So., 30.06.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
KROATIEN: Ein Prošek auf den EU-Beitritt
Und Kampf dem italienischen Prosecco
Andro hat uns nach Sveti Klement mitgenommen, einem Weiler an der schmalsten Stelle der ohnehin nicht sehr breiten Insel vor Hvar. Es wächst hier fast Alles, vor allem Wein.
Guter Jahrgang wieder, das sieht man schon von weitem.
Tomić ist ein bekannter Weinproduzent und er ist ein Wortführer geworden. Tomić und der Wein und der EU-Wahnsinn.
Dies sind die Pošip-Trauben, aus denen nicht irgendeinen Wein gemacht wird, sondern ein Kulturgut, Prošek, ein goldener Saft mit reichlich Prozenten.
Und genau den soll es ab dem Eintritt Kroatiens in die Welt der EU-Vorschriften nicht mehr geben, jedenfalls nicht unter diesem Namen.
Im Weinkeller von Andro Tomić: Man sieht gleich, es wird Geld verdient mit diesem sehr speziellen Tropfen. Sein Name eine Provokation, jedenfalls für Freunde des italienischen Weines. Prošek, klingt so ähnlich wie Prosecco. Es sind aber zwei völlig unterschiedliche Weine. Prošek klingt genauso, fanden die italienischen Wettbewerbshüter, die ihren Prosecco gegen den Rest der Welt verteidigen, und die dafür einen Markenschutz für regionale Besonderheiten durchgesetzt haben, ganz in Gegensatz zu den Kroaten.
Über hundert Jahre alt ist diese Marke, niemand störte sich bislang daran, Markenschutz war nicht nötig. Keiner trank des anderen Wein. Verwechslung ausgeschlossen. Historisch gesehen stammt Prošek sogar aus Italien.
Weinbau auf Hvar, wahrscheinlich gibt es das schon seit zweitausend Jahren, gute Rebsorten tauschte man aus, hier setzte sich der Prošek durch.
Aber die Reblaus, die harte Arbeit, Handarbeit, die damals niedrigen Preise, die Landflucht, die Traumlandschaft erzählt eigentlich mehr von Alpträumen.
Man muss schon Berufsoptimist sein wie Andro, um da seine Träume zu bewahren.
Eine Welt ohne Prošek, für Andro völlig unvorstellbar. Mit der Landschaft und ihren Produkten machen sie zwar ordentliche Geschäfte. Aber die kroatischen Unterhändler, die das Land in acht Jahren Verhandlungen in die EU führten, hatten das Problem des Markenschutzes für den Prošek einfach vergessen. Andere Themen waren wichtiger, Korruption, Wirtschaft, Justiz, so etwas.
Dol, eines der nächsten Dörfer, die Kneipe ist immer offen, man setzt viel Flüssiges um auf Hvar, nicht immer Alkohol, vor allem nicht immer Prošek.
Europa und Prosecco - da haben sie schon ganz andere Dinge ausgesessen hier.
Die Sache mit den Kindern bringt uns nämlich näher an die Frage, warum so was ein unantastbares Kulturgut sein soll.
Besuch bei Mate, dem Gemeindevorsteher: In einer Garage am Hafen hat er sein Geheimnis gelagert.
Prošek, Hausmarke. 20.000 Produzenten soll es geben, kleine, große, Industriebetriebe für die Touristen. So viele Winzer, so viele Sorten.
Auch Mate hat ein paar Liter in Sicherheit gebracht für seine Kinder. Alles bio sowieso.
Prošek ist eben ein Freund für ganz besondere Stunden. Wenn der Pfarrer kommt, der Arzt oder es ist Hochzeit, nur dann gibt es einen Schluck. Vielleicht noch, wenn das Fernsehen kommt. Auch Mate kann nicht glauben, dass man ihnen das hier nehmen will. Es ist keine Frage des Geschmacks, es ist eine Frage des nationalen Stolzes.
Zurück zu Andro. Sichtweite an diesem Tag: hundert Kilometer mindestens. Besuch im Ausflugslokal aus der Zeit, als die Habsburger das Meer und große Teile Südosteuropas beherrschten, eine Art EU in klein. Keine schlechte Zeit, findet Andro auch hundert Jahre danach. Denn damals ließ man sie einfach machen.
Wenigstens umetikettieren müssten sie ihn jetzt. Die Hausmarke hat aber sowieso keinen Aufdruck, Problem gelöst. Und Brüssel ist weit.
Autor: Thomas Morawski , ARD Wien
Stand: 01.07.2013 00:23 Uhr
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