So., 05.10.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Brasilien: Marina gegen Dilma
Eine Amazone will Präsidentin werden
Sie ist die Herausforderin: Marina Silva wirbt für eine neue Politik, die viele Brasilianer in den Sozialprotesten der letzten anderthalb Jahre gefordert haben. Sie setzt auf den im Land weit verbreiteten Frust über Parteienfilz und die Unzufriedenheit. Der Korruption hat sie den Kampf angesagt und Verleumdungskampagnen der Regierungspartei gegen ihre Kandidatur, weil sie deren Sozialprogramme abschaffen wolle.
Marina Silva:
Xapuri im Bundesstaat Acre, unweit von Peru und Bolivien. Hier hat Marina Silva Führungsqualitäten erlernt, und wie man politisch Widerstand leistet.
Mit ihrer persönlichen Geschichte hat sie viele Brasilianer überzeugt. So wie hier ist die Politikerin in einer verarmten Familie aufgewachsen, als eines von elf Kindern.
Der Unterschied: ihnen ist heute ein Mindesteinkommen garantiert.
Suely de Souza:
Und das sichert heute Präsidentin Rousseff Wählerstimmen, trotz der Sympathien für Marina.
Weil die amtierende Regierungspartei Rousseffs und deren Amtsvorgänger Lula diese Sozialprogramme aufgelegt hatten, fürchten ihre Bezieher, dass eine Wahlsiegerin Marina dieses Wohlfahrtsprogramm einfach streichen könnte – eine Behauptung im Wahlkampf der regierenden Arbeiterpartei. Lügen, kontert Marina und appelliert an Respekt, Fairness und Wahrheit, denn sie wisse genau, was es heißt, Hunger zu haben.
Marina Silva:
Nicht nur in dieser Favela wird Marina Silva als neuer Politstar gesehen. Eine zierliche Herausforderin, die für die sozialistische Partei antritt, und eine neue Politik verspricht, für alle 200 Millionen Brasilianer.
Marina will Veränderungen: Als Umweltministerin in der Regierung des populären Expräsidenten Lula kämpfte sie fünf Jahre lang dafür und setzte ihre Projekte prominent ins Rampenlicht. Aber wirtschaftliches Wachstum und Agrarlobby waren der Regierung dann doch wichtiger als Schutz der Natur und mehr Rechte für Kleinbauern und Ureinwohner. Konsequent trat sie 2008 zurück.
Amazonien, die Heimat der Präsidentschaftskandidatin und grüne Lunge der Welt. Sie hat als Kind, so wie heute Deuzuite und Claudio als Kautschukzapfer gearbeitet. Um fünf Uhr morgens ist sie aufgestanden, ging kilometerweit und half ihrem Vater, den weißen Saft für die Gummiindustrie zu ernten. Im Regenwald hat Marina, so erzählt sie bei ihren Wahlkampfauftritten, Demut gegenüber der Natur gelernt.
Mit dem legendären Umweltschützer Chico Mendes, der 1988 kaltblütig ermordet wurde, war sie in der Gewerkschaft der Gummizapfer. Schon damals wollte sie die Welt verändern. Der Mitbegründer der Gewerkschaft Seu Sabá erinnert sich genau:
Seu Sabá, Kautschukgewerkschaft:
In einer kommunistischen Untergrundorganisation hat sie gegen die Militärdiktatur gekämpft. Aber das für sie wichtigste Erlebnis war, dass sie es schaffte, als junge Frau doch noch das zu erleben, was sie heute für jeden einfordert. Ein Schulbesuch.
Marina Silva
Mit 16 verließ sie ihre Familie, wollte Nonne werden in der Hauptstadt von Acre, in Rio Branco.
Bei Donna Terezinha hat Marina Lesen und Schreiben gelernt und bei ihr als Hausmädchen gearbeitet. Jetzt wirbt die alte Dame für ihre ehemalige Angestellte.
Terezinha da Rocha Lopes:
Und dabei passt sie eigentlich in keine Schublade. Arbeiterkampf, links, grün und offen für eine konservative Wirtschaftspolitik. So will sie jetzt Präsidentin werden.
Marina Silva:
Große Pläne, die begeistern, aber die gleichen verkündet auch Marinas Rivalin, Präsidentin Rousseff.
Autor: Michael Stocks, ARD Rio de Janeiro
Stand: 06.10.2014 00:09 Uhr
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