücke nimmst, töten sie dich. Du bist tot, so oder so.«

»Aber sie waren anständige Sunniten, nicht wie die ISIS. Ich bin drei Tage geblieben, dann erfuhr die ISIS von mir. In der dritten Nacht kamen sie mich suchen, mit Autos und Motorrädern. Aber sie wussten nicht, in welchem Haus ich war. Am Morgen brachte mich die Familie nach Al-Aham.«

»Meine zweijährige Tochter hat mich nicht wiedererkannt und ist schreiend weggerannt. Und dann brach ich zusammen.«