So., 01.12.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Irland: Der EU-Rettungsschirm wird zugeklappt
In der Bucht von Dublin baut Brian McKeon. Er meint, mit Irland geht es aufwärts.
Brian McKeon:
Matthew Baston packt für ein Leben in Australien.
Matthew Baston:
Eine Insel der gemischten Gefühle. Das Gras ist grüner anderswo, sagen die einen. Die anderen bauen auf Irland.
Unternehmer Brian McKeon errichtet in der irischen Hauptstadt Wohnungen. Sein Business boomt wieder. Das hat eine gewisse Ironie. Die Baubranche steht für Irlands Finanzkollaps. Banken verteilten massenweise Kredite an zockende Spekulanten. Als die Blase platzte, stand auch Brians Firma am Abgrund.
Brian McKeon, Bauunternehmer:
Jetzt hämmern und mauern hier bald wieder 150 Leute. Wir haben die Kurve gekriegt, sagt Brian optimistisch.
Er hat noch mehr Baustellen. Auf dem Weg sehen wir Investitionsruinen der Krise. Diese Geisterstädte will keiner mehr, weil sie zu lange leer stehen. Baut Brian eine neue Spekulationsblase auf?
Brian McKeon:
Brians Konzept scheint realistisch. 20 Häuser verkaufter er hier in nur zwei Wochen. Im Musterhaus begrüßt er zwei neue Interessenten: Verwaltungsangestellte Niamh Kelly und ihre Schwester Emma. 320.000 Euro kostet das Haus. Die beiden haben Arbeit und konnten sparen.
Niamh und Emma Kelly:
Die Aussichten sind für viele andere im 4,5 Millionen-Volk ungewiss. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 13 Prozent. Die Rezession ist noch sichtbar.
Matthew Baston kann sich kein eigenes Haus leisten. Der 25-Jährige wohnt bei den Eltern, besser gesagt, wohnte, denn er wandert nach Australien aus. Der ausgebildete Sportlehrer findet keine Stelle.
Matthew Baston:
Der Pass ist bereit. Das Visum hat er und das Flugticket auch. Für Mutter Maria heißt es wieder Abschied. Schon die ältere Tochter ging nach Australien. Nun also auch ihr Sohn Matthew.
Maria Baston:
Alle sechs Minuten verlässt jemand Irland laut Statistik. Vor dem Parlament protestiert die Jugend. Auf 100 Euro die Woche kürzte der Staat die Sozialhilfe für unter 26-Jährige. Diese jungen Leute wollen sich nicht vertreiben lassen.
Moira Murphy, "We’re not leaving“-Kampagne:
Der Staat vergrault Bürger mit Sozialkürzungen. Den Konzernen öffnet er die Tür. Facebook und Co werden mit 12,5 Prozent Unternehmensteuer gelockt. Das lässt Irlands Puls wieder steigen, sagt Analystin Fiona Hayes. Sparkurs und Steueranreize gefallen Investoren.
Fiona Hayes, Analystin "Cantor & Fitzerald“:
Den Euro-Rettungsschirm braucht Irland nicht mehr, sagt sie.
Fiona Hayes:
Doch vor der Suppenküche wird die Schlange länger. Es kommen viele Obdachlose. Doch Kapuzinermönch Kevin sieht mehr und mehr Leute, die Arbeit haben, aber sich kein Essen leisten können. 500 Mahlzeiten verteilen sie hier mittags.
Bruder Kevin Crowley, Kapuzinermönch:
Das Ausverkauft-Schild ist ein Zeichen des Aufschwungs für Brian McKeon. Neben den 20 verkauften Häusern baut er schon die nächsten. Es geht Schritt für Schritt aus der Krise, sagt er und meint, seine Firma genau wie Irland: Bescheiden, aber wieder selbstbewusst.
Brian McKeon:
Für Matthew ist es nicht gut genug. Er will nicht warten. Mit einer Freundin geht er nochmal in den Lieblingspub. Auch die Freundin lässt die Heimat hinter sich. Die Lehrerin fühlt sich von Irland im Stich gelassen.
Sinnead Walsh:
Schon bald brechen die beiden nach Australien auf. Das Guinness wird er vermissen, sagt Matthew, und natürlich die Familie.
Matthew Baston:
“Wir hatten Träume“, singen die beiden das alte irische Lied. Ihre Träume erfüllen sich die jungen Iren anderswo.
Autor: Frank Jahn / ARD London
Stand: 15.04.2014 10:38 Uhr
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