So., 05.10.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Libyen: Land am Abgrund
Raketen für den Kampf gegen islamistische Milizen in Bengasi. Seit Tagen greifen die Islamisten dort einen Militärflughafen an, der noch von diesen Männern, den Soldaten der neu gewählten Regierung gehalten wird. Die Regierungstruppen haben einen Trumpf: die Reste der Luftwaffe Gaddafis, die nach der Revolution von 2011 übrig geblieben sind: sechs Helikopter und ein Dutzend älterer Kampfflugzeuge.
In Libyen tobt noch kein Bürgerkrieg, aber es regiert das Chaos, und es ist schwer zu erklären, wer eigentlich gegen wen kämpft. Es gibt zwei Parlamente, zwei Regierungen und jeden Tag Tote.
Wir sind uns auf dem Weg zu General Khalifa Haftar, dem vermutlich derzeit wichtigsten Mann der gemäßigten Kräfte in Libyen.
Sein Hauptquartier ist an einem geheimen Ort. Khalifa Haftar kämpft für die neue moderate Regierung. Niemand hat ihn beauftragt. Er führt ein Bündnis alter Offiziere im Kampf gegen Islamisten. Wir mussten das Land doch schützen, meint Haftar.
Khalifa Haftar:
Das neue Parlament dieses demokratischen Staates sitzt in Tobruk, weit weg von Haftars Hauptquartier. Dieser Mann, Ashraf Majar, Salafistenführer aus Bengasi, kämpft auch für die moderate Regierung und gegen die Islamisten. Ein islamischer Fundamentalist ist auch er, aber Majar akzeptiert die Regeln der Demokratie. Für uns ist das schwer zu verstehen, doch die Allianzen in Libyen sind so kompliziert wie der ganze Konflikt.
Ein Checkpoint an der Außengrenze von Tobruk. Zur Zeit fährt Majar häufig in die Stadt, etwa um dort Ausrüstung für seine Männer zu organisieren. Der Salafist sagt, die Islamisten in Tripolis und Bengasi seien längst von Al Kaida und den Terroristen des Islamischen Staates unterwandert. Und sie beschmutzten den Islam, weil sie Menschen abschlachten, die einfach nur Demokratie wollen.
Ashraf Majar:
Tobruk, die Hafenstadt weit im Osten des Landes, ist ein Zufluchtsort geworden für Flüchtlinge aus Tripolis wie diese drei. Im August übernahmen in der Hauptstadt islamistische Milizen die Macht, sie hätten geplündert und gemordet. Da mussten sie fliehen. Viele der Kämpfer seien Dschihadisten aus dem Ausland, von Al Kaida und der Terrormiliz IS.
Intisar Mohammed, Islamistengegnerin:
Fürs Internet bereiten sie Bilder vor, Beweise für Gräueltaten der Islamisten in Tripolis, behaupten sie. Grausame Bilder, die wir so nicht zeigen wollen, sollen den Westen wachrütteln: Europa könne dann gar nicht anders als eingreifen.
Ali Al Shaibi, Islamistengegner:
Er hat noch Hoffnung, das Abrutschen Libyens in den Bürgerkrieg ließe sich verhindern: Der Präsident des vom Ausland anerkannten neuen libyschen Parlaments.
Ageila Saleh Eissa Obeidi, Parlamentspräsident und Übergangs-Staatspräsident:
Zurück bei den Männern von General Haftar und dem, was bald die neue Libysche Armee sein soll. 40 Jahre alt sind die Panzer, aber noch ganz gut, sagt man uns. Den Versöhnungsdialog des Präsidenten aus Tobruk lehnen die Islamisten übrigens ab. General Haftar sagt: Reden kann man mit denen sowieso nicht. Man kann sie nur bekämpfen.
Khalifa Haftar:
Und dann gibt es noch einen Tapferkeitsbeweis für unsere Kamera: Haftars Männer fürchten sich nicht und sind bereit, im Kampf gegen die Islamisten zu sterben. Das will der Soldat uns wahrscheinlich mitteilen.
Auch in Libyen scheint die Politik am Ende. Jetzt sollen die Waffen entscheiden.
Autor: Volker Schwenck, ARD Kairo
Stand: 06.10.2014 00:17 Uhr
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