So., 02.11.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Nonnen auf Tour im Wahlkampfbus
Gegen die Macht des großen Geldes
"Wir sind das Volk, wir sind die Wähler!“ Die Parole auf ihrem Bus, ein Glaubensbekenntnis. Ausgerechnet Amerikas Nonnen sind ausgezogen, politikmüde Bürger wachzurütteln. Denn bei den Kongresswahlen am Dienstag droht eine lausige Wahlbeteiligung. Dagegen predigt das Netzwerk der Nonnen auf wochenlanger Bustour durch die USA.
Schwester Simone Campbell, Nuns on the Bus:
Der nächste Stopp Atlanta, Georgia, ein politisch besonders umkämpfter Bundesstaat.
Viele Schwarze sind nach sechs Jahren Obama-Regierung bitter enttäuscht. Schwester Simone will die mächtigen Gewerkschaften mobilisieren. Wer mehr soziale Gerechtigkeit wolle, dürfe seine Stimme nicht verschenken! Die Nonnen fragen nicht, ob jemand Demokrat oder Republikaner ist. Ihr Gegner: die in beiden Lagern grassierende Gleichgültigkeit. Dabei schreie die Kluft zwischen superreich und bettelarm zum Himmel.
Greg Fann, Coalition of Black Trade Unionists:
Sie schicken Denkzettel an den Kongress in Washington, unterschreiben für ein gerechteres Amerika. Doch nur enttäuschend wenige sind heute zur Kundgebung auf dem Parkplatz gekommen. Schwester Simone und ihre Mitstreiterinnen kennen das schon – vor allem Amerikas Jugend interessiert sich kaum für Politik, ob in der Coca-Cola-Stadt Atlanta oder auf dem platten Land.
Simones Herz gehört Jesus, ihre Stimme Obamas Demokraten. Es ist kein Geheimnis: die meisten dieser Nonnen sind links und liberal. Oft werden sie deshalb von Amerikas konservativen Christen verteufelt.
Mary Priniski, Adrian Dominican Sisters:
Wo immer sie hinkommen: die Nonnen kritisieren den giftigen Einfluss des großen Geldes. Millionenschwere Wahlkampfspenden.
Schwester Simone Campbell, Nuns on the Bus:
Die Wurzel des Übels sehen die Nonnen in Washington. Dort werde das Dach des Kapitols restauriert – dabei sei das Fundament des Parlaments marode, ausgehöhlt vom teuflischen Treiben der Lobbyisten, die im Kongress ein- und ausgehen. Simone und die Schwestern geißeln, dass viele Volksvertreter am Tropf des großen Geldes hängen.
Nur für Fotos stehen sie noch friedlich zusammen, denn Dienstag geht es um 471 umkämpfte Sitze in Repräsentantenhaus und Senat. Die Kontrahenten diffamieren sich gegenseitig in ihren Wahlwerbespots. Ihre teuren TV-Kampagnen haben bereits eine Milliarde Dollar verschlungen. Die Kongresswahlen – eine Schlammschlacht.
Ein stiller Moment am Highway in Colorado. Dann geht es schon wieder weiter…
Kurz vorm Wahltag drängen sich die Termine – Schwester Simone und ihre tapferen Mitstreiterinnen fühlen sich inzwischen wie eine übermüdete Rockband auf Tournee.
Schwester Simone Campbell:
Noch ein gesichtsloser Parkplatz; hier warten Latinos auf die Nonnen. Darunter viele Illegale aus Mexiko. Schwester Simone weiß um die Sorgen und Nöte dieser Menschen. Die große Reform der Einwanderungsgesetze war im Kongress kläglich gescheitert: erschütternde Berichte von Polizeiwillkür und Deportation. Simone beklagt die ausländerfeindliche Haltung vieler Republikaner, im Wahlkampf besonders aufgeheizt.
Auch Joe Biden predigt Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Der Vizepräsident ist im umkämpften Iowa Ehrengast der Nonnen. Obamas Stellvertreter macht sich stark für Amerikas Mittelschicht.
Joe Biden, Vizepräsident USA:
Mitsprache und Schutz auch für die sozial Schwachen im Land – dafür kämpfen die Nonnen. Schwester Simone bekommt die neuesten Umfragen aufs Mobiltelefon. Demokraten und Republikaner liegen in etlichen Staaten Kopf an Kopf. In 58 Stunden schließt das letzte Wahllokal – bis dahin predigen die Nonnen, was sie als elftes Gebot sehen: Du sollst Deine Stimme nicht verschwenden.
Autor: Stefan Niemann, ARD Washington D.C.
Stand: 05.01.2015 09:23 Uhr
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