So., 05.01.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Saudi-Arabien: Schutzwall gegen die Armut
Je höher wir in die Bergregion fahren, desto tiefer werden die Schlaglöcher. Diese unzugänglichen Grenzabschnitte sind für die saudi-arabische Armee das eigentliche Problem: sie sind nur schlecht zu kontrollieren. Wir fahren über einen Teppich von Rauschgift: Jedes Billighandtuch enthält ein konfisziertes Bündel Kat. 40 Dollar wird dafür in Saudi-Arabien bezahlt, im Jemen kostet es nur wenige Cent. Kat, die pflanzliche Kaudroge der Jemeniten.
"Dieses ganze bunte Material stammt aus der letzten Woche“, sagt Brigadegeneral Abdallah, der uns in der abgelegenen Grenzregion begleitet.
Nur einen Steinwurf entfernt liegt das erste Dorf im Jemen, dem Armenhaus Arabiens. Das Einkommensgefälle ist gigantisch: In Saudi-Arabien verdient man zehn Mal mehr; die Arbeits- und Perspektivlosigkeit treibt die Jemeniten zum reichen Nachbarn.
Egal wie, sie wollen rüber, eine Gruppe von Jemeniten wartet bis zum Sonnenuntergang, um sich über die Grenze zu schleichen.
Abdallah Bin Mahfouz, Brigadegeneral:
Wenn die Jemeniten aus ihrer von Hunger und Terror geplagten Heimat fliehen wollen, müssen sie die schärfste Grenze auf der Arabischen Halbinsel überwinden: Stacheldraht in zwei Reihen, regelmäßige Wachposten und Tausende von Soldaten. Unser Team wird von mehr als einem Dutzend Geländewagen begleitet. 2000 Kilometer lang ist die Armutsgrenze, der Zaun wird von der saudi-arabischen Regierung ständig verbessert, und wird offenbar in Teilen bereits durch eine feste Mauer ersetzt; Geld scheint keine Rolle zu spielen, denn es gibt nicht nur Schmuggler…
Omar al Kahtani, Innenministerium Saudi-Arabien:
"Hier in der Gegend gibt es ziemliche Probleme mit den Jemeniten“, sagt der Soldat am schweren Maschinengewehr, "vor allem mit den Schmugglern. Ja, ich benutze die Waffe täglich, gegen die Schmuggler. Wir Soldaten versuchen, sie zu stoppen. Wir machen von der Waffe Gebrauch.“
Noch bis vor wenigen Jahren war die Grenze fast unbewacht, davon zeugen noch immer jemenitische Kamelkarawanen, die unkontrolliert nach Saudi-Arabien getrieben werden. Auch Hirten mit ihren Herden bewegen sich frei in den Randgebieten. Doch das Laissez-faire, das war einmal. Selbst für kleine Schmuggler wird es jetzt immer schwieriger, die Grenze zu überqueren. Wie schwierig, das wird uns nach Sonnenuntergang demonstriert.
Ein sündhaft teurer Grenzüberwachungswagen mit den modernsten Technologien steht auf einem Aussichtspunkt. Mit Nachtsicht- und Wärmekameras können die Spezialisten fünf Kilometer ins Nachbarland hineinsehen. Kein Hase entgeht ihnen, und schon gar kein illegaler Immigrant.
Jeden Tag, jede Nacht konfiszieren die saudischen Grenzbeamten Unmengen von Katpflanzen, und häufig auch Waffen unterschiedlichen Kalibers nebst der jeweiligen Munition. Ganz besonders strikt reagieren die Militärs aber auf Schmuggler von härteren Drogen.
Schwarzer Afghane im Gala-Kleid, reinstes Dope als Feine Milde. Die Drogengangs scheinen ein Faible für deutsche Kaffeeverpackungen zu haben. Bei den gesetzlichen Strafen für dieses Vergehen aber vergeht einem das Lachen.
Abdallah Bin Mahfouz, Brigadegeneral:
Der General windet sich um das Wort Todesstrafe herum. Meistens verlieren die Delinquenten ihr Leben durch Köpfen.
Gerade kurz vor der Grenze aufgegriffen: ein Arbeiter, der drei Jahre illegal im Königreich gearbeitet hatte und wegen der Verschärfung der Gesetze zurück wollte in den Jemen. Schon einmal war er in Haft gewesen, wie das Kriminalregister dokumentiert. „Nein“, beteuert er auf Nachfrage, er würde niemals wieder versuchen, nach Saudi-Arabien zu gehen.
Ein Blick in einen Transporter mit inhaftierten Männern, angeblich allesamt Drogenhändler. Er stamme aus dem Jemen, sagt der Mann links, und habe sechs Kilogramm Dope geschmuggelt. Der in der Mitte gibt zu, mit zehn Kilo erwischt worden zu sein. Und bei diesem waren es fünf Kilo Haschisch. Als Entschuldigung führt er an, von bösen Menschen in die Sache hineingezogen worden zu sein. Angesichts der alttestamentarischen Strafen, die ihnen drohen, ist die Angst der Gefangenen mit Händen zu greifen.
Das Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Jemen – eine Gegend der Welt, die der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist; wir haben erfahren, wie viel Geld die Regierung des Königreiches in die Grenzsicherung steckt und wie stolz sie darauf ist. Für die zunehmend perspektivlosen Jemeniten bedeutet das für das neue Jahr nichts Gutes: auch das letzte Schlupfloch ins vermeintliche Paradies ist wohl bald gestopft.
Autor: Thomas Aders, ARD Kairo
Stand: 15.04.2014 10:36 Uhr
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