So., 13.01.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Israel: Rechte Hardliner rangeln um die Macht
Bisher waren sie siegessicher: Minister des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu beim Start der heißen Wahlkampfphase letzten Dienstag.
Plötzlich kommen Wahlspots des rechten Newcomers Naftali Bennett im Fernsehen. Der Konkurrent Netanjahus schießt mit seiner Partei "Jüdisches Heim" in den Umfragen nach oben - auf Kosten der Likud-Partei Netanjahus.
Die Mienen der Anwesenden: Versteinert.
Leichter gesagt als getan.
Natali Bennett auf Wahlkampftour im Norden Israels: Bisher war die Grenzstadt Beit Shean fest in der Hand des Likud. Doch die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, die Armut nimmt zu. Deshalb setzen viele hier ihre Hoffnung auf Bennett. Auch Rafi Ben Schitrit. Der ehemalige Netanjahu-Ortschef will jetzt Bennett wählen.
"Etwas Neues beginnen" – diesen Song spielen sie bei jeder Bennett-Veranstaltung in diesen Tagen. Und großspurig wird ein "israelischer Frühling" angekündigt.
Doch wer ist dieser Naftali Bennett?
Nur Insider kannten bisher den Sohn amerikanischer Einwanderer: 40 Jahre alt, stramm rechts, siedlerfreundlich. Früh reich geworden durch den Verkauf der eigenen Software-Firma.
Der ehemalige Elitesoldat kämpfte in den Libanonkriegen und war Bürochef von Netanjahu, bis er sich 2008 mit ihm zerstritt. Nun greift er seinen ehemaligen Chef an.
"Wir fühlen uns für alle Probleme Israels verantwortlich. Wenn wir uns nur für unsere Wähler verantwortlich fühlen würden, gäbe es unsere Partei bald nicht mehr. Wir sind die Mitte Israels, wir sind die Partei Israels.“ Naftali Bennett
"Viele Jahre lang sind die Siedler ausgegrenzt und aus der Gesellschaft ausgestoßen worden. Alle Politiker haben immer gesagt: Ihr Siedler seid das Problem. Ihr haltet uns vom Frieden ab. Bennet sagt nun: ‚Die Wirklichkeit ist anders. Die Gesellschaft hat sich geändert. Kommt mit mir zurück in die Mitte der Gesellschaft.‘" Attila Somfali, Journalist Ynet News
Das ist die liberale Seite von Naftali Bennett. Doch es gibt auch eine Andere. Und die ist geprägt von radikal rechter, nationalreligiöser Ideologie.
Ariel, die zweitgrößte Siedlung im Westjordanland. Hier ist Bennet populär. Denn als Chef der Siedlerorganisation "Yesha" hat er bis 2012 für Siedlungen gekämpft.
Vor kurzem forderte er Soldaten auf, den Befehl zu verweigern, falls sie illegale Siedlungen räumen müssen. Das kommt hier an, wie auch seine Ablehnung eines palästinensischen Staates. Um den zu verhindern, will Bennett große Teile des Westjordanlandes sogar annektieren.
Ein Drittel von Bennets Unterstützern ist unter 30 Jahren. Von den etablierten Parteien sind sie enttäuscht. Und die Jungen sind auch frustriert, weil sie im Alltag kaum mehr über die Runden kommen.
Ein bisher langweiliger Wahlkampf wird plötzlich spannend: Premier Netanjahu verliert in den Umfragen zwar massiv, liegt aber immer noch vorne. Zuviel Stimmverluste in Richtung Bennett darf er sich aber nicht erlauben. Das könnte ihn innerparteilich unter Druck setzen. Deshalb raten Politikprofis zu einer neuen Strategie:
"Erzähle den Leuten, was du erreicht hast und wer du bist. Und greife niemanden persönlich an. Dann zeigst du nämlich, dass du Angst hast. Du bist der Einzige, der gewinnen kann. Spiel das Spiel von oben weg, sauber, präsidial.“ Attila Somfali, Politischer Korrespondent Ynet News
Der Kampf um Stimmen im rechten Lager geht auf die Zielgerade. Doch auch Bennett stößt an Grenzen: Nie zuvor hat er ein politisches Amt gehabt. Nie zuvor hat er politische Verantwortung tragen müssen. Das wird bei einem Treffen mit russischstämmigen Wählern in Tel Aviv deutlich: Er gerät in der Diskussion unter Druck. Auch hier wählt man zwar rechts, aber mit den extremen Positionen Bennetts zur Homosexualität und seiner Ablehnung der Zivilehe können hier viele nichts anfangen. Der sonst so selbstbewusste Newcomer muss zurückrudern, gibt sich bescheiden.
"Deshalb hat Netanjahu Angst vor ihm. In der Politik weißt du nie, was passiert, wenn jemand Macht bekommt. Ein Politiker wie Bennett hat mit fünf Sitzen in den Umfragen angefangen. Dann wurde es immer mehr, erst sieben, dann zehn, dann zwölf, dann 13. Das hat sein Verhalten geändert. Er ist wesentlich arroganter geworden.“ Attila Somfali, Politischer Korrespondent Ynet News
Bei einem letzten Wahlkampftermin diese Woche trifft Bennett in einer Einkaufshalle überraschend den Kandidaten der liberalen Partei, Yair Lapid. Auch der will an die Macht. Dass die neue Regierung aber stramm rechts sein wird, daran zweifelt in Israel keiner.
Autor: Markus Rosch / ARD Tel Aviv
Stand: 22.04.2014 14:13 Uhr
Kommentare