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USA: Sucht auf Rezept

Medikamentenjunkies an der Wall Street

USA: Sucht auf Rezept | Bild: BR

Eine Geschichte über Katy Miller und was das Medikament Adderall aus ihr machte. Adderall ist ein in den USA zugelassenes Medikament, hilft bei krankhafter Konzentrationsschwäche und bei Hyperaktivität.

Katy Miller
Katy Miller | Bild: BR

Heute hat Katy wieder zu sich selbst gefunden. Sie liest und schreibt viel, schläft und isst wieder normal. Das war vor zwei Jahren anders: Da war sie abhängig von Adderall und seiner Wirkung.

»"Das ist der Tunnelblick: Du arbeitest wie eine Maschine, absolut konzentriert. Egal, was um dich herum passiert, du bist fokussiert. Es ist, als ob du Scheuklappen hättest, und die Wirkung hält lange an: sechs, sieben, acht Stunden." Katy Miller«

Da arbeitete sie dort drüben bei einer angesehenen Anwaltskanzler an der Wallstreet. Die Erwartungen waren groß, 12 Stunden pro Tag die Norm. Sie wollte funktionieren.

»"Alle um mich herum schienen in der Lage zu sein, nur für die Arbeit zu leben. Alles wurde dem untergeordnet. Aber ich konnte das nicht so wie sie. Also habe ich mich mit chemischen Hilfsmitteln arbeitsfähig gemacht. Wenn ich jetzt zurückschaue, bin ich angewidert, dass ich so was gemacht habe." Katy Miller«

Brad Lamm
Brad Lamm | Bild: BR

Früher waren es Kokain und Speed – heute sind es Medikamente wie Adderall, die als Aufputschdrogen mißbraucht werden. Brad Lamm war früher selber abhängig davon. Heute behandelt er die Abhängigen. Drogensucht, um Leistung zu bringen:

»"Diese Mittel machen dich besser und schneller als dein Konkurrent neben dir." Brad Lamm, Therapeut«

Trader, Broker und Banker nehmen es. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber es ist in aller Munde. Und sie schreiben darüber anonym in ihren Blogs:

"Es ist irre, wie effizient ich mit Adderall arbeite."

Und ein zweiter antwortet:

"Mit Addy bin ich noch besser als Warren Buffet."

Und bekommt vom dritten die Antwort:

"Mein Doktor sagt, jeder sollte es nehmen."

"Für meine Freunde von der B-Bank ist Addy Religion." schreibt der vierte.

Und der fünfte warnt: "Ich habe noch nie eine Droge erlebt, die schneller zerstört."

»"Der Absturz ist gewaltig. Wenn du das Mittel absetzt, bist du depressiv, down und ängstlich und das einzige, was dann dagegen zu helfen scheint, ist mehr Adderall." Brad Lamm, Therapeut«

Katy Miller auf der Straße
Katy Miller auf der Straße | Bild: BR

Missbrauch von Adderall – ein Massenphänomen in den USA: 8,2 Millionen Amerikaner nehmen Adderall als Aufputschdroge – hauptsächlich junge Leute. Dies sind offizielle Zahlen der Regierung.

Aber wie kommen so viele Menschen an das Präparat?

Sie machen es wie Kati Miller, sie gehen einfach zum Arzt und lassen es sich verschreiben. Katy kannte Adderall von der Universität. Nun wollte sie es für die Arbeit.

»"Erst habe ich versucht, dem Arzt etwas vorzuspielen, aber der durchschaute mich sofort. Der wusste sofort, dass es mir nur um eines ging, um Adderall." Katy«

»"Ich denke, er hat an mir ganz gut verdient. Ich habe 250 Dollar für eine Therapiestunde bezahlt und nach 20 Minuten war ich draußen und wir hatten eigentlich nur über das Wetter und Adderall geredet." Katy«

Dr. Sebastian Zimmerman
Dr. Sebastian Zimmerman | Bild: BR

Wir schauen in der Praxis des Psychiaters Dr. Sebastian Zimmermann: Er ist wütend auf seine Kollegen, die Adderall wahllos verschreiben, ohne die Patienten zuvor eingehend untersucht zu haben:

»"Da gibt es Kollegen, die funktionieren wie Psychopharmaka-Fabriken: Fünf Minuten Therapie und du bist draußen." Sebastian Zimmermann, Psychiater«

Er hält Adderall für ein sinnvolles Medikamnet, allerdings nur eng begrenzt bei klar indizierten Fällen von ADHS, krankhafter Konzentrationsschwäche.

»"Das ist keine harmlose Droge, wenn Patienten das als Aufputschmittel nehmen, überdosieren und mit Alkohol mischen. Dann wird das richtig gefährlich. Die Droge geht auf`s Hirn. Sie kann schwere Pychosen auslösen, Paranoia, Wahnzustände: die Leute sehen Käfer über ihre Haut krabbeln." Sebastian Zimmermann«

Katy hat so etwas erlebt. Um vom Adderall loszukommen, musste sie ihren Job aufgeben. Freunde halfen ihr. Es hat Monate gedauert:

»"Ich war total erschöpft. Ich dachte: 'Ich werde nie wieder normal werden.' Aber ich habe durchgehalten. Ich dachte damals, dieser Zustand ist immer noch besser als von Adderall abhängig zu sein." Katy«

Katy Miller
Katy Miller | Bild: BR

Sie veröffentlichte ihre Erfahrungen in der New York Times. Die Resonanz war überwältigend. So wie Katy damals glauben viele ihr Pensum am Arbeitsplatz nur mit Hilfe von Drogen zu schaffen:

»"Es ist die perfekte Droge: Sie ist absolut legal, sie wird rein verkauft, du bekommst sie direkt von der Pharmafirma, ein Arzt hat sie dir verschrieben. Was hält dich da noch zurück? Die Gesellschaft steht hinter dir." Katy«

»"Wenn man sich das Zusammenspiel von Wallstreet und den großen Pharmafirmen anschaut, ist es da verwunderlich, dass eine Droge, die in anderen Ländern verboten ist, bei uns gesellschaftsfähig ist? Ich weiß nicht. Klar ist, Adderall entspricht Amerikas geradezu verzweifeltem Verlangen nach immer mehr." Brad Lamm«

Das Mädchen und das Medikament: Für Katy ging die Geschichte gut aus. Aber wie enden die anderen?

Autor: Markus Schmidt / ARD New York

Stand: 15.04.2014 11:10 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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