So., 14.07.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Familienstreit um Mandelas Erbe
Wie eine nationale Ikone beschädigt wird
Frauen wie Nombhashi Gamede gibt es hier in Qunu heute noch genauso wie damals vor 90 Jahren, als Nelson Mandela hier als kleiner Junge lebte.
Nombhashi ist eine Sangoma, eine traditionelle Heilerin und Wahrsagerin. In Qunu wundert sich niemand darüber, dass Nelson Mandela nun schon so lange im Krankenhaus ist. Es liege daran, dass die Geister der Vorfahren verärgert seien, hört man im Dorf immer wieder. Auch Nombhashi ist davon überzeugt. Das, was sich im Moment in der Mandela-Familie abspiele, habe Nelson Mandela krank gemacht.
"Bitte, ihr Geister der Vorfahren, bitte Geister von Nelson Mandelas Vater und Mutter, vergesst Euren Ärger, kommt und heilt die Mandela-Familie", fleht Nombhashi die Ahnen an. "Kommt und helft den Familienstreit zu schlichten."
Das ist es, wovon die Heilerin spricht: Menschen, die gewaltsam das Tor zu einem Friedhof aufbrechen. Menschen, die dort die Gräber öfnen und die Leichen abtransportieren. Trauriger Höepunkt im Familien-Streit der Mandelas.
Es sind zwei kleine Döfer, die um das Erbe Mandelas streiten. Nur wenige hundert Menschen leben hier in einfachen Verhätnissen: auf der einen Seite in Mandelas Geburtsort Mvezo und 30 Kilometer entfernt eben in Qunu, dem Dorf, in dem Mandela als kleiner Junge das Vieh hütete.
Nombhashi zeigt uns den Familienfriedhof der Mandelas in Qunu. Hier sind viele Verwandte Mandelas begraben, bis vor zwei Jahren auch drei bereits verstorbene Kinder Mandelas.
"Mandelas Enkel Mandla hat die Leichen ausgraben lassen und sie in sein Dorf, nach Mvezo, bringen lassen." erzählt uns Nombhashi empört. "Ist doch klar, dass das Mandelas Gesundheit nicht gut tut."
Mandla Mandela, der Enkel Nelson Mandelas. Vor sechs Jahren wurde er zum Häuptling des Nachbardorfs ernannt. Seitdem sitzt er auf dem Löwenfell-Thron und seitdem, so sagen viele, habe Mandla vor allem ein Ziel: sein Dorf zur Machtzentrale der Mandelas zu machen. Die Leichen an seinen Wohnsitz umzubetten, sei ein Teil dieses Plans gewesen.
"Wo immer Nelson Mandelas Grab sein wird, dieser Platz wird ein Wallfahrtsort werden." sagt der Politologe Daryl Glaser. "Mandela hat immer gesagt, dass er bei seinen Kindern begraben sein will. Die Leichen der Kinder nach Mvezo zu holen, kann man also als einen Versuch sehen, das Geld der Touristen nach dorthin umzuleiten."
Entsetzen darüber bei anderen Enkelkindern und Kindern Mandelas. Der Streit wird schließlich so heftig, dass die Mandela-Familie ihn vor Gericht klären muss. Mandla soll die Leichen zurück nach Qunu bringen, so die Forderung der Kläger. Das Gericht gibt ihnen Recht. Über diesen Erfolg große Freude. Doch warum der ganze Streit? Warum den Toten nicht einfach ihre Ruhe lassen? Darüber wollen die Mandelas nicht sprechen:
"Das ist Privatsache", sagt Mandelas Tochter Makaziwe.
Mit Gewalt muss schließlich der Transport der Leichen erzwungen werden. Denn Mandla Mandela will das Gerichtsurteil nicht akzeptieren. Der Streit um die toten Vorfahren eskaliert zur Schlammschlacht.
"Mein Bruder Mbozo hat meine Frau geschwängert", erklärt Mandla, der Verlierer im Streit, in einer eigens einberufenen Pressekonferenz. "Aber über meinen Bruder hat sich in der Familie nie jemand aufgeregt. Dabei sagen sie immer, dass es ihnen wichtig ist, dass es harmonisch in der Familie zugeht. Ich will ja hier keine schmutzige Wäsche waschen, aber die, die mich hier angreifen, die sind doch selbst nicht besser. Die haben doch ihren eigenen Großvater vor Gericht gebracht, um an sein Geld zu kommen."
Worauf Mandla hier anspielt, ist ein weiterer Streit in der Familie. Der Name Mandela ist längst zu einer Marke geworden, die viel Geld einbringt.
Millionen soll Nelson Mandela selbst verdient haben, etwa mit dem Verkauf seiner Gemälde. Zwei Töchter wollen nun vor Gericht erzwingen, dass dieses Geld an die ganze Familie verteilt wird. Dabei hatte Mandela es angeblich für die Ausbildung der kommenden Familien-Generationen vorgesehen.
"Ich glaube trotz allem nicht, dass der Streit in der Familie den Ruf von Nelson Mandela selbst beschädigt." sagt Daryl Glaser. "Im Gegenteil: einige sagen sogar, dass sie dadurch eine noch höhere Meinung von ihm haben, denn nun zeigt sich wieviel ehrenhafter er ist als viele andere in der Familie."
Andere allerdings sehen die Legende Mandela längst beschädigt. Bischof Desmond Tutu zum Beispiel, ein Wegbegleiter Mandelas. Die Familie habe Mandela ins Gesicht gespuckt, sagt er. Der Familienstreit ist zum Politikum geworden. In einem Radiointerview hat sich nun selbst der Vize-Präsident Südafrikas zu Wort gemeldet:
"Ich hoffe, dass Mandela sich erholt.", sagt Kgalema Mothlante. "Und ich hoffe auch, dass es der Familie gelingt ihre Angelegenheiten zu regeln, und zwar auf würdevolle Weise."
Das wünschen sich auch viele andere Südafrikaner, die nach wie vor zum Krankenhaus pilgern, in dem Mandela behandelt wird. Wieviel er selbst über den Streit erfährt, ob er überhaupt ansprechbar ist, ist unklar.
Jedenfalls ist Nombhashi inzwischen ein wenig erleichtert: Die sterblichen Überreste von Mandelas Kindern sind zurück in Qunu. Man hat sie direkt neben Mandelas Wohnhaus begraben und so hoffentlich die Ahnen besänftigt.
Jetzt, wo die Toten zurück sind, ist Nombhashi ueberzeugt, jetzt kann auch Nelson Mandelas Seele Ruhe finden.
Ob das nun bedeute, dass er gesund wird oder nur, dass er in Frieden Abschied nehmen kann, fragen wir noch. Doch das, sagt Nombhashi, könne auch eine Sangoma wie sie nicht beantworten.
Autor: Thomas Denzel / ARD Johannesburg
Stand: 15.04.2014 11:10 Uhr
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